Anders als sonst bei HASEPOST üblich, berichten wir nach dieser turbulenten Ratssitzung (20.05.) über die einzelnen Debatten separat.
Bereits erschienen:
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Aus für das Bürgerticket (Bus-Flatrate)
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VfL vorerst gerettet
Thema „Neumarkt-Sperrung“:
Es ging hoch her im Stadtrat, als über die weitere Sperrung des Neumarkts für den Individualverkehr diskutiert wurde.
Zur Debatte standen:
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eine sofortige Entscheidung für die weitere Sperrung, über die Abrißarbeiten des Neumarkttunnels hinaus
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eine Verschiebung der Entscheidung, bis tatsächlich geklärt ist, wann mit den Folgebauarbeiten für das Shoppingcenter tatsächlich begonnen wird
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eine Bürgerbefragung über die langfristige Befahrung des Neumarkts durch den Individualverkehr
Wir haben die wichtigsten Redebeiträge und Positionen der Debatte, die deutlich über eine Stunde ging, hier zusammengefasst:
Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Heiko Panzer, machte zu Beginn der Debatte deutlich, dass es in dieser Ratssitzung nicht um die endgültige Sperrung des Neumarkts für den Individualverkehr ginge.
Der Neumarkt, bislang eine städtische Autobahn?
Den Status Quo des Neumarkts, vor der Sperrung, verglich der SPD-Lokalpolitiker mit einer innerstädtischen Autobahn.
Heute soll über die Baustellenphase abgestimmt werden, „nicht über die Zukunft des Neumarkts“, so Heiko Panzer. Während dieser Bauphase solle die Verwaltung nun Fakten sammeln.
Alternative: Verschiebung der Abstimmung
Die CDU beantragte in dieser Ratssitzung nicht über den Neumarkt abzustimmen, da erst der Neumarkt-Beirat gehört werden solle, der einen „Anspruch darauf hat gehört zu werden“, so Fritz Brickwedde.
Wird das Shoppingcenter überhaupt gebaut?
Der CDU-Fraktionschef erinnerte daran, dass überhaupt keine verbindliche Aussage der mfi (Eigentümerin des Kachel- und Wöhrlhauses) darüber gebe wann und ob überhaupt irgendwann die Bauarbeiten am Neumarkt beginnen würden.
Auch HASEPOST berichtete bereits über die Unsicherheiten der Bauplanung für das Shoppingcenter.
CDU-Vorschlag: Bürgerbefragung
Angesichts von Aussagen des Stadtbaurats Frank Otte, der laut Brickwedde innerhalb 10 Jahren die Innenstadt autofrei haben wolle, sollten die Bürger befragt werden, so wie es bei der Entlastungsstraße West auch von SPD und Grünen befördert wurde.
Grüne wollen „Chaos“ vermeiden
Jens Meier, der für die Grünen in dieser Ratssitzung hochfrequent Wortbeiträge beisteuerte, machte den schnellen Abschluss der Bauarbeiten am Neumarkttunnel dafür verantwortlich, dass der Neumarkt-Beirat nicht gehört werden konnte.
Es könne aber „kein abwechselndes Auf und Zu“ am Neumarkt geben, man müsse dort ein Chaos vermeiden. Und, so seine Beobachtung, hätte es während der Neumarkt-Sperrung keine gravierenden Probleme im Busverkehr gegeben.
Hervorragende Geschäfte trotz Neumarkt-Sperrung?
Schließlich, so Jens Meier, seien das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel, der Weihnachtsmarkt und die Maiwoche in den vergangenen Monaten „hervorragend“ verlaufen.
Es gäbe zwar Probleme in den Morgen- und Abendstunden, aber ein von vielen befürchteter Zusammenbruch des Verkehrs sei nicht erfolgt.
In New York funktioniert es doch auch…
Mit Verweis auf neu gebildete Einkaufsszonen in Manhattan (NYC/USA) und San Francisco (CA/USA), die auch hervorragend funktionieren würden, zog der Grüne Verkehrspolitiker vor allem von Seiten der CDU erhebliches Gelächter auf sich.
