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Das Ende für Marktkauf in Nahne –
oder pokert der Vermieter „nur“?

Eine ungewöhnliche Kulisse bot sich heute Abend den Kunden des Marktkauf Verbrauchermarktes in Osnabrück Nahne.

Statt verschlüsselter Botschaften und Werbedurchsagen wie „Frau Müller bitte 100“ oder „Persil, heute im Angebot“ konnten die Kunden in der Elektroabteilung Ohrenzeugen werden, wie in der Etage darüber in einer Betriebsversammlung bittere Nachrichten an die Belegschaft verkündet wurden.

Das war natürlich vom Management nicht so geplant, denn grundsätzlich sind Betriebsversammlungen nicht öffentlich. Die Architektur des etwas unglücklich gewählten Versammlungsortes sorgte für diesen unangenehmen Effekt.

Schmuddelecke am Marktkauf Osnabrück Nahne
Renovierungsstau und Schmuddelecken am Marktkauf in Osnabrück Nahne.

Den Verkauf erledigen bei Marktkauf oft Leiharbeiter – auch während der Betriebsversammlung

Der Verkauf ging auch während der Betriebsversammlung weiter – obwohl die gesamte Belegschaft eingeladen und zu weiten Teilen anwesend gewesen sein soll.
Die Marktleitung hatte kurzerhand für die Dauer der Betriebsversammlung externe Leiharbeiter ins Haus geholt, die den Betrieb während der Betriebsversammlung aufrecht hielten.
Das allerdings ist nicht unüblich beim Marktkauf in Nahne. Wie uns ein Mitglied des Betriebsrates erläuterte, wird täglich um 20 Uhr die eigene Belegschaft gegen Leiharbeiter ausgetauscht.
Diese „Abend-Besetzung“ führt dann auf Basis von Werkverträgen den Betrieb für zwei Stunden weiter, bis zum Ladenschluss um 22 Uhr.

Der allabendliche Austausch der Mitarbeiter ist die Folge eines schon etwas älteren Konflikts zwischen Gewerkschaft und Marktleitung, als die Mitarbeitervertretung die neuen Ladenöffnungszeiten nicht ohne Aufschlag hinnehmen wollte.

Heute aber ging es nicht um ein paar zusätzliche Euro, als Kompensation für einen verlorenen Feierabend, sondern um den Erhalt der Arbeitsplätze am Standort in Nahne!

Und da spielte auch Geld wieder eine Rolle – richtig viel Geld: 1,4 Millionen Euro soll der Marktkauf in Nahne im vergangenen Jahr an Verlusten eingefahren haben.

Die Kündigung des Mietvertrages sollte laut EDEKA „nur ein formaler Akt“ sein

Bereits seit vergangenem Sommer ist bekannt, dass der Marktkauf-Eigentümer, die EDEKA-Zentrale in Minden, selbst den Mietvertrag zum 31. Dezember 2015 gekündigt hat.
Was im Sommer noch als ein „formaler Akt“ bezeichnet wurde, um Fristen einzuhalten und um in konkrete Verhandlungen gehen zu können, scheint inzwischen zur traurigen Gewissheit zu werden. Womöglich ist Ende des Jahres wirklich Schluss!

Unternehmenssprecherin Alexandra Antonatus erklärte gegenüber der HASEPOST: „die Neuverhandlungen über den auslaufenden Mietvertrag zwischen der EDEKA-Regionalgesellschaft Minden-Hannover und dem Vermieter führten bisher nicht zur Einigung. “
„Wir hoffen aber darauf, dass wir mit unserem Vermieter noch eine Einigung erzielen können“, so Norbert Küster aus dem Marktkauf-Geschäftsbereich. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nach wie vor engagiert bei ihrer Tätigkeit und werden weiterhin alles dafür tun, die Kundenwünsche zu erfüllen.“

Vorbereitungen zur Geschäftsaufgabe nur „vorsorglich“?

Auf der Betriebsversammlung wurde den besorgten Mitarbeitern heute mitgeteilt, dass aufgrund der aktuellen Situation nun „vorsorglich“ zusammen mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt wird.
Zudem prüfe die EDEKA Minden-Hannover, in wie weit den Marktkauf-Beschäftigten aus Nahne andere Stellen im Unternehmensverbund angeboten werden können.

Ist ein „Aus“ für Marktkauf Nahne nur der „Worst Case“?

Das aber alles sei nur der „Worst Case“, also ein Schreckensszenario für den Fall, dass die Verhandlungen mit dem Vermieter scheitern sollten. Und hier spielen die 1,4 Millionen Euro Verlust aus dem Vorjahr wieder eine gewichtige Rolle. Angesichts des gewaltigen Renovierungsbedarfs – und den laufenden Verlusten – seien die im Raum stehenden Mietforderungen einfach viel zu hoch, so ein Vertreter der Unternehmenszentrale gegenüber Mitarbeitern. Ein finales Angebot von EDEKA Minden soll dem Vermieter vorliegen – man wartet jetzt auf seine Reaktion. Kommt es nicht zu einer Einigung, werden ab Mai erste Kündigungen ausgesprochen.

