Es war ein überwältigendes Zeichen gegen rechts und ein ebenso wichtiges Zeichen für die Demokratie: Unter dem Motto „Bunt statt Braun – Farbe bekennen gegen den Faschismus“ haben am Sonntag (28.01.) mehr als 4.000 Menschen vor dem historischen Rathaus in Melle gemeinsam ein Gesicht für Vielfalt, Freiheit und Toleranz gezeigt. In einer flammenden Rede appellierte Bürgermeisterin Jutta Dettmann an die Bevölkerung, immer wieder aufs Neue für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen und dem Rechtspopulismus mit allem Nachdruck entgegenzutreten.
„Hallo Melle! Herzlich willkommen hier auf dem Rathausplatz“, rief Organisator Jan Meyer den Anwesenden im Namen der Organisation „Melle for Future“ zu, welche die Kundgebung veranstaltete. Als er die Demonstration im Ordnungsamt der Stadt Melle angemeldet habe, sei er zunächst von 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgegangen. „Laut Polizei sind es aber aktuell mehr als 4.000 Menschen, berichtete Meyer, der an dieser Stelle von tosendem Beifall unterbrochen wurde.
Schweigende Mehrheit zeigt Gesicht
Zofia Heitmann, die die Veranstaltung moderierte, erinnerte in ihrer Einführung daran, dass einer ihrer Bekannten auf seinem YouTube-Kanal Werbung für die heutige Kundgebung gemacht habe – verbunden mit dem Ergebnis, dass es in den Kommentaren fast ausschließlich Kommentare gab, die die AfD befürworteten. „Da könnte doch glatt der Eindruck entstehen, dass diese Menschen in der Mehrheit sind; denn Stimmen gegen Rechtsextremismus wurden in den Kommentaren nicht erhoben“, führte die Rednerin aus. Für Zofia Heitmann stand allerdings angesichts der gut 4.000 Menschen, die an der Kundgebung teilnahmen, fest: „In der Realität ist es jedoch anders. Wir, die Verteidiger der Demokratie, sind mehr. Die schweigende Mehrheit zeigt nun ihr Gesicht.“
„So hat es damals auch angefangen!“
Bürgermeisterin Jutta Dettmann stellte den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust an den Anfang ihrer Rede – ein Gedenktag, alljährlich am 27. Januar begangen wird. „Gestern vor 79 Jahren wurde Auschwitz befreit – das größte Vernichtungslager der Nazis. Und gestern wurde der vielen Opfer des nationalsozialistischen Regimes gedacht“, sagte die Politikerin weit. Sie verband damit den Hinweis darauf, dass nur wenige Menschen das Grauen überlebt haben. Eine von diesen Menschen sei Margot Friedlänger, die kürzlich 102 Jahre alt geworden ist. Zeitzeugen wie Margot Friedländer mahnten noch heute: „So hat es damals auch angefangen!“ „Dieser Satz von ihr“, so die Bürgermeisterin, „sollte uns Mahnung und Weckruf zugleich sein.“
Bürgermeisterin stellt Fragen in den Raum
Viele wie sie persönlich hätten ihre Großeltern und Eltern gefragt: „Warum seid ihr damals nicht aufgestanden? Warum habt ihr nicht – wie wir heute – laut protestiert?“, stellte Jutta Dettmann zwei Fragen in den Raum, um danach deutlich zu machen: „Wir können aus der Geschichte Schlüsse ziehen. Wir können erahnen oder wissen, wohin es gehen kann, wenn wir schweigen.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung „Bunt statt Braun – Farbe bekennen gegen den Faschismus“ verbinde der gemeinsame Schulterschluss, „unsere Demokratie, unsere Freiheit nicht kampflos und stillschweigend aufzugeben und dem Faschismus preiszugeben. Wir müssen Gesicht zeigen – hier und heute. Aber auch immer dann, wenn wir mit menschenverachtenden und nationalsozialistischen Redebeiträgen“ und weiteren Entgleisungen aus dem rechten Lager konfrontiert werden“. Die Bürgermeisterin wörtlich: „Wir sind keine schweigende, erduldende und wegscheuende Mehrheit. Wir sagen nein zu Rechtsradikalen und faschistischen Politikern, die Pläne zur Remigration entwickeln – was nichts anderes als Deportation ist.“
Anschließend rief die Bürgermeisterin in Erinnerung, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr 75 Jahre alt werde. Und gerade dieses Grundgesetz „ermöglicht es uns, unsere Meinung zu sagen und zu diskutieren“. In Artikel 1, Satz 1, heiße es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und hier, so die Politikerin weiter, gehe es um jeden einzelnen Menschen – egal welcher Herkunft, Religion, Weltanschauung und sexueller Ausrichtung dieser sei.
„Rechtsruck bedroht vieles“
Im Anschluss daran ergriffen Barbara Daiber, Dr. Irene Below und Angela Kemper vom Initiativkreis Ilse Losa das Wort. Sie führten den Anwesenden nachdrücklich vor Augen, welchen Einfluss der Nationalsozialismus auf die in Buer geborene Autorin jüdischen Glaubens hatte, die später zu einer der bekanntesten Schriftstellerinnen Portugals avancierte.
„Der Rechtsruck bedroht vieles: Unser buntes Zusammenleben, unseren Zusammenhalt und unsere Chance, die Klimakrise noch einzudämmen. Mit Faschisten an der Macht gibt es keinen Klimaschutz“, betonte im Folgenden Katja Rasmus von der Organisation „Melle for Future“.
Musikalische Umrahmung durch das Trio „Himmelblau“
Pfarrer Michael Wehrmeyer bezeichnete es angesichts der in großer Zahl erschienenen Menschen als beeindruckend, „wie viele haben sich einladen lassen, um gegen Fremdenfeindlichkeit zusammenzustehen. Melle ist wirklich bunt.“ Zum Abschluss seiner Ausführungen ließ der Pfarrer keinen Zweifel daran: „Alle Menschen sind Gottes Geschöpfe. Wir sind alle gleich.“
Musikalisch umrahmt wurde die gut einstündige Kundgebung durch das Trio „Himmelblau“, bestehend aus Monika Weigelt (Geige), Dieter Knappe (Gitarre) und Bernd Kleist (Kontrabass), sowie durch den Sologitarristen Gerhard Bohrenkämper. Viel Beifall erntete darüber hinaus eine Samba-Gruppe, die auf dem Rathausplatz für Rhythmus und Schwung sorgte.