Am Ende dieser Woche fällt es schwer den Überblick zu behalten. Ein Interview mit dem seit diesem Jahr neu im Amt befindlichen Stadtwerke-Vorstandsvorsitzenden Christoph Hüls, von den Kollegen der Neuen Osnabrücker Zeitung vergangenes Wochenende veröffentlicht, sorgt für ein Wettrennen der Parteien sich ebenfalls (mehr oder weniger) für einen Neumarkt ohne Busse auszusprechen – und einander zu bekriegen.
Ein Wettlauf um die Deutungshoheit im Sommerloch oder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Möglichkeit den Neumarkt „busfrei“ zu bekommen?
Dabei war es nur eine von recht vielen Fragen, die der Stadtwerke-Vorstandschef offen und nachvollziehbar begründet beantwortete. Konkret fragte NOZ-Lokalchef Wilfried Hinrichs: „Braucht es noch eines zentralen Busbahnhofs auf dem Neumarkt, wenn ich in Zukunft auf dem Smartphone die Position jedes Busses erkennen und mir von meinem aktuellen Standort aus die beste Verbindung anzeigen lassen kann? Anders gefragt: Können Sie sich einen Neumarkt ohne Busse vorstellen?“
Darauf antwortete Christoph Hüls, der als Stadtwerke-Neuzugang erfrischend unbelastet von Altlasten vorheriger Ratsmehrheiten und Vorgaben des vergangenen Oberbürgermeisters Pistorius ist: „Das liegt nicht in unserer Entscheidung. Wir als Stadtwerke müssen in Szenarien denken. Wenn also die Politik das Szenario entwickelt, den Neumarkt busfrei zu haben, dann werden wir entsprechende Konzepte entwickeln. Wir taugen nicht als Kronzeuge für verkehrspolitische Debatten. Ich will damit sagen: Politisch zu argumentieren, die Stadtwerke bräuchten den Neumarkt als zentralen Busbahnhof, ist nach meiner Auffassung der verkehrte Ansatz. Wir richten uns danach, was die Politik will und entscheidet. Der Neumarkt ist übrigens mein liebster Platz in der Stadt, denn er hat das größte Potenzial. Was wir brauchen, ist Mut, Entscheidungen zu treffen. Dass die Politik Mut hat, hat sie bei den Bädern bewiesen. Aus sieben sind drei geworden, die großartig funktionieren.“ (114 Wörter, die in der folgenden Woche für Aufregung sorgen werden).
Zusammengefasst kann man sagen: Unter Hüls sind die Stadtwerke selbst (weiterhin) mutig und bereit sich auch (ebenfalls) mutigen Vorgaben der Politik zu widmen, wenn diese denn einen entsprechenden Auftrag an die Stadtwerke richten.
UWG/Piraten reagieren zuerst
„Neumarktsituation ist nicht hoffnungslos“, titelte die Kleinstfraktion (zwei Mitglieder) der UWG und Piraten daraufhin in einer bereits am Sonntag vergangener Woche verschickten Mitteilung an die Presse.
UWG und Piraten zeigten sich erfreut, dass ihre langjährige Forderung den Neumarkt auch vom Busverkehr spürbar zu entlasten, von den Stadtwerken grundsätzlich umgesetzt werden kann; so jedenfalls ihre Deutung obiger Interviewpassage.
Ohne inhaltlichen Bezug zum Interview mit dem Stadtwerke-Vorstandsvorsitzenden bekam sofort der politische Gegner sein sprichwörtliches „Fett“ weg: “Es ist an der Zeit, dass die Gruppe von CDU und BOB erkennt, dass sie mit ihrer Blockadehaltung im Stadtrat keiner faktischen Notwendigkeit folgt, sondern mit fadenscheinigen Argumenten den Stillstand und damit den Unmut der Bürger vorantreiben.“ so Wulf-Siegmar Mierke, Fraktionsvorsitzender der Gruppe UWG und Piraten und Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss.
Mierke begründete seinen Querschuss damit, dass Stadtwerke-Chef Christoph Hüls, im Interview hätte anklingen lassen, dass es sich bei einem zentralen Busbahnhof am Neumarkt nicht um eine faktische Notwendigkeit, sondern um ein offensichtlich zweckdienliches politisches Argument handle.
Für das im Dornröschenschlaf versunkene Einkaufscenter-Projekt am Neumarkt begrüße man die Aktivitäten des Pensionärs Reinhart Richter, der vor wenigen Tagen vorschlug, mit gebündeltem Fachwissen und Zusammenführung von Verantwortungen – auch unter Einbezug des Investors -, einen Plan-B für das in Frage stehende Einkaufszentrum am Neumarkt gemeinsam entwickeln.
