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Der VfL Osnabrück bleibt unbesiegt … 1:1 gegen SV Darmstadt 98

In einem Spiel, das keinen Sieger verdient gehabt hätte, holte der VfL ein gerechtes und hart erkämpftes Unentschieden gegen einen starken Gegner aus Darmstadt.

Vor dem Spiel

Aufgrund der Terminenge gab es keine Pressekonferenz, doch zeigten sich Trainer und Spieler nach dem 1:1 in Heidenheim ausgesprochen zufrieden. Eingedenk der Tatsache, dass der VfL nach 14 Tagen Quarantäne und zusätzlicher Länderspielpause insgesamt 23 Tage kein Punktspiel  hatte, ist das sicherlich mehr als berechtigt.
Erstaunlich ist die enorme Leistungsdichte der Mannschaft. Jede Einwechslung in Heidenheim war ein Volltreffer und machte das Team noch stabiler als zuvor. Zudem stand mit Ludovit Reis ein neuer Spieler auf dem Platz, der zwar nur wenige Trainingseinheiten mit der Mannschaft absolvieren konnte, aber dennoch einen souveränen Auftritt hinlegte.
Als einer von nur drei Zweitligavereinen, die wie der HSV und Jahn Regensburg in dieser Saison noch ungeschlagen sind, hofft der VfL natürlich auf eine Fortsetzung dieser Serie. Allzu gerne denkt man dabei an das volle Stadion und den grandiosen 4:0-Erfolg vom letzten Jahr und an die Schlagzeile „Der beste VfL seit Jahren“ zurück, wenngleich diese Überschrift bereits widerlegt zu sein scheint, denn einen stabileren VfL als in den vergangen Spielen hat man schon lange nicht mehr gesehen.

Erste Halbzeitgedanken dieses Mal schon vor dem Spiel

Tristesse im Stadion: Ein paar einsame, verhalten bis laut schreiende Stimmen, die sich auf dem Rasen beim Warmlaufen irgendwelche Anweisungen oder Aufmunterungen zurufen, Flutlicht, das leider auch die verwaisten Ränge ausleuchtet, und merkwürdige Musik, die diffus aus den Lautsprechern hallt, vermitteln einem nicht unbedingt das anheimelnde Gefühl, als Beobachter an einem Heimspiel seines Lieblingsvereins teilzunehmen.
Dann eine der besten Neuerungen seit Beginn der Geisterspiele: Der VfL versorgt die Pressetribüne mit Snacks. Die Stimmung dreht sich schlagartig ins Gegenteil um. Hells Bells und die VfL-Hymne in einem leeren Stadion sind dennoch nur absurd und klingen, als wäre man auf einer Trauerfeier.

Beginn

Wie immer darf man auf die Aufstellung gespannt sein. Am überraschendsten ist sicherlich, dass Ludovit Reis nach seiner großartigen Leistung in seinem ersten VfL-Spiel am Sonntag in Reinheim nicht in der Startelf steht. Ebenso fehlen Multhaup, Kerk und Engel, für die Ajdini, Blacha, Schmidt und Henning auflaufen. Auch Darmstadt wechselt vier Spieler gegenüber der Partie gegen St. Pauli: Für Höhn, Skarke, Bader und Honsak stehen Berko, Pálsson, Hermann und Seydel in der Startelf. Im erster Linie dürften diese doch recht gravierenden Veränderungen bei beiden Teams der englischen Woche geschuldet sein.

Muntere Anfangsphase

Anstoß haben bei nasskaltem Wetter die ganz in Weiß gekleideten Darmstädter Lilien. Beide Mannschaften legen gleich munter los, wobei sich der VfL ein leichtes Übergewicht erarbeitet.
In der 8. Minute nimmt Reichel einen Eckball von Schmidt direkt an, der Schuss stellt jedoch für Torwart Schuhen kein Problem dar. Wenig später zieht Reichel eine Flanke aus halblinker Position vor den Strafraum, Henning nimmt den Ball stark mit, wird aber in letzter Sekunde von Holland abgegrätscht.
In der 15. Minute die erste echte Torchance für die 98er: Dursun flankt von rechts und Seydels Kopfballaufsetzer springt vom Rasen über die Latte. Kurz darauf spielt der überall auftauchende Henning einen Zuckerpass auf Amenyido, der aber die Übersicht verliert und von den Darmstädtern abseits gestellt wird.

