Am Freitag (3. April 2020) meldeten Stadt und Landkreis Osnabrück insgesamt 664 Corona-Infizierte. Mit einer Sterberate von circa einem Prozent liegt Osnabrück deutlich unter dem Durchschnitt der Europäischen Union. Dieser beträgt laut Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) ungefähr 7,6 Prozent.
Jeder Todesfall in der Region ist mehr, als nur eine Zahl in der Statistik; Hinter jedem Verstorbenen steht ein Freund und ein Familienangehöriger. Im Gesamtblick auf Europa verzeichnen Stadt und Landkreis Osnabrück, sowie Deutschland allgemein, jedoch eine vergleichsweise geringe Sterberate. In Italien liegt sie beispielsweise bei fast zehn Prozent. Doch wie lassen sich die abweichenden Sterberaten erklären?
Das deutsche Gesundheitssystem
„Der Grund, warum wir in Deutschland im Moment so wenige Todesfälle haben, gegenüber der Zahl der Infizierten, ist hinreichend damit zu erklären, dass wir extrem viel Labordiagnostik in Deutschland betreiben“, so Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité am vergangenen Donnerstag (26. März) in Berlin. Laut aktuellen Schätzungen könne davon ausgegangen werden, dass wöchentlich rund eine halbe Millionen sogenannter PCR-Tests durchgeführt werden. Hinzu kommt die allgemeine Kapazität und Qualität des deutschen Gesundheitssystems. “Deutschland hat einen sehr guten Zugang zu Gesundheitsleistungen sowie ein sehr gutes Leistungspaket der Krankenversicherungen. Außerdem gibt es hierzulande im Verhältnis gesehen 20 Prozent mehr Ärzte und 50 Prozent mehr Pflegepersonal als im Durchschnitt der OECD-Mitgliedsstaaten”, so die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer Studie “Gesundheit auf einen Blick 2019”.
Zusammenarbeit der Behörden
In Osnabrück versuchen Behörden trotz der ungewohnten Situation, einen Überblick zu behalten. Der erste Corona-Fall in Osnabrück und Region wurde am 5. März gemeldet. Bei dem Infizierten handelte es sich um einen Bewohner aus dem Südkreis. Nach einem Skiurlaub in Südtirol wies er leichte Symptome einer Erkältung auf, woraufhin er sich bei seinem Hausarzt auf das neuartige Corona-Virus testen ließ. Der Arzt bestätigte den Verdacht kurze Zeit später. Daraufhin verfügte der Gesundheitsdienst von Stadt und Landkreis Osnabrück eine 14-tägige Quarantäne für den Infizierten, sowie relevante Kontaktpersonen. Ein ähnliches Verfahren wurde bei dem ersten Corona-Infizierten in Deutschland aus Bayern angewandt. Lokale und Bundesbehörden arbeiten im Kampf gegen das Virus eng zusammen.
Risikogruppen schützen
Deutschland legt besonderen Wert darauf, Risikogruppen, wie ältere Menschen, vor einer Infektion zu schützen. Bisher liegt der Anteil der Infizierten über 80-Jahre, laut Statistik des RKI, bei circa zwei Prozent. Wird die gesamte Bevölkerung Deutschlands betrachtet, nimmt diese Altersgruppe knapp sieben Prozent ein. Erst diese Woche, am 1. April, hat die Stadt Osnabrück eine zusätzliche Allgemeinverfügung erlassen. Neben dem bestehenden Betretungsverbot müssen Pflegeeinrichtungen erweiterte Sicherheitsvorkehrungen beachten. Vorgeschrieben ist, dass die Einrichtungen neue Bewohner erst nach einem 14-tägigen Quarantäneaufenthalt aufnehmen dürfen. Zudem können sich die Mitarbeiter bei Krankheitszeichen frühzeitig, unter anderem am Testzentrum am Limberg, auf das Virus testen lassen. Seit Beginn der Messungen wurden in Stadt und Landkreis Osnabrück insgesamt 664 COVID-19 infizierte Personen und sieben Todesfälle verzeichnet. Damit liegt die Sterberate bei circa einem Prozent. Bundesweit geht das RKI aktuell von einer Letalität von 1,2 Prozent aus.
