Einen VfL Osnabrück-Spielbericht wird es aufgrund des verschobenen Punktspiels gegen Jahn Regensburg an diesem Wochenende nicht geben. Stattdessen hat unser Fußballreporter Hermann Schmidt einen Blick in die nähere Zukunft und den anstehenden Kampf um den Klassenerhalt gewagt.
Eine Bestandsaufnahme von Hermann Schmidt
Wird der VfL Osnabrück die Klasse erhalten können? Das ist die Frage aller Fragen an der Bremer Brücke. Noch sind 11 Spiele zu spielen, in denen es für die Lila-Weißen um 33 Punkte geht. Gegenwärtig weist das Punktekonto des VfL 22 Punkte auf. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt vor dem 24. Spieltag einen Punkt, der auf die beiden Abstiegsplätze ebenfalls einen bzw. sieben Punkte. Aufgrund des wegen Corona verschobenen Spiels gegen Jahn Regensburg und der direkten Begegnung zwischen Eintracht Braunschweig und dem SV Sandhausen am kommenden Sonntag könnte der VfL Osnabrück noch weiter nach unten rutschen und zunächst (hoffentlich vorübergehend) auf dem Relegationsrang oder einem Abstiegsplatz landen.
Wie viele Punkte reichen zum Klassenerhalt?
Unterzieht man die Abschlusstabellen der letzten zehn Jahre in der 2. Bundesliga- Tabelle einer genaueren Prüfung, so reichten folgende Punktestände aus, um den Relegationsplatz zu vermeiden und ohne Entscheidungsspiele in der Liga zu verbleiben: je einmal genügten 33 Punkte (Saison 2010/2011), 34 Punkte (Saison 2015/2016), 35 Punkte (Saison 2011/12), viermal 37 Punkte ( (Saison 2012/13, 2014/15, 2016/17, 2019/20), einmal 38 Punkte (Saison 2018/19), und zweimal brauchte man 40 Punkte (Saison 2013/14, 2017/18), um der Relegation zu entgehen. Unter Zugrundelegung des bisherigen Durchschnittswertes wären somit 37 Punkte am Saisonende erforderlich, damit der VfL Osnabrück die Klasse (ohne Relegation) erhalten kann. Die derzeitige Differenz zwischen dem zu vermutenden Ziel und dem Ist beträgt beim VfL folglich 16 Punkte von noch 33 zu vergebenden. Um auf der sicheren Seite zu sein, wünscht man sich natürlich mehr davon.
Sieht man sich die Liste der ausstehenden elf Spiele an, dann wird rasch klar, wie schwer die bevorstehenden Aufgaben sind. Es geht gegen die bisherigen Rückrunden-Tabellenführer Karlsruher SC und FC St. Pauli, gegen die Aufstiegsfavoriten Holstein Kiel, VfL Bochum, HSV und die unter den Top- Ten befindlichen Vereine Fortuna Düsseldorf, SC Paderborn, Erzgebirge Aue. Dazu kommen die Begegnungen gegen den 1. FC Nürnberg, Eintracht Braunschweig und das Nachholspiel gegen Jahn Regensburg.
A hard rain ´s a gonna fall…Selbst dann, wenn alle noch ausstehenden Spiele Unentschieden ausgingen, würde die Punktzahl vermutlich nicht ausreichen, um Relegation oder Abstieg zu entgehen. Es müssen Siege her.
VfL-Kader kann mithalten
Dass der Kader des VfL Osnabrück in der Lage ist, auch gegen die Liga-Favoriten zu punkten, hat er in der Hinrunde bewiesen (Unentschieden gegen Greuther Fürth, VfL Bochum, 1. FC Heidenheim, Siege gegen Hannover 96, FC St. Pauli, Holstein Kiel). Positiv für das Punktepolster der Hinrunde aber war auch die Ausbeute gegen Mannschaften im unteren Teil der Tabelle (Siege gegen Sandhausen, Jahn Regensburg, Eintracht Braunschweig, Unentschieden gegen Darmstadt 98).
Von den spielerisch starken Mannschaften wie VfL Bochum Holstein Kiel, Greuther Fürth, dem HSV und in den in der Rückserie auftrumpfenden Teams des KSC und des FC St. Pauli einmal abgesehen, gibt es keine weiteren Klubs in der 2. Bundesliga, die auf den ersten Blick in ihrer Kaderbesetzung den Spielern der Lila-Weißen überlegen wären.