Darmstadt wird stärker

Nach einer Ecke kommt Kempe erneut in Ballbesitz und flankt auf den linken Pfosten, wo Mehlem aus kurzer Entfernung vorbeiköpft. Im Gegenzug kommt Santos an der Strafraumkante zum Schuss, doch der Ball streicht knapp am rechten Pfosten vorbei.

Dann das 1:0 für Darmstadt: Ein Eckball der Lilien landet bei Pálsson, der nach einem kurzen Rumgestochere im Strafraum, bei dem Taffertshofer zu Boden geht, den Ball wuchtig ins linke Ecke setzt.

Victor Palsson (SV Darmstadt 98) schießt das Tor zum 0:1, Foto: imago images / Jan Huebner
Victor Palsson (SV Darmstadt 98) schießt das Tor zum 0:1, Foto: imago images / Jan Huebner

In der 42. Minute fast der Ausgleich. Amenyido setzt sich auf links mit viel Einsatz durch und spielt in den Rücken der Darmstädter Abwehr, der heranstürmende Henning zieht auf Strafraumhöhe ohne zu fackeln ab, doch der sowohl harte als auch platzierte Schuss geht nur knapp am linken Pfosten vorbei. Schade.

Halbzeitfazit:

Nach gutem Beginn verlor der VfL allmählich die Kontrolle über das von beiden Seiten nur einigermaßen ansehnlich geführte Spiel und so geht der Führungstreffer für die Gäste alles in allem in Ordnung. Man darf gespannt sein, was sich Trainer Marco Grote für die zweite Hälfte einfallen lassen wird.

Tipp: Die Halbzeitgedanken sind eine Melange aus Hintergrundinformationen und Kommentaren, die von Spiel zu Spiel mit dem jeweiligen Gegner aktualisiert werden. Wem das Lesen der Halbzeitgedanken zu mühselig oder gar zu informativ ist: Ganz einfach weiter nach unten scrollen, dort geht es dann mit dem aktuellen Spielbericht weiter.

Halbzeitgedanken:
Den SV Darmstadt 98 kennt jeder Fußballfan und die meisten wissen schon wegen der vierspurigen Autobahn, dass Darmstadt nur 30 Kilometer südlich von Frankfurt liegt.
Der Verein ist also ein Jahr älter als der VfL, hat etwa 8.000 Mitglieder und spielte über die Jahrzehnte hinweg immerhin viermal in der ersten Bundesliga, war aber auch zwischen 1998 und 2011 gleich sechsmal viertklassig und stand dabei zweimal kurz vor dem Absturz in die Fünftklassigkeit.
Unvergessen sind die Bilder nach dem sensationellen Bundesliga-Aufstieg am 24. Mai 2015, der einem kurzfristig den Glauben an einen Fußball jenseits der Interessen von Milliardären und korrupten Verbänden zurückbringen konnte. Schon ein Jahr zuvor hatten sich die Darmstädter am 19.05.2014 das wohl packendste Relegationsspiel aller Zeiten mit Arminia Bielefeld geliefert. Leider gibt es dazu keine Spielszenen im Netz, aber diese schöne Radioreportage der Schlussminuten von Tim Brockmeier.
Das Stadion am Böllenfalltor erlangte über die Jahrzehnte hinweg nicht zuletzt wegen seiner Baufälligkeit einen ähnlich legendären Ruf wie die Bremer Brücke und verfügt heute über 17.468 Plätze.
Unvergessen auch in diesem Zusammenhang die Geschichte und die Bilder um den krebskranken “Johnny” Heimes, nach dem das Stadion am Böllenfalltor zu seinem Gedenken zur Saison 2016/17 in Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor umbenannt worden war. Hierzu verzichtete die Merck KGaA für ein Jahr auf ihr laufendes Namensrecht.

