Vor knapp einem Monat gründete sich die Initiative „Naturnaher Schinkel“ und setzt sich für die Erhaltung der letzten Grünflächen in den Stadtteilen Schinkel und Schinkel-Ost ein. Während Lokalpolitiker schon vor Ablauf der Bürgerbeteiligung über mögliche Wohnformen südlich des Schinkelbergs diskutieren, versuchen die Initiatoren, die Grünflächen an der Kahlen Breite durch ein Crowdfunding-Projekt „zurückzukaufen“ und die Baupläne zu verhindern.
2018 hat der Rat der Stadt Osnabrück beschlossen, ein neues Wohngebiet im Stadtteil Schinkel-Ost zu bauen. Zwischen der Schinkelbergstraße, BAB 33, Sportanlage am Gretescher Weg und Backhausbreite / Gesamtschule Schinkel sollen Ein- und Mehrfamilienhäuser entstehen und damit den Wohnraummangel in Osnabrück ausgleichen. Aktuell befinden sich hier noch Grünflächen, die landwirtschaftlich genutzt werden. Sie spielen eine große Rolle für das Stadtklima: Genau entlang der „Kahlen Breite“ verläuft eine Kaltluftschneise, die für Abkühlung an heißen Sommertagen sorgt.
Der Stadtklimabericht aus dem Jahr 2017 und ein Klimaexperte von GEO-NET warnen die Stadtverwaltung davor, den Bauplan Nr. 620 umzusetzen – denn sollten die Grünflächen mit Ein- und Mehrfamilienhäusern bebaut werden, droht Osnabrückern eine Temperaturerhöhung um bis zu sieben Grad. Die Pläne der Stadtverwaltung umfassen nicht nur das Gebiet am unteren Schinkelberg: Auch Grünflächen am Schinkelbad und Friedensweg sind betroffen.
Wohnungen, Einfamilienhäuser oder Grünfläche?
Mittlerweile meldeten sich einige Osnabrücker Parteien zu Wort und diskutieren über die Wohnformen, die am Schinkelberg entstehen sollen. Die Grünen schlagen vor, Wohnungen statt Ein- und Mehrfamilienhäusern zu bauen, um wenig Raum so effizient wie möglich zu nutzen. Die CDU weist den Vorschlag vehement zurück: „Mit diesem einseitigen Standpunkt kann unsere Stadt nicht weiterentwickelt werden”, so Fraktionsvorsitzender Fritz Brickwedde und umweltpolitische Sprecherin Verena Kämmerling in einer Pressemitteilung. Der Bund Osnabrücker Bürger (BOB) strebt einen Kompromiss an: Weniger Häuser, die dafür aber mit der Kaltluftschneise vereinbar sind.
Erst gestern sorgte ein Tagesordnungspunkt der kommenden Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (3. September 2020) für Irritationen: Am Donnerstag wollen Lokalpolitiker erneut über das geplante Baugebiet beraten – ohne das die Bürgerbeteiligung abgelaufen ist. Ein Vorgehen, das auch aus der Sicht der Bürgerinitiative fragwürdig ist: „Es ist schon befremdlich, dass wieder als Tagesordnungspunkt über die Baupläne geredet wird, obwohl noch nichtmal alle Einsprüche eingegangen sind“, erzählt Birgitt Potthoff, Mitgründerin von „Naturnaher Schinkel“, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Bürgerinitiative will dafür sorgen, dass die Pläne der Stadtverwaltung gar nicht erst umgesetzt werden.