Was nach Transferschluss auffiel war, dass sich die untenstehenden Vereine zum Teil erheblich durch Zukäufe und Ausleihen verstärkt hatten, während der VfL lediglich zwei neue Spieler (Sebastian Müller und Jay-Ray Grot, der bisher wegen einer Verletzung nicht einsetzbar ist) an die Bremer Brücke holte. Entsprechende Folgen zeigten sich alsbald auch in Ergebnissen und Tabellenstand. Die Konkurrenten im letzten Drittel der Tabelle zeichnen sich allesamt durch einen unkomplizierten und oft rustikal wirkenden Kampffußball aus, in dem es in der eigenen Hälfte zur Sache geht und vorne nicht lange gefackelt wird.
Robuster Stürmer wird vermisst
Beim VfL Osnabrück gewann man, während der Niederlagenserie den Eindruck, dass die Zweikämpfe oft verloren gingen, weil lila-weiße Spieler einen Schritt zu spät kamen. Die VfL-Abwehr ist anfällig, wenn die Gegner schnell über die Flügel spielen und die Außenverteidiger das Nachsehen haben. Das Umschaltspiel versickert durch Abspielfehler in der gegnerischen Defensive. Kommt man einmal in die Nähe des gegnerischen Strafraums, dann wird die Luft dünn für den VfL. Ein robuster Stoßstürmer, der mit Körpereinsatz für Gefahr am und im Sechzehner sorgen kann, wird schmerzlich vermisst.
In solchen Situationen wünscht man sich, dass die Lila-Weißen konsequenter in die Zweikämpfe gehen, häufiger über die Flügel kommen und mit steilen Pässen oder Dribblings offensiver agieren. Von den bisher erzielten Toren des VfL Osnabrück geht der Löwenanteil auf das Konto von Sebastian Kerk, und dabei resultieren die meisten aus Standardsituationen.
Der Schlüssel zum erfolgreichen Bestehen des Abstiegskampfes liegt für den VfL Osnabrück darin, dass mehr Spielsituationen kreiert werden, in denen es zu Torschüssen kommt. Spielerisches Potential, Ballfertigkeit und Kampfeswille sollten in den Reihen der Lila-Weißen hinreichend vorhanden sein. Es gilt jetzt, Konzepte umzusetzen, die mit den vorhandenen Spielern und deren Möglichkeiten auch zu zählbaren Erfolgen führen. Das kann nur gelingen, wenn die Leistungsträger der Hinrunde ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen und sich eine Stammformation findet, die dem Spiel der Lila-Weißen neuen, alten Glanz verleiht. Dabei kommt es auch darauf an, dass sich zwei, drei „Leader“ im Team herauskristallisieren, die den Taktstock in die Hand nehmen und dem Spiel des VfL ihren Stempel aufdrücken.
Bringt der neue Trainer Punkte?
Dem neuen Trainer des VfL fällt, wie könnte es anders sein, eine Schlüsselrolle in der jetzigen Situation und bei den ausstehenden Spielen zu. Dass Markus Feldhoff bislang fast nur als Assistenz- und Jugendtrainer tätig war, sollte nicht zu hoch gehängt werden. Für ihn ist das Engagement an der Bremer Brücke eine große Chance. Löst er die vor ihm stehenden, schweren Aufgaben, dann wird er sehr viel stärker als bisher die Aufmerksamkeit der fußballerischen Öffentlichkeit auf sich ziehen. Es gibt hinreichend Beispiele dafür, dass man kein hochdotierter Star unter den Fußballtrainern gewesen sein muss, um Wandel und manchmal ein kleines Wunder herbeizuführen. Dass ihm dabei Florian Fulland weiterhin zur Verfügung steht, ist sicher eine kluge Entscheidung. Die oft bemühte Fußball-Weisheit, dass „das nächste Spiel immer das schwerste ist“, wird sich in den nächsten Wochen bewahrheiten. Eine weitere Niederlage im nächsten Match muss mit allen Mitteln verhindert werden. Viel Glück, VfL!
Titelbild: Der VfL und der Kampf gegen den Abstieg. / Foto: Guss