Weitere Halbzeitgedanken
Und sonst so? Darmstadt hat 160.00 Einwohner (100-mal mehr als 1620), eine schöne Kleinkunstbühne namens halbNeun-Theater und ist die Großstadt mit dem höchsten Schuldenstand in Deutschland.
Darmstadt nennt sich selbst “Wissenschaftsstadt”, was bei 50.000 Studierenden nicht ganz abwegig ist – bei all dem geballten Wissen gehören fast 60% keiner Religionsgemeinschaft an, denn nur wer nichts weiß, muss alles glauben.
Oberbürgermeister ist seit 2011 Jochen Partsch von den Grünen. Bei der letzten Stadtverordnetenversammlung 2016 haben 90,8% demokratische Parteien gewählt, obwohl doch damals der Untergang des Abendlandes kurz bevorstand.

Halbzeitgedanken an Wolfgang Kaniber
Trotz der fast gleich hohen Einwohnerzahl und einiger anderer Ähnlichkeiten gibt es zu Osnabrück einige gravierende Unterschiede: Man spricht dort Hessisch und hessisch kommt nun mal von “hässlisch” und Darmstadt liegt nur 15 Kilometer südöstlich von der Kreisstadt Groß-Gerau entfernt, im Volksmund auch “Le Grand Gero” genannt, dem Ursprung alles “Hässlischen”.
Zwischen Groß-Gerau und Darmstadt aber liegt immerhin Büttelborn und dort wohnt der heute achtzigjährige Wolfgang Kaniber, der in der legendären Saison 1968/69 31 Tore für den VfL schoss.
Ich habe vor zwanzig Jahren ein Jahr lang in Groß-Gerau gewohnt, weil meine damalige Frau als Stewardess anfing und wir von der Lufthansa in den Großraum Frankfurt zwangsumgesiedelt wurden. Seither weiß ich: Egal, wo man ist, egal, wie schlecht man sich fühlt, überall ist es schöner als in Groß-Gerau … selbst in Büttelborn und ganz bestimmt in Darmstadt.

Der VfL wechselt zur zweiten Hälfte

Ludovit Reis und Luc Ihorst kommen für Blacha und Henning ins Spiel. Da Henning bislang einer der besten VfLer war, dürfte seine Auswechslung der gelben Karte geschuldet sein. Bei Dauerregen erinnert der Beginn der zweiten Hälfte an die Anfangsphase des Spiels. Der VfL scheint nun etwas besser sortiert zu sein, entwickelt aber bislang kaum Torgefahr, zwar will er den Ausgleich, erarbeitet sich aber kaum Chancen …
In der 63. Minute verliert Reichel den Ball, Berko kommt frei zum Schuss, doch Kühn hält dem VfL mit einer Glanzparade im Spiel. Der VfL wirkt in diese Phase etwas hilflos, was sich ab der 70. Minute aber ändert …

Bryan Henning im Ballbesitz gegen den SV Darmstadt 98, Foto: imago images / Revierfoto
Bryan Henning im Ballbesitz gegen den SV Darmstadt 98, Foto: imago images / Revierfoto

Der VfL will den Ausgleich …

… in der 71. Minute eine schöne Aktion von Kerk, dessen scharfe Hereingabe auf Santos von Schuhen im letzten Moment abgefangen werden kann, Sekunden später spielt Santos Taffertshofer an, der einfach mal abzieht, aber Schuhen direkt in die Arme schießt.
Und dann in der 78. Minute das 1:1 – eine Superhereingabe von Kerk und Ihorst befördert den Ball mit dem Oberkörper über die Linie.
Drei Minuten später knallt ein Kopfball von Holland auf die Latte. Beide Teams gehen nun volles Risiko.
Nach einem Abwehrfehler von Rapp stürmt Santos auf das Darmstädter Tor zu, zieht ab, wird aber beim Abschluss im aller letzten Moment gestört. Er verletzt sich bei der Aktion am Oberschenkel und muss gegen Heider ausgewechselt werden. Es sollte beim 1:1 bleiben.

Fazit:

Der VfL erreicht in einem hart umkämpften Spiel letztendlich ein verdientes Unentschieden. Verdient vor allem wegen einer Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte.
Am Samstag kann der VfL nun gegen Sandhausen an der Brücke beweisen, dass er nicht nur unentschieden spielen kann.

