Der Spiegel Verlagshaus / Foto: IMAGO / Jürgen Ritter
Droht den Stadtwerken Osnabrück die Pleite? Unsere Redaktion berichtete am Wochenende exklusiv über einen Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel und brachte auch als erstes Lokalmedium die Reaktion der Stadtwerke, die einige interessante Einblicke zur Recherchepraxis des Spiegel ermöglichte.
Der Spiegel hat der HASEPOST inzwischen auf unsere Nachfrage geantwortet, wie diese Aussage „Weil sie zuviel zockten, droht den Stadtwerken Osnabrück die Pleite“ begründet wird.
Geantwortet haben allerdings nicht die drei für den Artikel verantwortlichen Redakteure Simon Book, Claus Hecking und Benedikt Müller-Arnold. Unter ihrem Namen erschien der Artikel vergangenen Samstag (15. Oktober) in der Printausgabe und kurz darauf – in einer bereits redigierten Fassung – auch kostenpflichtig online.
Geantwortet hat auch nicht der Ressortleiter oder ein sonst wie mit dem „Blattmachen“ oder dem Fact-Checking beschäftigter Journalist, sondern Anja zum Hingst, die Leiterin der Unternehmenskommunikation und immerhin Mitglied der Geschäftsführung des Spiegel-Verlags.
Umfassende „Meinungsbildung“ der Redakteure?
Die Unternehmenssprecherin schreibt: „Unsere Bewertung ist das Ergebnis einer umfassenden Recherche und Meinungsbildung. Viele Argumente sind im Text genannt. Wir sehen keinen Anlass, von unserer Einschätzung abzurücken.“
Stadtwerke: „zum Teil rufschädigende Behauptungen“
Nach Veröffentlichung des Artikels, in dem es heißt, den Stadtwerken Osnabrück drohe die Pleite, hatten sich die Stadtwerke selbst an die Öffentlichkeit gewandt und unter anderem unserer Redaktion den kompletten Fragenkatalog der Spiegel-Redakteure und die mehrseitige Antwort der Stadtwerke zur Verfügung gestellt.
Vonseiten des städtischen Unternehmens heißt es, dass in dem Artikel „unwahre und zum Teil rufschädigenden Behauptungen“ aufgestellt werden.
Kommentar des Redakteurs
Für „Meinung“ gibt es eigene journalistische Darstellungsformen, das lernt jeder Redaktionspraktikant in seiner ersten Arbeitswoche.
Im Volontariat und im Studium der Medienwissenschaften oder der Journalistik ist das schlicht Grundwissen, nein eigentlich sogar ein Grundgesetz.
Für Meinung, die selbstverständlich auch ins Medium gehört, gibt es den Leitartikel, die Kolumne, die Kritik, die Glosse und vor allem den Kommentar – immer sauber gekennzeichnet, genau wie dieser kurze Kommentar hier.
Erstaunlich, dass der Spiegel über seine Unternehmenssprecherin nun einräumt, dass der schwerwiegende Vorwurf einer drohenden Pleite der Stadtwerke eben nicht auf einer sauberen Analyse von Fakten, sondern zumindest in Teilen auch auf einer irgendwie gebildeten „Meinung“ basiert.
Ganz im Gegenteil: In der vorliegenden ultraknappen Antwort des Spiegel ist von „Fakten“ auch gar nicht die Rede, sondern lediglich von „Argumenten“, als ob es hier um einen Diskutierwettbewerb ginge – ein kleiner aber feiner Unterschied.