FDP will sich Optionen für den Neumarkt offen halten
Thomas Thiele (FDP) betonte, man müsse vor allem die Ampel- und Verkehrssteuerung in den Griff bekommen. Und genau dass sei gelungen und deswegen hätte es kein Verkehrschaos gegeben. Mit Hinweis auf Pläne von Rot/Grün zukünftig auch die Martinistraße auf zwei Fahrspuren zu reduzieren, will die FDP die „Option“ einer zukünftig weiter möglichen Querung des Neumarkts offen halten.
Bertels (CDU): „autofreie Innenstadt ist eine Utopie“
Christoph Bertels (CDU) bestritt die von Befürwortern der Neumarkt-Sperrung wahrgenommene Nicht-Beeinträchtigung des ÖPNV durch die Neumarkt-Sperrung.
Die autofreie Innenstadt bezeichnete er zum jetzigen Zeitpunkt als „Utopie“.
Grüne nicht für autofreie Innenstadt und Umbau der Martinistraße?
Große Aufregung löste Volker Bajus aus, als er abstritt, seine Fraktion (Bündnis 90 Grüne) würde für eine autofreie Innenstadt oder einen Umbau der Martinistraße kämpfen. Dies sei reine Angstmache der CDU und würde in keinem Wahlprogramm der Grünen stehen.
Einzelhandel durch das Internet bedroht
Wie zuvor Fritz Brickwedde betonte auch Anette Meyer zu Strohen (CDU), dass noch nicht einmal eine Bauvoranfrage für das Shoppingcenter gestellt worden sei. Man wisse gar nicht, ob und wann dort überhaupt die Bauarbeiten beginnen würden.
Die CDU-Politikerin verwies auch auf die Probleme des Einzelhandels, „alles was man in der Osnabrücker Innenstadt kaufen könne gibt es auch im Internet“, so Meyer zu Strohen.
Gegner der Sperrung haben keine Vorstellungskraft
Michael Hagedorn (Grüne) warf der CDU vor einfach nur wegen mangelnder Vorstellungskraft darauf „herumzureiten“ sich gegen eine Sperrung des Neumarkts zu stellen.
Frank Henning (SPD) ist dem Investor mfi dankbar
„Eine typische Osnabrücker Diskussion“, nannte SPD-Chef Frank Hennning die Diskussion um eine Baustellen-Absperrung.
Henning betonte wie „dankbar“ man dem Investor sein könne, dass er am Neumarkt 150 Millionen investieren würde. Frank Henning steht nach eigenen Angaben im ständigen Austausch mit der mfi, und es sei ein „Horrorszenario“ die mfi würde nicht mit dem Abriss des Wöhrl –Gebäudes beginnen.
Er hätte zwar nichts Schriftliches, aber die mfi hätte ihm zugesagt nach der Sommerpause mit den Bauarbeiten beginnen zu wollen.
Rechenschwäche bei SPD-Fraktionschef
Nicht zum ersten Mal stellte Frank Henning die Behauptung auf „70% des Rates seien für die Neumarktsperrung, daher brauche man keine Bürgerbefragung.“
Faktencheck:
Die CDU hat 18 von 50 Sitzen im Stadtrat. Der Oberbürgermeister (einst Pistorius, jetzt Griesert) gehört zwar einer Partei an, nicht aber einer Fraktion.
Angenommen wirklich alle Nicht-CDU-Mitglieder des Stadtrats wären für eine Fortdauer der Sperrung des Neumarkts, kommt man dennoch nur auf 64% Zustimmungsrate.
Methoden der Verkehrszählung in der Kritik
Claudia Schiller (CDU) dankte in ihrem Redebeitrag Michael Hagedorn, der für die Grünen endlich mal so ehrlich gewesen sei, eine fortdauernde Sperrung des Neumarkts als Ziel seiner Partei zu bezeichnen.
Die CDU-Stadträtin kritisierte deutlich die Methoden der Verkehrszählung vom September 2014.
