Am 7. Juli stellte das Landgericht Osnabrück seinen Jahresbericht für 2019 vor. Das Gericht kann einige Erfolge in der Kriminalitätsbekämpfung verzeichnen, klagt aber gleichzeitig über eine hohe Belastung.
Üblicherweise stellt das Landgericht Osnabrück schon im März seinen Bericht für das vergangene Jahr vor. 2020 sorgte das Coronavirus jedoch für eine Verschiebung auf Juli. 2019 war kein einfaches Jahr für das Gericht. Die Zahl der Verfahren ist immer weiter gestiegen und die zu bearbeitenden Fälle werden immer komplexer. 2019 hatte es das Gericht mit 4300 Zivilverfahren zu tun, 2015 waren es nur 3900 – also ein Anstieg um etwa zehn Prozent in fünf Jahren. Die Zahl der Anklagen im Strafrecht blieb dagegen mit etwa 150 Fällen im Jahr vergleichsweise konstant. Schwerwiegender als der Anstieg der Verfahren ist die gestiegene Komplexität vieler Fälle, Richter und Staatsanwälte müssen sich oft mit mehreren Angeklagten befassen und ausführliche Berichte schreiben. 2019 konnten Zivil- und Strafverfahren am Landgericht Osnabrück zügiger abgeschlossen werden als im Landes- und Bundesdurchschnitt. Im Zivilbereich gelang es sogar, trotz der Klagewelle aufgrund der sogenannten Abgasaffäre, mehr Verfahren abzuschließen als neu eingingen. Dennoch arbeitet das Gericht an seiner Belastungsgrenze: „Wir sind stolz auf diese Zahlen. Aber ohne zusätzliches Personal werden sie sich angesichts der 2019 erneut gestiegenen Eingangszahlen nicht auf Dauer halten lassen,“ sagt Dr. Thomas Veen, Präsident des Landgerichtes.
Durch eigenen Erfolg belastet
Ein wesentlicher Grund für die hohe Belastung ist der Erfolg der von Polizei und Staatsanwaltschaft eingerichteten “Zentralstelle zur Bekämpfung organisierter und Bandenmäßiger Wohnungseinbruchskriminalität und anderer besonderer Diebstahls- und Betrugstaten”. Der Zentralstelle sind im vergangenen Jahr einige spektakuläre Erfolge gelungen, mit der Zerschlagung eines Callcenters in der Türkei wurde beispielsweise wirksam gegen die Betrugsmasche der “falschen Polizisten” vorgegangen. Die Aufklärungsquote entsprechender Straftaten konnte deutlich erhöht werden. Die Gerichtsverfahren sind in solchen Fällen kompliziert. Es werden mehrere Täter gleichzeitig angeklagt, die oft aus anderen Bundesländern oder dem Ausland stammen. Auch die Opfer kommen meist nicht aus Osnabrück, sondern müssen teils aus Süddeutschland anreisen. „Die Zentralstelle ist in diesen Bereichen für den gesamten Raum Weser-Ems zuständig. In vielen Fällen ziehen wir sogar Taten aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen, um die Bandenstrukturen sichtbar machen zu können. Die Anklagen gehen dennoch oft zum Landgericht Osnabrück, solange im hiesigen Bezirk ein ausreichender rechtlicher Anknüpfungspunkt besteht. Es werden dann aber oft zehn, zwanzig oder mehr andere Taten mit verhandelt, die sich in anderen Regionen Deutschlands ereignet haben,“ sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck. Ab Herbst will die Osnabrücker Staatsanwaltschaft eine weitere Zentralstelle zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität einrichten, auch hier ist mit langen und komplexen Verfahren zu rechnen.
Apell für mehr Personal
Die Juristen des Landgerichts sind sich aufgrund der gestiegenen Belastung einig, dass eine deutliche Aufstockung des Personals und der Richter nötig sei, ideal wäre die Einrichtung einer neuen Kammer. „Damit Ermittlungserfolge dauerhaft Wirkung zeigen, müssen sie zügig in Anklagen münden und diese Anklagen müssen zügig verhandelt werden. Das setzt entsprechende Kapazitäten bei Gericht voraus.“, betont Bernard Südbeck. „Derzeit arbeiten die Kolleginnen und Kollegen im Strafbereich vielfach an der Belastungsgrenze. Nur so können die Verfahren, bei denen Angeklagte in Untersuchungshaft sind, innerhalb der gesetzlichen Fristen bewältigt werden. Das heißt aber auch, dass Nicht-Haftverfahren nicht immer so zügig bearbeitet werden können, wie wir uns das wünschen und die Öffentlichkeit es zurecht erwartet.“, so Dr. Thomas Veen. Dem stimmt die Vizepräsidentin des Landgerichts Annegret Quere-Degener zu: „Wir müssen sicherstellen, dass die Bearbeitung von Haftverfahren nicht auf Kosten der Arbeit in den anderen Bereichen des Gerichts geht. Das wird in Zukunft nur mit zusätzlichem Personal zu schaffen sein.“