Mit Fritz Brickwedde zieht sich ein politisches Schwergewicht aus der aktiven Politik zurück. Die Osnabrücker CDU hat sich für eine Nachfolgerin entschieden, die wichtige Richtungsentscheidungen treffen muss.
Mit mehr als 350 Anwesenden war der Kreisparteitag der Osnabrücker CDU am Freitagabend gut besucht. In dem Bewusstsein, dass Tagesordnungspunkt 14, die Neuwahl eines oder einer neuen Vorsitzenden auf reges Interesse an der Basis stoßen wird, hatte man sich für die Sporthalle des OSC in der Wüste als Veranstaltungsort entschieden.
Immerhin ging es um eine wichtige Weichenstellung angesichts gleich dreier Wahlen im Herbst des kommenden Jahres (OB-, Kommunal- und Bundestagswahl) und der ebenfalls nahenden Landtagswahl im Jahr 2022.
Der scheidende Vorsitzende Dr. Fritz Brickwedde übergibt einen mit deutlich mehr als 1.000 Mitgliedern, gemessen an dem Einzugsgebiet, sehr starken Kreisverband.
Nach der erfolgreichen Wahl von Wolfgang Griesert zum Oberbürgermeister, der 2016 bei der Kommunalwahl erfolgten Bestätigung der CDU als mit Abstand stärkste Fraktion im Stadtrat und dadurch, dass der einzige Bundestagsabgeordneten der Stadt, Dr. Mathias Middelberg, von der CDU gestellt wird, kann Brickwedde auf eine erfolgreiche Amtszeit zurückblicken.
Brickwedde war mal stramm konservativ – in den 70er Jahren
Brickwedde, der in den vergangenen Jahren die Scheu vor einer Zusammenarbeit mit der in Osnabrück eher linksdogmatisch agierenden Grünen-Fraktion scheinbar verloren hatte, gab sich noch ein letztes Mal kämpferisch, als er vor der geschlossenen Gesellschaft der CDU-Mitgliedern dann doch deutlich vor einem Erstarken der Grünen warnte und daran erinnerte, wie er in den 70er Jahren aktiv gegen sozialistische und marxistische Umtriebe aktiv war.
„Es war keinesfalls sicher, ob wir die freie Marktwirtschaft verteidigen können oder in den Sozialismus abdriften“, beschrieb Brickwedde die Zeiten früherer politischer Auseinandersetzungen, als die CDU noch deutlich Position gegen politische Gegner bezog.
Peiler bewarb sich als bekennender Konservativer
Deutlich Position bezog auch Christopher Peiler, der sich um eine Nachfolge von Fritz Brickwedde bewarb. Obwohl lange Zeit als Fraktionsgeschäftsführer für Brickwedde tätig und in zahlreichen erfolgreichen Wahlkämpfen der vergangenen Jahre erprobt, war Peiler nicht der Wunschkandidat des bisherigen Amtsinhabers.
In seiner Bewerbungsrede brachte der erst 31-jährige Peiler den Wunsch nach einer stärkeren Positionierung der CDU als konservative Kraft zum Ausdruck, fast so wie Brickwedde wenige Minuten zuvor seine eigene Position in seinen politischen Gründerjahren geschildert hatte.
Peiler, der auf den Rückhalt der Jungen Union bauen konnte, bezog klar Stellung zu von ihm als falsch empfundenen Wiederwahl des umstrittenen Stadtbaurats Frank Otte, der nun mit Wahlstimmen aus der CDU-Fraktion weiterwirken darf. Auch gegen Forderungen, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aus dem mutmaßlich von Bewohnern in Brand gesteckten griechischen Lager Moria aufnehmen solle, positionierte sich Peiler und bezog sich dabei auch auf die Haltung des Osnabrücker Bundespolitikers Middelberg.
Er wolle nicht zum Fraktionschef, sondern zum Parteichef gewählt werden, war der einzige Seitenhieb gegen die Mitbewerberin um den CDU-Chefposten.
Verena Kämmerling: Brickweddes Wunschnachfolgerin
Tatsächlich kann Verena Kämmerling (39), die erst seit 2012 Mitglied der Union ist, vor allem auf kommunalpolitische Erfahrungen zurückgreifen. Dass nach der Wahl zur Kreisvorsitzenden auch die Wahl zur Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat folgen wird, gilt als bereits ausgemacht – nicht anders hielten es zum Beispiel ihre Vorgänger Fritz Brickwedde und Burkhard Jasper.