Flächendeckendes, frühes Testverfahren
Insgesamt wurden in Deutschland prozentual mehr junge Menschen positiv auf das Corona-Virus getestet als in anderen Ländern. Deutsche Corona-Patienten sind durchschnittlich 47 Jahre alt. Zum Vergleich: In Italien beträgt das Durchschnittsalter der Corona-Infizierten 63 Jahre. Zu begründen sei dies, laut Drosten, mit einem frühen, flächendeckenden Testverfahren. Beginne ein Land erst spät mit den Tests, sei es wahrscheinlich, dass vor allem schwerwiegende Fälle getestet würden. Für Patienten mit einem milden Krankheitsverlauf fehle an diesem Zeitpunkt bereits die nötige Kapazität. In Osnabrück nehmen die Johanniter am Testzentrum Limberg täglich ungefähr 100 Abstriche. Seit Eröffnung wurden in der Einrichtung im ehemaligen Kasernengebiet, laut Kassenärztlicher Vereinigung, knapp 2.000 Menschen auf das neuartige Corona-Virus getestet. Anfangs gestand das Gesundheitsamt nur Personen mit nachweislichem Kontakt zu einem Corona-Infizierten einen Abstrich am Testzentrum zu. Die Kriterien des RKI werden jedoch stetig angepasst. Zum jetzigen Zeitpunkt werden vornehmlich Menschen mit Erkrankung der oberen Atemwege zu den Tests zugelassen. Um die steigende Anzahl an Abstrichen auswerten zu können, wurden die Laborkapazitäten erhöht.
Solidarität und Mithilfe
In Osnabrück und Umgebung haben sich bisher über 2.000 Personen als freiwillige Helfer in der Corona-Krise gemeldet – darunter auch einige Jugendliche. Die Wallenhorster Pfadfinder, Messdiener und die örtliche Kolpingjugend haben beispielsweise zusammen mit der Bäckerei Berelsmann einen Bringdienst für vornehmlich ältere Menschen in der Gemeinde organisiert. Die Jugendlichen liefern täglich frische Backwaren bis an die Haustür, um das Risiko einer Infektion für die Senioren zu minimieren. Einige deutsche Supermärkte haben eine “Einkaufsstunde” für Senioren vor regulärer Geschäftsöffnung eingerichtet. Außerdem bilden sich zahlreiche Nachbarschaftshilfen, um Menschen aus der Risikogruppe unter die Arme zu greifen.
Hält Osnabrück die Kurve flach?
Zum jetzigen Zeitpunkt sollte jedoch davon abgesehen werden, zu viel in Statistik hineinzuinterpretieren und daraus Schlüsse für die zukünftigen Wochen oder Monate zu ziehen. Das deutsche Gesundheitssystem ist in einem guten Zustand, allerdings stehen Osnabrück und Deutschland erst am Anfang der Pandemie. In den letzten Wochen wurden erste Corona-Patienten in deutschen Krankenhäusern aufgenommen. „Es werden sich wahrscheinlich 60 bis 70 Prozent infizieren, aber wir wissen nicht, in welcher Zeit“, so Virologe Christian Drosten, “das kann durchaus noch zwei Jahre dauern”. Dass die Zustände mit der Spanischen Grippe 1918 vergleichbar werden, glaube er jedoch nicht. Es zeigen sich allerdings erste Anzeichen, dass deutsche Ärzte, Gesundheits- und Krankenpfleger, auch in Osnabrück, bald an ihre Grenzen kommen. Der Bedarf an Schutzausrüstung, wie Atemschutzmasken, ist vereinzelt nur noch schwierig zu decken. Die Problematik war schon Mitte März bei Eröffnung des Testzentrums am Limberg bekannt. Während der mobile Dienst seine Schutzkleidung bei jedem Einsatz wechseln musste, ist dies bei der Einrichtung im ehemaligen Kasernengebiet nicht erforderlich. “Das ist an dieser Stelle sehr ressourcenschonend. Je mehr wir einsparen, desto mehr haben wir für Engpässe zur Verfügung”, so Dr. Uwe Lankenfeld, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, “es ist momentan nicht einfach diese Materialien zu beschaffen.” Wie sich die Situation in den nächsten Wochen entwickelt, bleibt abzuwarten. Vorerst gilt also weiterhin die Devise: Held zu sein war noch nie so leicht – Bleib einfach zu Hause! #FlattenTheCurve