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Die Musikbranche in der Krise – „Wenn es schlecht läuft, muss ich meine Instrumente verkaufen“

Sie schreiben den Soundtrack zu unserem Leben: Im Bus, im Auto oder zu Hause sind unsere Lieblingsmusiker immer da. Die Corona-Krise hat vor ihnen keinen Halt gemacht und gerade hauptberufliche Musiker befinden sich aktuell in einer dramatischen Lage. Andy Jones, Musiker aus Osnabrück, zieht für die Zukunft eine düstere Prognose: Sollten die Einnahmen aus diesem Jahr nahezu wegfallen, müssen viele Künstler ihre Tätigkeit aufgeben und ihre Instrumente verkaufen.

Andy Jones ist nicht nur vielen Studenten der Universität Osnabrück durch seine Tätigkeit im Fachbereich Anglistik bekannt, sondern auch vielen Fans von Rock- und Folkmusik. In diesem Jahr hat er trotz vieler Hindernisse sein drittes Studioalbum „Fights like Ours“ aufgenommen und sendet damit eine klare Botschaft gegen die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Krankheiten. Dass sein erster Song gerade jetzt die Lage unzähliger Menschen auf der Welt beschreiben würde, hat er selber nicht erwartet.

Geräuschlose Veröffentlichung

Wegen der Corona-Krise ist sein Album nahezu geräuschlos veröffentlicht worden. Die finanziellen Mittel, um Werbung zu machen, sind 2020 eingebrochen. Statt Einnahmen durch Auftritte, Merchandising und CD-Verkäufe zu erzielen, schreibt er rote Zahlen. „Aktuell kommt kein Geld rein, weil wir Musiker kaum noch Aufträge bekommen. Eher im Gegenteil: Ich musste Geld in neues Equipment investieren, um überhaupt Livestreams anbieten zu können“, berichtet Jones. Bisher konnte er sein Album kaum an Kunden bringen. „Es ist so, als hätte ich es nur für die Crowdfunder aufgenommen. Dass ich aktuell nicht so viele Einnahmen durch meine Musik mache, ist aber auch verständlich. Die Bevölkerung hat gerade einfach andere Dinge im Kopf als Musik.“

Verkauf der Lebensgrundlage für eine Lebensgrundlage

Nicht nur Musiker, sondern die gesamte Eventbranche steht damit vor einem großen Problem. Einnahmen brechen seit März nahezu komplett weg; was bleibt, sind laufende Kosten. Doch nicht nur sie belasten die Eventbranche: Viele Künstler und Veranstalter mussten Geld in neue Erwerbsmöglichkeiten oder Equipment investieren. Die Einnahmen daraus können laufende Kosten teilweise nicht ausgleichen. „Von Künstlern wird erwartet, die Schulden einfach einzustecken. Mir persönlich geht es verhältnismäßig gut, weil ich noch an der Universität beschäftigt bin. Aber hauptberufliche Musiker trifft es besonders hart.“ Einige Kollegen von Jones müssen mittlerweile Harz IV beziehen, weil sie ihre Miete sonst nicht zahlen können. Damit geht jedoch oft der Verkauf ihrer Lebensgrundlage einher: Einige Instrumente, wie etwa hochwertige E-Gitarren oder Schlagzeuge, sind so wertvoll, dass sie verkauft werden müssen, um Harz IV beziehen zu können. „Wenn es in diesem Jahr schlecht läuft, muss ich auch meine Instrumente verkaufen. Eins meiner Keyboards habe ich schon unter Wert verkauft, weil ich Rechnungen zahlen muss“, erzählt der Musiker Jones.

Mission Mars vor Mission Erde

„Ich weiß, dass es viele Menschen schlimmer erwischt hat, als Musiker. Aber wir haben ihnen auch geholfen und Kraft durch Musik gegeben“, erklärt Jones. „Viele sehen Musik nur als Hobby und verstehen deswegen nicht, dass auch unsere Existenz auf dem Spiel steht. Die Menschen wollen auf den Mars, aber hier gehen alle pleite.“ Ein viertes Album sieht er deswegen nicht kommen: „Ohne Einnahmen kann ich kein neues Album aufnehmen. Wir dürfen zwar wieder auftreten, aber die Auflagen sind so streng, dass nur ein Bruchteil der geplanten Besucher kommen kann.“ Ein Ansatz zur Lösung der problematischen Lage wäre nach Jones die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens: „Das wird in der Politik aktuell schon diskutiert, aber gerade die Krise hat gezeigt, wie viele darauf angewiesen wären.“ Darüber hinaus könnte das Jahr 2020 aus der Rechnung des Finanzamts gestrichen werden, um Künstlern mehr Luft zum Atmen zu geben. Eine Antwort des Finanzministeriums steht in Bezug auf diese Forderung noch aus. Petitionen für eine Verlängerung und Ausgestaltung der Soforthilfe für Soloselbstständige laufen ebenfalls noch. Am nächsten Sonntag, den 26. Juli 2020, wird Jones zum ersten Mal seit Februar wieder vor einem Live-Publikum bei „Live im Grünen“ am Büdchen auf dem Westerberg auftreten. „Das wird für mich eine ganz neue Erfahrung“, lacht Jones – die vergangenen vier Monate musste er in sein Tablet singen.


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Tatjana Rykov
Tatjana Rykov
Tatjana Rykov startete im Sommer 2019 mit einem Praktikum bei der HASEPOST. Seitdem arbeitete sie als freie Mitarbeiterin für unsere Redaktion. Nach ihrem Bachelor in Geschichte und Soziologie an der Universität Osnabrück ist sie seit 2023 wieder fest im Redaktionsteam. Derzeit schließt sie ihren Fachmaster in Neuste Geschichte an der Uni Osnabrück ab. Privat trifft man sie oft joggend im Park oder an ihrer Staffelei.

  

   

 

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