Zahlen, Daten & Fakten

Zuschauer: nur ein paar Offizielle

Tore:
0:1 (30.) Pálsson
1:1 (78.) Ihorst

Gelbe Karten:
(26.) Pálsson
(44.) Henning
(54.) Amenyido
(57.) Mehlem

VfL Osnabrück:
Kühn – Ajdini, Beermann, Trapp, Reichel – Taffertshofer, Blacha (46. Reis)– Henning (46. Ihorst), Schmidt (83. Köhler), Amenyido (57. Kerk) – Santos (90. Heider)
Trainer:
Marco Grote

SV Darmstadt 98:
Schuhen – Hermann, Mai, Rapp, Holland – Pálsson –  Kempe, Mehlem (75. Holland), Berko (83. Skarke)– Dursun, Seydel (75. Honsak)
Trainer: Markus Anfang

Schiedsrichter: Markus Schmidt (47), Stuttgart

Statistik:
Die beiden Clubs trafen seit dem 27.05.1973 (Bundesliga-Aufstiegsrunde) nun insgesamt 30-mal aufeinander.
Dabei gab es elf Siege für den VfL und neun für den SV Darmstadt 98, zehn Spiele endeten unentschieden.
Hier geht es wie immer zur kompletten Statistik von “fussballdaten.de“.

Tabellarisches

Vor diesem Spiel stand der SV Darmstadt 98 mit einer Durchschnittsnote von 3,33 auf Platz sieben der Kickerformtabelle, der VfL mit der Note 3,09 auf dem dritten Platz.
Tatsächlich trat der VfL als Tabellenzehnter gegen den Zwölftpatzierten an, eine recht ordentliche Platzierung bei einem Spiel Rückstand gegenüber allen anderen Teams.

Die aktuelle Tabelle:

Der VfL Osnabrück bleibt unbesiegt ... 1:1 gegen SV Darmstadt 98

Titelfoto: Luc Ihorst jubelt nach seinem Tor zum 1:1 mit Ken Reichel und Ulrich Taffertshofer, Foto: imago images / Nordphoto


Der VfL Osnabrück bleibt unbesiegt ... 1:1 gegen SV Darmstadt 98Kalla Wefels Saisonrückblick 2019/20 erschien im aufwändigen A-4-Format und ist unter anderem bei Bücher Wenner erhältlich. Dietrich Schulze-Marmelingschreibt in seinem Vorwort: “Herausgekommen ist ein großartiges Saisonbuch. Eigentlich ist es weit mehr als das …” Um die Spielberichte herum ranken sich Reportagen, “Halbzeitgedanken”, Hintergrundberichte, Fankommentare und Kolumnen.
160 Seiten A-4-Format / 12,00 €
Kalla saß mit zwei Jahren zum ersten Mal auf der Trainerbank des VfL, und zwar auf dem Schoß seines Vaters „Doc“ Wefel, der 34 Jahre lang Mannschaftsarzt und Vorstandsmitglied war.
Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Jupp Heynkes, Gerd Müller, Paul Breitner, Lothar Matthäus, Diego Maradona und Kalla Wefel hatten denselben Fußballtrainer, nämlich Udo Lattek, der einst bei Familie Wefel ein und aus ging. Diese und viele weitere skurrile, heitere und ernste Geschichten und Anekdoten um den VfL lassen sich in seinen Büchern „Mein VAU-EFF-ELL!“ und „111 Gründe, den VfL Osnabrück zu lieben“ nachlesen. Die von ihm 2010 mit viel Aufwand produzierte CD „Wir sind der VfL“ wurde 5.000 mal verkauft und der komplette Erlös (etwa 30.000 €) ging an terre des hommes. Seine VfL-Heimatabende sind legendär. Mit „Kär, Kär, Kär!“ schrieb er das nach der Bibel und „Mein Kampf“ meistverkaufte Buch Osnabrücks. Mit “Der VfL in der Saison 2019/20” hat er ein neues Format entwickelt, das von nun an jährlich erscheinen soll. Seit über vierzig Jahren arbeitet er professionell als Journalist und Buchautor sowie als Kabarettist und Musiker.


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