Wie in den Vorwochen stellen wir hier Originale vor, die es so nur in Osnabrück gibt.
Am vergangenen Donnerstag ritten wieder mehr als 1.300 Viertklässler aus Osnabrücks Grundschulen auf ihren liebevoll gebastelten Steckenpferden durch die historische Altstadt. Wer so einen „Ritt“ vor das Rathaus in seiner Schulzeit selbst mitgemacht hat, wird diesen Abend im Oktober später sicher als einen Höhepunkt seiner Grundschulzeit betrachten. Zusammen mit dem spitzen Papierhut sind die Steckenpferde eines der Markenzeichen der Friedensstadt. Und auch die Erinnerung an die süße Brezel, am besten persönlich überreicht vom Oberbürgermeister der Stadt, gehört für zahlreiche Osnabrücker zu einer kollektiven Erinnerung an die Heimatstadt an der Hase.
Aber es gibt auch noch eine Generation gebürtiger Osnabrücker, die diesen Brauch nur als Zuschauer kennen, weil vielleicht die eigenen Kinder oder Enkel die ersten in der Familie waren, die als Steckenpferdreiter durch die Stadt zogen.
Denn erst seit 1953, auf Initiative des Stadtarchivars Ludwig Bäte, findet diese Veranstaltung regelmäßig statt. Zuerst war diese herbstliche Veranstaltung nur Jungen vorbehalten, aber diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen werden auch Delegationen aus Partnerstädten in den Reiter-Tross integriert, wie in diesem Jahr eine Schülergruppe aus dem türkischen Çanakkale. 1998, im Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedens, verlegte eine Delegation Osnabrücker Schüler den Friedensritt sogar in die freundschaftlich mit Osnabrück verbundene Stadt Evansville in den USA – thematisch nicht ganz passend als Bestandteil des dortigen Oktoberfests.
Wie jedes Osnabrücker Schulkind erklären kann, erinnert das Steckenpferdreiten an den Friedensschluss von 1648. Wenn schon die regelmäßige Veranstaltung erst 1953 eingeführt wurde, stimmt denn diese für Osnabrück so wichtige Jahreszahl?
„Fast“ kann man hier antworten, nur leider ist Osnabrück nicht der richtige Ort, aber zumindest der Westfälische Friede der historisch korrekte Anlass. Im Jahr 1650, also zwei Jahre nach dem Frieden von Münster und Osnabrück, wurden im weit entfernten Nürnberg noch offene Fragen geklärt, die im Zusammenhang mit der Auflösung der zahlreichen in Europa aufgestellten Truppen entstanden waren. Zum Ende dieses mehr als ein Jahr andauernden Nürnberger Exekutionskongresses, sollen tatsächlich Kinder auf Steckenpferden durch die Stadt Nürnberg geritten sein.
Nach Osnabrück, der Stadt in der – neben Münster – der Frieden manifestiert und nicht lediglich bürokratisch aufgearbeitet wurde, kamen die Steckenpferdreiter erst 1875. In diesem Jahr veröffentlichten die aus dem Emsland stammenden Schwestern Clara und Emmy von Dincklage ihr Geschichtenbuch für die Jugend, in dem sie die Handlung kurzerhand von Nürnberg nach Osnabrück verlegten.
Trotz dieser vielleicht etwas ernüchternden Hintergründe, ist das Steckenpferdreiten dennoch ein echtes Osnabrücker Original, und dies nicht nur für die inzwischen wohl hunderttausenden kleinen Osnabrücker, die seit 1953 vor das Rathaus geritten sind.
Die Nominierungsphase für das Osnabrücker Original ist beendet. Auf der Homepage der Initiative oder bei Facebook können Sie ab sofort aus den zahlreichen Nominierungen für Ihr Osnabrücker Original abstimmen.
Diese Osnabrücker Originale wurden schon in der Osnabrücker Sonntagszeitung und bei I-love-OS.de vorgestellt:
- Springbrötchen
- Iduna Hochhaus
- Grüner Jäger
- Hannoverscher Bahnhof
- Doc Moralez
- steinerner Eisbär im Zoo
- Carsten Thye – Stadionsprecher
- prelle shop
- Liebesschlösser an der Hase
- Lagerhalle
- Wochenmarkt
Heiko Pohlmann,
Foto: David Nikolaus
Dieser Artikel erschien auch am 21.10.2012 in der Osnabrücker Sonntagszeitung (PDF Download).