Auch zehn Jahre nach der Karmann-Schließung werden in Osnabrück noch Cabrioverdecke gefertigt. Jörg Dilge hat mit anderen Karmann-Spezialisten das Osnabrücker Cabriozentrum gegründet, und beliefert seither Kunden aus der ganzen Welt.
1982 begann der damals 16-jährige Jörg Dilge eine Ausbildung zum Kfz-Polsterer bei Karmann, später finanzierte das Automobilunternehmen noch sein Studium zum Textilingenieur. Dilge blieb bis 2010 bei Karmann, als das Unternehmen aufgelöst wurde, nutzte er seine jahrzehntelange Erfahrung und gründete mit einigen ehemaligen Kollegen das „Cabriozentrum Osnabrück“. Heute beschäftigt das Zentrum 20 Mitarbeiter und arbeitet an etwa 1000 Fahrzeugen im Jahr. Viele Kunden kommen nur für kleinere Reparaturen, doch einige lassen ihre Autos grundlegend erneuern. In der Werkstatt finden sich sowohl fast neue Autos, als auch Oldtimer, die mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben. Das Cabriozentrum sticht Europaweit durch seine Kompetenz heraus. Die Autos in der Werkstatt kommen aus allen Teilen Deutschlands, viele auch aus dem Ausland. Ein wichtiger Teil der Arbeit des Zentrums ist die Herstellung neuer Cabrioverdecke, was passiert dabei genau?
Automatisierter Zuschnitt
Wenn ein neues Verdeck hergestellt werden soll, wird zunächst der benötigte Stoff ausgewählt, in den Lagerräumen des Zentrums stehen dazu unzählige Stoffbahnen bereit. Am Computer wird der genaue Zuschnitt festgelegt, im Anschluss wird der Stoff in einen acht Meter langen Cutter gelegt. Der Cutter schneidet in kurzer Zeit die vorher am Computer festgelegten Teile präzise und vollautomatisch aus. Nach dem Schneiden werden einige Einzelteile zusammen vorgenäht, um dann in einem weiteren Nähprozess die Hauptteile zusammen zu fügen. Jetzt werden die Hauptnähte mit zwei Heißluftmaschinen dicht geschweißt. Hierzu wird ein vorher auf die Hauptnähte genähtes Kunststoffdichtband mit 500 Grad heißer Luft geschmolzen und umgelegt. An der zweiten Heißluftmaschine wird dann ein zusätzliches Dichtband über die Hauptnähte geschweißt. Das Verfahren sorgt dafür, dass die Nähte stabil und Wasserdicht sind. So bleibt der Verdeckbezug auch nach Jahren reißfest, wasser- und winddicht. In diesem Bereich (Zuschnitt, Näherei und Schweißerei) sind 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die diesen Job schon jahrzehntelang beim früheren Automobilhersteller Karmann erledigt haben.
Innenräume, Sitze und Fenster
Die fertigen Verdecke werden an den Fahrzeugen mit anderen Teilen wie, je nach Modellen mit Innenhimmel, Polstermatte, Spannseile und Gurtsysteme, montiert. Auch das Fenster wird hier eingesetzt, wenn es noch nicht im Verdeckbezug eingearbeitet ist. Als Abschluss wird das Dichtsystem angebracht. Im Cabriozentrum werden nicht nur neue Verdecke gefertigt, sondern auch die Innenräume der Fahrzeuge erneuert. Vor allem die Sitze alter Autos, egal ob Cabrios, Limousinen oder LKW, müssen repariert werden. Die neuen Bezüge werden auf ähnliche Art wie die Verdecke gefertigt. Falls die Sitze erhebliche Beschädigungen aufweisen, können diese in der hauseigenen Sattlerei vollständig erneuert werden.
Aufträge aus der ganzen Welt
Die Kompetenz des Cabriozentrums hat sich herumgesprochen. In der Werkstatt findet sich unter anderem ein VW Käfer, der zur Zeit für den Fernsehsender RTL renoviert wird. Auch Volkswagen lies hier schon Autos für seine Fahrzeugsammlung wiederherrichten. Über den Onlineshop verschickt Dilges Team Verdecke, Verdeckzubehör und Innenausstattung praktisch aller Marken. Die Zeitschrift „auto motor und sport“ zeichnete das Cabriozentrum viermal mit dem „MOTOR KLASSIK Award“ in der Kategorie „Cabrio-Verdecke“ aus. Im Mai kam der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius zu einem Besuch vorbei, da im Zentrum 50.000 Corona-Schutzmasken genäht wurden. Auch wenn Karmann seit 10 Jahren Geschichte ist, die Kompetenz des Unternehmens lebt in Osnabrück weiter.