Die Agrarexpertin, die dem Ortsverband Haste/Dodesheide/Sonnenhügel vorsteht, war nicht nur die inoffizielle Wunschkandidatin von Fritz Brickwedde um seine Nachfolge, sondern durfte auch auf die Unterstützung der traditionell starken Frauen Union bauen.
Ihre Kritik an der bisherigen Lokalpolitik der CDU fiel weniger hart aus, wenngleich sie deutlich machte, dass die Pläne eines Rückbaus der Martinistraße auf nur noch zwei Fahrspuren auch für sie nicht in Frage kämen.
Mit einer noch zu entwickelnden App für die Osnabrücker CDU sollen die Parteimitglieder die Union zukünftig „in die Tasche“ stecken können, regte Kämmerling in ihrer Bewerbungsrede an. „Höhere Steuern braucht kein Mensch“, blieben als Forderung an die Bundespolitik hängen.
Bei der geheimen Wahl durch 312 Mitglieder konnte sich Verena Kämmerling mit 172 Stimmen gegenüber Christopher Peiler, auf den 140 Stimmen entfielen, durchsetzen.
Kommentar des Redakteurs
Es war eine Richtungswahl, die von den Mitgliedern der Osnabrücker CDU knapp aber immer noch ausreichend deutlich zu Gunsten von Verena Kämmerling entschieden wurde.
Jugend, Geschlecht oder gar Quote spielte dabei keine Rolle. Die CDU, die bereits in den 80er Jahren mit Ursula Flick die Oberbürgermeisterin stellte, die Landtagsmandate paritätisch besetzt hält und nach der Kommunalwahl 2016 auch das jüngste Ratsmitglied in in ihren Reihen hatte, hat solche Diskussionen tatsächlich überhaupt nicht nötig. Und mit 31 bzw. 39 Jahren lagen beide Kandidaten um den Vorsitz deutlich unter dem Altersdurchschnitt von 59, den die 1059 Osnabrücker CDU-Mitglieder (davon mehr als ein Drittel Frauen) aufweisen.
Es ging vielmehr um die Richtung, die die CDU vor und nach der kommenden Kommunalwahl einnehmen wird. Christopher Peiler machte keinen Hehl daraus, dass er die Osnabrücker CDU zurück in eine konservative Positionierung bringen wollte; eine Positionierung die Fritz Brickwedde über die Jahre verlassen hat.
Wohin Verena Kämmerling die Osnabrücker CDU führen wird, scheint hingegen noch offen – auch angesichts von offenen Gedankenspielen einer möglichen schwarz/grünen Koalition im Stadtrat nach der Kommunalwahl im kommenden Jahr.
Von Fritz Brickwedde und dem FDP-Vorsitzenden Thomas Thiele ist eine tiefsitzende Abneigung gegeneinander bekannt. Das führte dazu, dass die Osnabrücker Liberalen aktuell in einer bunten Zählgemeinschaft regelmäßig lieber mit der SED-Nachfolgepartei als den ihr sonst viel näher scheinenden bürgerlichen CDU stimmen.
Verena Kämmerling hat nun die Chance neue bürgerliche und konservative Allianzen zu schmieden, die über die kommende Kommunalwahl hinausreichen, oder sie wird die CDU zur Mehrheitsbeschafferin der Osnabrücker Grünen verkommen lassen. Um auch im Stadtrat eigene Schwerpunkte setzen zu können, wird sie auch in der Fraktion schnellstmöglich den Vorsitz übernehmen müssen; noch hat dort aber weiterhin Fritz Brickwedde den Vorsitz inne.
Es wird spannend vor und nach der nächsten Kommunalwahl. Bundes- und landespolitische Akzente wird Kämmerling ebenfalls setzen müssen – die Fußspuren die Fritz Brickwedde auch in Berlin und Hannover hinterlassen hat, sind groß!
Hinterfragen könnte man noch, ob die Versammlungsleitung nicht etwas kritischer auf den Infektionsschutz hätte achten können? Von vorbildlich und mit reichlich Abstand und durchgängig getragener Maske, bis zu Schulter an Schulter sitzenden Mitgliedern, die sicher nicht in jedem Fall aus einem Haushalt stammten, noch dazu gänzlich ohne Maske, war alles zu sehen.