Erstes Treffen war erfolgreich
Am Freitag, den 31. Juli 2020, gründete sich die Bürgerinitiative und steht dafür ein, die letzten Grünflächen im Schinkel zu erhalten. Das erste Treffen am 31. Juli vor der Gesamtschule Schinkel war nach eigenen Angaben ein voller Erfolg: Über 200 Menschen sind gekommen, um sich über die Baupläne zu informieren. Sie unterzeichneten Musterbriefe zum Widerspruch an die Stadt Osnabrück und spendeten alleine an diesem Abend mehr als 400 Euro für ein Crowdfunding-Projekt. Seit dem 31. Juli wird jeder Spaziergang durch den Stadtteil Schinkel-Ost von großen Plakaten geprägt, die am Informationsabend ausgeteilt wurden: „NEIN zum Bebauungsplan 620 Schinkel – Windthorststraße“.
Über 100 Gartenfreunde ohne Kleingarten
Zu den „Mitstreitern“ der Bürgerinitiative gehört auch der Kleingärtnerverein Weseresch: Seit 2019 plant der Verein eine Erweiterung der Kleingärten an der Vinckeanlage – der Bebauungsplan Nr. 620 sieht an dieser Stelle aber neue Wohnflächen vor. In einer Pressemitteilung des Kleingärtnervereins heißt es: „Der Kleingärtnerverein Weseresch e.V. hat fünf Kleingartenanlagen mit 207 Gärten im Schinkel. Alle sind voll belegt. An der ‚Kahlen Breite‘ sind in der Vinckeanlage bereits 54 Gärten. Es könnten 60 neue Kleingärten dazu kommen. Der Bedarf ist vorhanden, denn es gibt eine Bewerberliste von über 100 Gartenfreunden, die einen Kleingarten pachten möchten.“
Statt mehr Kleingärten, die zur Erhaltung des Stadtklimas beitragen können, sieht die Stadtverwaltung mehr Wohnflächen vor. Noch bis zum 18. September kann schriftlich Widerspruch gegen den Bauplan eingereicht werden; Musterbriefe und weitere Informationen zum Programm von „Naturnaher Schinkel“ können auf der Homepage der Bürgerinitiative eingesehen werden.
Crowdfunding, um Flächen „zurückzukaufen“
Ziel der Bürgerinitiative ist es, den Bauplan zu verhindern, die landwirtschaftlichen Flächen zu erwerben und danach dem Kleingärtnerverein Weseresch sowie dem NABU zur Verfügung zu stellen. Blühwiesen, Obstwiesen, Hundefreilaufflächen und genug Platz für Rad- und Spazierwege stehen dann auf der Agenda. Um das Vorhaben zu finanzieren, wird ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen: „In 14 Tagen kann unser Crowdfunding hoffentlich beginnen“, berichtet Potthoff. „Leider ist das Vorgehen etwas komplizierter als wir erwartet haben und verzögert sich deswegen ein bisschen. Wir werden in den nächsten Tagen noch ein spezielles Spendenkonto einrichten und die Stiftung ‚Naturnaher Schinkel‘ gründen. Dann können wir den Leuten auch ihr Geld zurückgeben, wenn unser Vorhaben nicht aufgehen sollte.“ Danach gilt es, so viele Spenden wie möglich zu sammeln – denn das Gebiet an der Windthorststraße könnte nach einem groben Kostenumschlag bis zu vier Millionen Euro kosten. Potthoff steht dieser Herausforderung optimistisch entgegen: „Ich sage immer: ‚Es müssten nur 4.000 Leute jeweils 1.000 Euro spenden.‘ Es ist auf jeden Fall eine Summe, die wir gemeinsam erreichen könnten.“
Nächstes Treffen am 3. September
Am 3. September findet um 18:30 Uhr das nächste offene Treffen der Bürgerinitiative an der Turnhalle der Gesamtschule Schinkel statt. Anwohner und Interessierte können sich hier über den aktuellen Stand der Bürgerinitiative informieren. Auch Vertreter des NABU und des Kleingärtnervereins Weseresch werden am Treffen teilnehmen und Auskunft geben. „Die Bürgerinitiative wehrt sich nicht gegen das Bauen an sich“, stellt Potthoff klar. „Aber gegen die Bebauung von unseren Grünflächen. Denn von ihnen haben wir nicht so viele im Schinkel.“