Auffallend gelöst wirkte Christopher Cheeseman (da noch Fraktionsmitglied der Linken) in der vergangenen Ratssitzung.
Seine Redebeiträge an diesem Abend, zum Beispiel in der aktuellen Stunde zur Wohnungssituation in Osnabrück oder zu dem von den Grünen geforderten Eindämmen der Wahlplakate-Flut wirkten souverän und hatten Substanz.
Gegen 21:30 platzte die politische Bombe
Erst kurz vor Ende des öffentlichen Teils der Ratssitzung klärte sich auf, warum Cheeseman, der zusammen mit Gisela Brandes-Steggewentz die Partei “DIE LINKE” im Stadtrat vertritt, an diesem Abend offensichtlich einen Schuss mehr Adrenalin in seinen Adern hatte als üblich.
Die Empfehlungen aus den Ausschüssen waren zu diesem Zeitpunkt, rund dreieinhalb Stunden nach Beginn der Sitzung, endlich abgearbeitet – vor dem nicht-öffentlichen Teil stand auf der Agenda nur noch Oberbürgermeister Wolfgang Griesert mit seinen Mitteilungen aus der Verwaltung.
Entscheidung erst am Vorabend gefällt
Ob seine Parteigenossin Brandes-Steggewentz vorab informiert war, konnte der Beobachter aus ihrer eher teilnahmslosen Mimik nicht erkennen – womöglich war sie auch leicht fassungslos darüber, was nun passieren würde.
Abseits von einer im Anschluss verteilten Presseerklärung (bei uns im Original als PDF) erklärte Cheeseman seine Entscheidung für diesen Schritt sei erst am Vorabend gefallen.
Offenbar erreichte ein schon länger bestehender Konflikt zwischen den Beiden da einen neuen Höhepunkt, der nach Aussagen Cheesemans ihn auch gesundheitlich angegriffen habe.
Das Leben in der Partei DIE LINKE ist kein Ponyhof
Neben einem Zitat des vietnamesischen Revolutionärs Hồ Chí Minh, stellte Cheeseman seiner emotionalen Erklärung auch die Feststellung voran, das Leben in seiner ehemaligen Partei “sei kein Ponyhof” gewesen.
Cheeseman bleibt als Einzelkandidat im Stadtrat
Mit dem Austritt aus Fraktion und Partei verliert die Linke den Fraktionsstatus im Stadtrat, grundsätzlich ein finanziell schmerzhafter Schritt für die Partei. Ob durch die Degradierung der Linken zu einer “Ein-Frau-Fraktion” innerhalb der laufenden Wahlperiode die (geldwerten) Vorteile wie das eigene Büro im Rathaus, Fraktionsmitarbeiter etc. entfallen, konnte kurzfristig von HASEPOST nicht ermittelt werden. Hier dürften die Verwaltungsrechtler noch Prüfen. Der Austritt von Cheeseman soll nach eigenen Angaben zum Stichtag 1. September erfolgen. Ein entsprechendes Schreiben liegt seiner Partei und der Stadtverwaltung noch nicht vor.
Bereits der zweite Austritt aus einer Fraktion
Christopher Cheeseman ist 2015 das zweite Ratsmitglied, das seiner Fraktion den Rücken kehrt. Michael Florysiak ging diesen Schritt bereits im Februar (HASEPOST berichtete hier und hier) und kehrte den Osnabrücker Grünen den Rücken.
Während Florysiak mit der von ihm neugegründeten Partei DMD auch bundesweit durchstarten will, ist sich Cheeseman, der seit 2006 Mitglied des Rates ist, unsicher wie es für ihn nach der Kommunalwahl im September 2016 weitergehen soll.
Theoretisch könnten die beiden nun sogar eine neue Fraktion bilden, so jedenfalls ein Vertreter einer anderen im Stadtrat vertretenen Partei – das würde vermutlich hinsichtlich der Besetzung von Ausschüssen für neuen Wirbel im Rathaus sorgen.
Cheeseman bleibt ein politischer Mensch
Im Gespräch mit der HASEPOST machte sich Christopher Cheeseman im Anschluss an die Ratssitzung Sorgen eine rechtspopulistische Partei könnte auch in Osnabrück zur Kommunalwahl antreten. Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung hätte die dann auch Chancen tatsächlich ins Rathaus zu gelangen – dem würde er gerne wieder als Stadtrat entgegentreten.
Die politische Karriere von Christopher Cheeseman scheint also auch ohne Parteibuch der Linken noch nicht zu Ende zu sein!
Die Erklärung von Christopher Cheeseman zum Rücktritt als PDF.
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