Diagnose „F80“: Sprachentwicklungsstörungen sind bei Kindern in Niedersachsen der häufigste Ursache für eine Heilmittelbehandlung. Mehr als 13.000 von insgesamt rund 22.000 betroffenen AOK-versicherten Mädchen und Jungen, die im Jahr 2021 eine Sprachtherapie erhalten haben, waren zwischen fünf und sieben Jahre alt. Hat die COVID-19-Pandemie die Häufigkeit von Sprachstörungen und therapeutischer Versorgung verändert?
Ja, ergibt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den aktuellen Heilmittelbericht. So gingen sprachtherapeutische Behandlungen in Niedersachsen (analog zum Bundesdurchschnitt) während der ersten Corona-Phase im Jahr 2020 zurück. Während vor Corona pro Quartal durchschnittlich 5,4 Prozent der Kinder zwischen fünf und sieben Jahren behandelt wurden, waren es im zweiten bis vierten Quartal 2020 nur 5 Prozent. Im ersten Quartal 2021 stieg der Anteil wieder auf Vor-Pandemie-Niveau.
Bei der Behandlungsintensität wurde Anfang 2021 ein Höchstwert erreicht. So
erhielt jedes Kind im ersten Quartal durchschnittlich 11 Therapiesitzungen. Nach dem Spitzenwert ist die Rate im Verlauf des Jahres wieder gesunken und hat mit 10,4 Behandlungen je Kind im dritten und vierten Quartal 2021 das durchschnittliche Niveau der Vor-Pandemie-Zeit erreicht. Auch die Häufigkeit der ärztlich dokumentierten Sprachentwicklungsstörungen hat sich verändert. Waren vor Corona pro Quartal durchschnittlich 14.000 aller AOK-versicherten Kinder zwischen fünf und sieben Jahren betroffen, waren es in den ersten Pandemie-Monaten zwischen April und Dezember 2020 pro Quartal nur etwa 13.000 – dies entspricht im Vergleich zum Vor-Pandemie-Zeitraum
einem Rückgang von fast 8 Prozent.
Fit für die Schule
Da gerade zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 Lockdown-bedingt Arzttermine verschoben wurden, vermuten die WIdO-Experten, dass Sprachentwicklungsstörungen bei den Kindern nicht erkannt und somit auch nicht behandelt werden konnten. Durch Nachholeffekte und Normalisierung der Zahlen sei aber nicht davon auszugehen, dass die Sprachentwicklung von Kindern in der Pandemie-Zeit trotz der Einschränkungen einen größeren Schaden genommen hätte. Trotzdem komme es auch in der Zukunft auf das bewährte Zusammenspiel von Eltern, Kindergärten, Ärzten und Sprachtherapeuten an, um Kinder in ihrer Sprachentwicklung zu unterstützen. Da diese mit etwa fünf Jahren weitestgehend abgeschlossen ist, wird bei der zu dieser Zeit anstehenden U9-Untersuchung besonders darauf geachtet, ob die Kinder alle sprachlichen Meilensteine gemeistert haben und fit für die Schule sind.