Im Osnabrücker Ratssitzungssaal sitzen die kleinen Fraktionen von BOB und Grünen gar nicht weit auseinander. Beide eint auch, dass sie auf der Welle einer zeitgeistigen Protestkultur ins lokale Parlament gelangten. Doch inhaltlich könnten BOB und Grüne wohl kaum weiter voneinander entfernt sein, wie zwei aktuelle Pressemitteilungen zeigen.
Bereits am Freitag hatte sich die Grüne Ratsfraktion, vor dem Hintergrund eines Urteils des Stuttgarter Verwaltungsgericht zu Wort gemeldet. Die schwäbischen Richter haben das Land Baden-Württemberg dazu aufgefordert, mehr gegen schädliche Abgase zu tun. Zum Schutz der Gesundheit müssten grundsätzlich auch Fahrverbote in Betracht gezogen werden, die geplante Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen reiche nicht aus.
Am Sonntag meldete sich BOB mit einer eigenen Pressemitteilung, die komplett konträr zu den Forderungen der Osnabrücker Grünen ist. Statt einer Blauen Plakette fordert BOB die Abschaffung der bestehenden Umweltzone.
Bajus: Fahrverbote werden auch in Osnabrück wahrscheinlicher
„Das Gericht bestätigt unsere Position: Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger muss Vorfahrt haben. Zwar sind Fahrverbote auch aus unserer Sicht eine Zumutung für die Betroffenen, aber zugunsten der Gesundheit und der Lebensqualität im Zweifel letztes Mittel“, erklärt der umweltpolitische Sprecher der GRÜNEN-Ratsfraktion Volker Bajus. Und weiter „Durch das Urteil werden nun Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge auch in Osnabrück wahrscheinlicher. Wenn das noch verhindert soll, müssen die Autohersteller umgehend Lösungen zum Nachrüsten liefern. Auch der Bund muss handeln: Wir brauchen die Blaue Plakette, damit die Kommunen gezielte Maßnahmen ergreifen können“, fordert Volker Bajus.
Anwohnerinnen und Anwohner besonders belasteter Straßenzüge hätten ein Anrecht auf Einhaltung der Grenzwerte. Schließlich führen Stickstoffoxide in der Atemluft zu Atemwegserkrankungen und steigern das Risiko, an Herz-Kreislauf-Krankheiten zu sterben. „Wenn auch nur ein Betroffener klagt, würden die Gerichte – wie jetzt in Stuttgart – im Zweifel Sofort-Maßnahmen von Kommunen erzwingen“, so Bajus.
BOB versucht Grenzwerte zu widerlegen
Ganz anders fällt hingegen die Reaktion vom Bund Osnabrücker Bürger (BOB) aus. Während die Grünen gleich eine Blaue Plakette fordern, fordert BOB in einer am Sonntag verbreiteten Erklärung die Abschaffung der Umweltzonen.
„Die Luft in den Innenstädten wird seit Jahren sauberer, die Lebenszeit der Menschen erhöht sich“, so Dr. Steffen Grüner, denn „Laut Umweltbundesamt ist die NOX-Gesamtbelastung zwischen 1990 und 2014 von 3 Millionen Tonnen auf ungefähr 1,3 Millionen Tonnen (um nahezu 60 Prozent!) zurückgegangen“. Der BOB-Politiker führt weiter aus, dass das Frauenhofer Institut bereits 2010 festgestellt habe, daß die Umweltzonen „nicht nur wirkungslos für die Belastung durch Feinstaub, sondern auch durch Stickstoffdioxid“ sind und die Umweltzonen sogar eine Senkung der Stickstoffdioxidemissionen verhindern“.
Die derzeit gültige Plakettenregelung der Umweltzonen führe sogar zu einem höheren Stickstoffdioxid (NO2) Ausstoß.
BOB: „Durch eine höhere Motortemperatur verringert sich zwar der Ausstoß von Feinstaub, indem der Kraftstoff besser verbrannt wird, jedoch verbrennt durch die höhere Motortemperatur auch mehr Stickstoff und damit erhöhen sich die Stickoxidwerte im Abgas. Es ist also ein antagonistischer Widerspruch, Feinstaub und Stickoxidwerte durch eine geschickte Motorsteuerung gleichzeitig reduzieren zu wollen“. Bezug nimmt das Wählerbündnis dabei auf ein Gutachten des Fraunhoferinstituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IV im Auftrag der IHK Ulm.
„Verkehrsverflüssigung“ soll Abgaswerte senken
Wie Dr. Grüner betont, habe das Frauenhofer Institut diese Aussage per E-Mail erneut bekräftig. Grüner: „Es macht keinen Sinn Fahrzeuge auszusperren, deren tatsächlicher Ausstoß unbekannt ist. Ebenso wird dort bestätigt, dass sich – anders als in Osnabrück praktiziert – eine Verkehrsverflüssigung nachweislich positiver auf alle Schadstoffe (inklusive CO2) auswirken.
Bemerkenswert findet BOB in den vorliegenden Unterlagen, dass ältere und teilweise sogar Euro5-Fahrzeuge nach aktuellem Stand sogar weniger emittieren als Neufahrzeuge mit Euro 6. Ebenso würde ein generelles 30 km/h – Tempolimit in der Stadt sehr viel mehr Schadstoffe verursachen, da die optimale Auslegung der Motoren bei 50 und 120 Kilometer pro Stunde anliegt.
BOB vergleicht Straßenverkehr mit Arbeitsplatz-Grenzwerten
Völlig unverständlicherweise, so BOB, würden Jahresdurchschnittsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40µg/m³ im Straßenverkehr als Grenzwert festgelegt, obwohl die Grenzwerte von Schadstoffen in Innenräumen weitaus großzügiger betrachtet werden und der Mensch sich zu 70-80 Prozent des Tages in Räumen aufhält. Höchst offiziell sind am deutschen Arbeitsplatz für Beschäftigte laut Bundesgesundheitsblatt 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Innenraumluft als „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ (MAK) erlaubt. Also gut 20 Mal so hoch wie für Stickstoffdioxid auf Straßen – und zwar acht Stunden täglich und 40 in der Woche. Darüber hinaus bewies eine groß angelegte Langzeitstudie durch das Health Effect Institute, Boston (HEI 2015) an Ratten durch Inhalation von Dieselabgasen eines EURO 5 Motors mit Partikelfilter, dass Auswirkungen auf die Lunge durch Partikel nicht nachweisbar waren. Leichte Reizungen der Atemwege traten erst bei einer NO2-Konzentration von etwa 8000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf. Sogar Stickstoffdioxidkonzentrationen von 2000 µg, die den Emissionen eines EURO 5 Dieselmotors entsprechen, hätten keine nachteiligen Wirkungen in den Lungen der Versuchstiere ausgelöst, so BOB.
Anmerkung der Redaktion: Beide Pressemitteilungen konnten nur gekürzt wiedergegeben werden. Wer den Wortlaut lesen will, findet die jeweiligen Erklärungen in voller Länge jeweils auf der Webseite der Osnabrücker Rathaus-Grünen und auf der Facebookpräsenz von BOB.