Es kommt darauf an wer, wann, was, wo und wie zählt!
„Selbstverständlich“, so Schiller, „zählt man seit der Neumarktsperrung am Berliner Platz weniger Verkehr. Ganz einfach: weil nicht mehr geradeaus gefahren wird!“
Der Verkehr sucht sich neue Wege, und die führen aus Richtung Schinkel über die Karlstraße und die Liebigstraße, wo nicht gezählt wurde.
Weiter erklärte die Stadträtin aus dem Schinkel „Osnabrück ist zwei Klassen aufgestiegen“, aber nur in den Regionalklassen der KfZ-Versicherung, nicht beim Fußball.
Und auch Handwerker und Pflegedienste zählen nach ihren Worten zu den Verlierern der Neumarkt-Sperrung, weil sie nur noch mit Verspätung zu ihren Kunden kommen.
Nur ein „einzelnes Haus“ hat vielleicht Umsatzeinbußen?
Wulf-Siegmar Mierke warf der CDU vor mit der „Schlechtrederei“ der Stadt zu schaden – „einzig ein einzelnes Haus“ hätte vielleicht Einbußen im Umsatz gemacht und würde um seine Pfründe fürchten.
Man hätte nichts gewonnen, so Mierke, wenn man dem Antrag der CDU jetzt folgen würde.
Haben die Befürworter der Sperrung Angst vor den Bürgern?
Burkhard Jasper betont seine Partei, die CDU, stehe für Transparenz und sei daher für eine Bürgerbefragung. Die Befürworter der Neumarkt-Sperrung hätten nur Angst vor dem Ergebnis, wenn die Bürger befragt würden.
Er erinnerte aber auch daran, dass es einen Kompromiss mit der CDU gab, den Neumarkt nicht mehr vierspurig, aber weiter durchlässig zu halten.
Mit einem Appell zur Ehrlichkeit beendete Jasper seine Rede:
Sagen Sie der Bevölkerung sie wollen den Neumarkt nie wieder öffnen!
Auch Jaspers Fraktionskollegin Katharina Pötter bezweifelte die Ergebnisse der Verkehrszählung:
„Der Stau ist erheblich mehr geworden“ – die Verkehrszählung sei methodisch zumindest fragwürdig, so Pötter.
Auch Sie plädierte nochmals für den kurzfristig von der CDU eingebrachten Antrag zur Befragung der Bürger.
Gegen Ende der Debatte meldete sich schließlich Oberbürgermeister Wolfgang Griesert zu Wort
„Es ist die Rede von Visionen gewesen, so der Bürgermeister, aber:
man muss nicht nur wissen was man will, sondern was man tut
Der Verwaltungschef mahnte an, dass zum Beispiel Taxifahrer und Anlieger „keine Versuchskaninchen“ sind!
Erst im Juni sind alle Fakten auf dem Tisch
Zum weiteren Vorgehen in der Baustellenplanung erklärte Griesert: „Es ist noch nichts zur Baustellenlogistikk bekannt. Erst in der nächsten Woche wird es ein Gespräch geben um solche Fragen zu klären“.
Und weiter „Erst im Juni sind alle Fakten auf dem Tisch. Lassen Sie uns nicht alle zu Versuchskaninchen machen“.
Es war dem Oberbürgermeister anzumerken, dass er eine Lösung suchte, die erst dann zu einer Sperrung führt, wenn alle Fakten bekannt sind.
Auch Griesert erinnerte daran, dass der Stadtrat ursprünglich „gemeinsam eine zweispurige Befahrung des Neumarkts beschlossen“ hatte. Und nochmal erinnerte er daran, dass die für den Bau verantwortlichen Parteien sich erst in der Folgewoche treffen werden: „Warten Sie das Gespräch in der nächsten Woche ab“.
Gegen die Stimmen der Unionsfraktion wurde sowohl der Antrag auf eine Bürgerbefragung als auch die Option der Verschiebung der Entscheidung auf die nächste Ratssitzung, abgelehnt.
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