Rene Lukas Krüger provoziert gerne mit seiner Kunst. / Foto: Schulte
Erst vor wenigen Tagen führte der Osnabrücker Künstler Rene Lukas Krüger eine Frau mit Haken im Rücken an einer Kette durch die Osnabrücker Innenstadt. Doch was steckt eigentlich hinter dieser Art von Kunst?
Provokante und brisante Kunstinstallationen – das ist sein Metier. Er hat sich selbst an seiner Haut aufhängen lassen, einer Dame im Hyde Park den Mund zugenäht oder sich vor einer Kirche in Hagen am Teutoburger Wald selbst ausgepeitscht. Muss man verrückt sein, um so etwas zu machen? „Ein bisschen vielleicht“, sagt der 23-Jährige lachend. Doch dass dahinter eine jahrelange Faszination, Arbeit und ganz viel Vertrauen stecke, werde oft vergessen.
„Mit 15 Jahren habe ich das erste Mal Body Suspension im Zirkus gesehen“, so der gebürtige Hagener. Darunter versteht man das Aufhängen des Körpers mittels Haken, die durch die Haut gestochen werden. Zwei Jahre später hing der Osnabrücker Künstler dann selbst das erste Mal an Haken. Doch er weiß: „Einfach machen funktioniert da nicht.“ Er habe zuvor rund ein Jahr von einem Zirkuspärchen gelernt.
Spirituell und intim
Und warum „tut man sich das an“? „Es ist ein berauschender Zustand“, so Krüger. „Dabei schaltet man komplett ab, hört nur auf seinen eigenen Körper und lernt diesen und seine Grenzen enorm kennen.“ Bis zu sechs Stunden sei man danach noch „high“ – vom Adrenalin und Serotonin. 58 Minuten ist der persönliche Rekord des jungen Künstlers. „Es ist nichts Brutales, sondern eher etwas Spirituelles und Intimes“, erzählt er. Privat habe er das vor allem zum Abschalten gemacht, obwohl er „keinen vergleichbaren Schmerz“ kenne. Selbst hing Krüger zuletzt vor zwei Jahren, kleine Narben zieren heute seinen Rücken und ab und an könne er ihn auch noch mal spüren.
Mittlerweile hat der Osnabrücker fast schon die Seite gewechselt und hilft anderen dabei, zu suspenden. „Man hat da eine ganz besondere Verbindung und benötigt ganz viel Vertrauen“, so Krüger. Eigentlich stamme dieses Ritual von den Indianern, die vor etlichen Jahren damit ihre Männlichkeit unter Beweis stellten. Doch in der deutschen Kultur habe es noch nicht so viel Anklang gefunden. Neben staunenden, überraschten und bewundernden Kommentaren, erhalte Krüger auch ab und an Kritik. Osnabrück ist eben nicht Berlin, das musste er schnell lernen.
Kunst muss nicht jedem gefallen
In Sachen Kinderschutz wie bei seiner letzten Aktion in der Osnabrücker Innenstadt sei konstruktive Kritik für den Performance-Künstler absolut berechtigt, denn Body Modification sei auch erst ab 18 Jahren. „In einer vollen Stadt lässt es sich nicht vermeiden, dass auch Kinder unsere Kunst sehen“, so Krüger. „Wir haben natürlich versucht, das Model entsprechend abzuschirmen.“ Dennoch ist er der Auffassung, dass man es Kindern vernünftig erklären könne, andernfalls auch sagen könne, dass die Situation nicht echt sei. In Oslo gebe es laut Krüger sogar zwei Mal im Monat einen Supension Sunday, bei dem auch Kinder den Erwachsenen beim Aufhängen zuschauen würden, das sei dort völlig normal.
Dinge wie „Exhibitionist“ gehen für Krüger allerdings unter die Gürtellinie. „Kunst ist etwas ganz Individuelles, es muss und soll nicht jedem gefallen“, so der 23-Jährige. „Provokation ist mein Stilmittel.“ Er wünscht sich, dass die Menschen mit ihm über seine Kunst ins Gespräch kommen und er weiß: „Auch diese Kunst hat ihre Interessenten – auch wenn das nicht jeder wahrhaben möchte.“ In Osnabrücker gibt es laut Krüger insgesamt nur drei Künstler dieser Art, vor allem in Berlin oder auch im Ruhrpott sei die Szene groß.
Und wer noch nicht genug von dem Osnabrücker Extremkünstler hat: Am 1. September startet er mit DJ Seet den Podcast „Unschuldig“ – überall da zu hören, wo es Podcasts gibt. Noch mehr Einblicke in seine Welt gibt es auf Instagram.