Foto: Bundeswehrsoldaten fahren Bahn, über dts Nachrichtenagentur
Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Nach der Aussage von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dass die Aussetzung der Wehrpflicht ein Fehler war, fordert die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine ehrliche Debatte. Das Aussetzen der Wehrpflicht gelte ausschließlich in Friedenszeiten, heute gebe es durch Russlands Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen sicherheitspolitischen Herausforderungen eine neue Lage, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“.
„Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden“. Es gehöre aber zur Ehrlichkeit dazu, den Menschen in Deutschland zu erklären, „was das konkret bedeuten würde, würde man die Wehrpflicht wieder aktivieren“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Es gebe zu wenig Kasernen für die Unterbringung. „Angesichts der Abgabe vieler Bundeswehrstandorte an Kommunen, die den Raum für Wohnungsbau genutzt haben, ist das heute schon eine riesige Herausforderung.“ Bisher gilt nach Artikel 12a des Grundgesetzes, dass bei einer Wiedereinsetzung jeder männliche deutsche Staatsbürger „vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden“ kann. Aber die FDP-Politikerin ist sich sicher, dass das heute auch für Frauen gelten müsse. Frauen vom Dienst zu befreien, würde vor keinem Gericht Stand halten, sagte sie. Zudem fehle das militärische Equipment und könnte kurzfristig auch nicht beschafft werden, „um circa 2,4 Millionen junge Wehrpflichtige im Alter von 18 bis 20 Jahren mehr oder weniger zeitgleich entsprechend ausbilden zu können“. Das Ganze würde nicht nur sehr viel Zeit kosten, „sondern auch zweistellige Milliarden-Beträge“. Von Pistorius forderte sie, „konkret Ross und Reiter zu nennen“. Die Debatte müsse in Gesellschaft und Bundestag geführt werden, es gebe kein einfaches Ja oder Nein. Pistorius hatte der SZ gesagt: „Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.“ Diese war 2011 von der damaligen schwarz-gelben Koalition auch aus Kostengründen und wegen der Friedensphase in Europa ausgesetzt worden. Er halte es für sinnvoll, dass man einmal in seinem Leben auf Zeit eine Pflicht für den Staat erfülle, habe aber zugleich ein Problem damit, jüngeren Generationen jetzt eine Pflicht aufzubürden. Aber man solle – unabhängig von der neuen Bedrohungslage durch Russland – darüber offen diskutieren, „da wir gerade eine Entfremdung zwischen Teilen der Gesellschaft und dem Staat wahrnehmen“. Der Militärexperte Carlo Masala sagte, eine Wiedereinführung sei unrealistisch, es brauche vor allem hoch spezialisierte Berufssoldaten.
Wenn man das machen wollte, „würde das irrsinnig viel Geld kosten“. Und zudem müsse man dann über eine Wehrpflicht von zwölf bis 18 Monaten reden, „weil in vielen Einheiten ist das militärische Gerät so komplex, dass sie das in einer so kurzen Zeit von acht, neun oder zehn Monaten überhaupt nicht hinbekommen“, sagte Masala der SZ. Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) sagte derselben Zeitung, der aktuell geltende freiwillige Wehrdienst reiche nicht aus, um den benötigten Nachwuchs für die Bundeswehr zu generieren. Dass Pistorius nun diese Debatte aufgreife, begrüße sie. „Zwischen Freiwilligkeit und Verpflichtung kann es viele Optionen geben“, sagte Högl, räumte aber auch ein: „Momentan sehe ich keine politische Mehrheit für einen verpflichtenden Dienst.“