BOB reagiert verwundert auf UWG/Piraten-Attacke
Am Mittwoch meldete sich der Vorsitzende der BOB-Ratsfraktion, Dr. Ralph Lübbe, und zeigte sich verwundert, schließlich habe ausgerechnet die Fraktion UWG/Piraten zusammen mit CDU, BOB und FDP einen gemeinsamen Antrag im Rat eingebracht, der die Verwaltung aufgefordert hatte, Vorschläge zu unterbreiten, mit dem Ziel den Busverkehr auf dem Neumarkt auszuschließen?“
BOB will die Vorschläge der Verwaltung, die dem Stadtentwicklungsausschuss nach der Sommerpause vorgelegt werden, eingehend prüfen und danach zu einer sachbezogenen, ideologiefreien Entscheidung kommen und stehe jeder Diskussion über einen busfreien Neumarkt positiv gegenüber.
Am Ende will auch die SPD den busfreien Neumarkt
Irgendwie wohl um das Gefühl von Gemeinsamkeit zu schaffen, erklärt die SPD Ratsfraktion schließlich am Freitag, dass die Osnabrücker Kommunalpolitik doch seit Jahren das Ziel verfolgen würde, die Fahrgastzahlen in der Stadt massiv zu steigern. Die Diskussion um einen busfreien Neumarkt empfinde die SPD-Fraktion daher „als Nutzen ohne Zweck“.
„Die Aussagen von Herrn Hüls, die die Stadtwerke Osnabrück mit Ihren ÖPNV-Fachleuten zum Erfüllungsgehilfen der Politik erklären, ist aus Sicht der SPD-Fraktion überhaupt nicht nachvollziehbar. Politik und Stadtwerke haben immer gemeinsam nach Lösungen gesucht, die die Attraktivität des ÖPNV steigern“, so Heiko Panzer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion.
„Dabei gehen wir aktuell weiter davon aus, dass ein zentraler Anlaufpunkt in der Mitte der Stadt als Dreh- und Angelpunkt auch weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Quell- und Zielverkehren, von heute bis zu 80.000 Fahrgästen täglich, müssen strukturiert und kundenfreundlich abgewickelt werden! Sollten die SWO-Fachleute – begründet in einer Steigerung der Fahrgastzahlen – einen anderen Weg für eine besser Abwicklung des ÖPNV vorschlagen, ist die SPD-Fraktion zu allem bereit, was die Fahrgastzahlen steigert und unnötige PKW-Fahrten verhindert“, erläutert Heiko Panzer weiter.
Hat die SPD Angst politische Verantwortung zu übernehmen?
Erstaunlich ist dann, was folgt. Statt den Ball des Stadtwerke-Chefs aufzunehmen und sich mutig zu zeigen dem städtischen Unternehmen Stadtwerke die richtigen Aufträge zu geben (oder einen billigen Schlagabtausch mit anderen Parteien zu versuchen, wie zuvor UWG, Piraten und BOB), wird ein aus großen Strukturen bekanntes „Cover your Ass“ (C.Y.A.) gespielt:
„Diese Systemfrage und damit den „Schwarzen Peter“ unter dem Motto: „Wir machen alles, was die Politik möchte“ zurück in die Politik zu spielen, ist für die SPD-Fraktion einfach zu kurz gesprungen. Hier ist die Stadtwerke mit ihrer Fachkompetenz gefragt, die besten Lösungen zu erarbeiten. Ein Abschieben der Verantwortung in dieser wichtigen Frage, ist aus unserer Sicht nicht angebracht“, stellt Panzer klar. Bisher hätten die Verkehrsexperten zwar von möglichen Entlastungen bei der bevorstehenden Netzumstellung in 2018 gesprochen, aber ein so radikaler Wechsel brauche Zeit und vielerlei Fachexpertise.
„Wir werden nun alle notwendigen Beschlüsse vorantreiben, die alle Zukunftsoptionen aufzeigen und Osnabrück zu Zuwächsen im ÖPNV verhelfen“, erklärt der SPD-Verkehrspolitiker nachdrücklich. „Wichtig ist nur, dass wir auf dem Weg zu einem innovativen und effektiven neuen ÖPNV-System keine Fahrgäste von heute verlieren und sehr viel neue hinzugewinnen“.
Immerhin kann sich der SPD „Verkehrsexperte“ noch dazu durchringen, das bislang offenbar undenkbare zu formulieren: „Wenn es dazu nötig ist, den Neumarkt busfrei zu machen, sind wir gerne dazu bereit!“ schließt Heiko Panzer seine Ausführungen in Richtung Stadtwerke ab.