Einige Mitarbeiter, so berichtet es uns eine Angestellte, die ihren Namen lieber nicht in diesem Artikel sehen möchte, wollen nicht mehr daran glauben, dass alles nur „vorsorglich“ sei und hinter den Kulissen noch verhandelt wird.
Immerhin hat der neue Eigentümer EDEKA, nachdem er 2004 den ehemaligen Wettbewerber Marktkauf übernommen hatte, das einstmals 198 Häuser umfassende Filialnetz mächtig ausgedünnt. Von 51 Häusern, die 2007 an die regionale EDEKA in Minden übergingen, sind heute nur noch 21 übrig.

Marktkauf Nahne - Leuchtreklame
Gehen diese Lichter bald aus? Geputzt werden müssten sie mal. Leuchtreklame in Nahne.

Zum 44. Filialgeburtstag könnte bereits der Ausverkauf stattfinden

Nach Informationen aus der Belegschaft, ist bereits der Ausverkauf geplant. Bereits Anfang Dezember könnte die Filiale an der Kreuzung von Autobahn A30 und der Iburger Straße geschlossen sein. Die Adventszeit würde dann genutzt um die Räumlichkeiten für die Übergabe an den Vermieter herzurichten.

Einst „Niedersachsens modernstes Discount-Warenhaus“ (1971)

Zu seiner Eröffnung, im Oktober 1971, galt der Marktkauf in Nahne als „Niedersachsens modernstes Discount-Warenhaus“. Zu den besten Zeiten des Marktkaufs in Nahne verkauften 230 Mitarbeiter dort ein breites Sortiment von Campingartikeln bis hin zu Möbeln. Es war übrigens der erste Marktkauf der eröffnet wurde. Der damalige AVA-Konzern in Bielefeld hatte die prestigeträchtige Filialnummer 1 bereits für den Standort der Unternehmenszentrale vergeben. Aber die Osnabrücker Handwerker waren schneller, und so wurde zuerst in Nahne eröffnet – die Eröffnung in Bielefeld folgte erst ein paar Wochen später.

Der Vermieter scheint abgetaucht zu sein

Der Vermieter der über 10.000 Quadratmeter großen Immobilie stand für die HASEPOST leider nicht zur Verfügung. Mehrfache Versuche einer Kontaktaufnahme scheiterten an der Bandansage seines Anrufbeantworters. Auch zu den „Bürozeiten“ der Immobilienfirma aus dem Ostwestfälischen, war in den vergangenen Tagen niemand für uns erreichbar.

Welche Rolle spielen die Pläne des Vermieters?

Von Seiten des Immobilien-Eigentümers erwartet der Marktkauf-Betriebsrat nicht viel Gutes. Nach Ansicht eines Vertreters aus dem Betriebsrat pokert dieser hoch – zu Lasten der aktuell etwa 140 Marktkauf-Mitarbeiter.

Der Vermieter wird nach dem möglichen Auszug von Marktkauf erhebliche Renovierungskosten schultern müssen – zu lange wurde das Gebäude „auf Verschleiß gefahren“. Ein erheblicher Aktivposten der Immobilie ist die bestehende Verkaufsgenehmigung für alle Sortimente. Am Standort Nahne darf von Lebensmitteln über Spielwaren bis hin zu Elektrogeräten alles verkauft werden. Als Nachmieter böte sich daher neben dem klassischen Lebensmittelhändler auch ein Fachmarkt wie Media Markt an, oder eine Aufteilung des Komplexes auf mehrere Fillialisten.

Soll die Stammbelegschaft durch eine langen Umbauphase ausgebootet werden?

Nach Ansicht des Betriebsrates könnte allerdings eine längere Renovierungsphase – mit zeitweisem Leerstand – zum Verlust dieser Verkaufsgenehmigung führen. Es soll von Seiten des Eigentümers schon zu Sondierungsgesprächen mit der Stadt gekommen sein, um diese Genehmigung auch nach Umbau und Mieterwechsel nicht zu verlieren. Auf Nachfrage konnte der Pressesprecher der Stadt Osnabrück diese Spekulationen nicht bestätigen – der Eigentümer konnte von uns auch dazu nicht befragt werden, weil nicht erreichbar.
Andererseits könnte der Vermieter einen Aspekt, der bei einem längerfristigen Umbau zum Tragen kommt, durchaus bewusst ins Kalkül ziehen: kommt es nicht zu einem sauberen und weitestgehend ununterbrochenem Übergang (nach Angaben des Betriebsrates innerhalb von sechs Monaten), gäbe es für die alten Marktkauf-Mitarbeiter keinen geregelten Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber am traditionellen Standort in Osnabrück Nahne.

Betriebsrat und Unternehmenszentrale erklären unabhängig voneinander, dass sie noch eine Einigung mit dem Vermieter erwarten.

 

 

Einbahnstraße beim Marktkauf in Osnabrück Nahne.
Einbahnstraße für die Marktkauf-Belegschaft in Nahne?
HP, in Zusammenarbeit mit Was los in Osnabrück


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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