Neues vom Neumarkt, dem Osnabrücker Problemplatz. Nach inzwischen bestätigten Informationen aus der Verwaltung, ist am 31. Juli eine wichtige Frist für das „Baulos 2“ genannte Neubauprojekt am Neumarkt abgelaufen.
Stadtverwaltung und Bauherr könnten diese Kaufhaus-Pläne am Neumarkt nun platzen lassen.
Das Baulos 2 genannte Projekt ist das zweite Großprojekt am Osnabrücker Neumarkt.
Hier, auf einem relativ kompakten Grundstück direkt vor dem H&M-Gebäude, das früher der Stammsitz des einstigen Textilunternehmens seiner Familie war, will der Hamburger Immobilienkaufmann Dr. Theodor Bergmann ein neues Kaufhausgebäude bauen.
Frank Otte setzte sich für unterirdische Pläne des Dr. Bergmann ein
Nachdem bereits im Herbst vergangenen Jahres eine Baugenehmigung gestellt worden war, geriet das Projekt offenbar dadurch ins Stocken, dass sich der Bauherr über das per Kaufvertrag vereinbarte Grundstück hinaus ausdehnen wollte – allerdings nur unterirdisch. In einem unter den Bereich der „öffentlichen Verkehrsfläche“ reichenden Kellerbereich, will der Investor Funktionsbereiche, zum Beispiel eine Trafostation, unterbringen. Dadurch soll überirdisch mehr „Nutzfläche“ geschaffen werden, die für die Vermietung genutzt werden kann. So jedenfalls drang es im März durch eine Indiskretion aus dem nicht-öffentlichen Teil einer Ratssitzung.
Als Fürsprecher für die Pläne des aus Osnabrück stammenden Immobilienkaufmanns agierte gegenüber der Politik der grüne Stadtbaurat Frank Otte, dem es gegen eindringliche Warnung des Osnabrücker Oberbürgermeisters Wolfgang Griesert gelang, die vorläufige Zustimmung einer Ratsmehrheit zu den Keller-Plänen zu bekommen.
Verwaltungsfachleute in Opposition zu Frank Otte
Doch die Macht des Frank Otte scheint selbst im eigenen Hause recht begrenzt zu sein. Nur etwas mehr als einen Monat später, in einer Sitzung Anfang Mai, wurden die Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (StUA) mit einem „Sachstand“ konfrontiert, der die zuvor vom Stadtbaurat protegierten Pläne deutlich ablehnt.
In dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es konkret: „Die Verwaltung spricht sich nachdrücklich gegen die Errichtung einer Trafostation für den Projektbereich 2 im öffentlichen Raum aus“.
Präsentiert wurde das unangenehme Papier, das eine so ganz andere Verwaltungsmeinung als die des Stadtbaurats belegt, von Holger Clodius, der kurz darauf aus der Osnabrücker Stadtverwaltung nach Melle wechselte.
Verwaltung will keine Ausnahme für Dr. Bergmann
Die Begründung der Ablehnung ist schlüssig, auch für den Nicht-Architekten: „Sollten dem Vorhabenträger [gemeint ist Dr. Bergmann, die Redaktion] weitgehende Zugeständnisse […] gemacht werden, müssten anderen Vorhabenträgern – dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgend – ebenfalls öffentliche Flächen […] zur Verfügung gestellt werden.
Bauantrag unvollständig bei Statik, Brandschutz, Einstellplätzen etc.
Die Mitglieder des Planungsausschusses bekamen aber noch mehr interessante Informationen vom scheidenden leitenden Mitarbeiter des Stadtbaurats.
So soll der im November eingereichte Bauantrag gleich mehrfach wichtige Fragen offen lassen und sei daher auch nicht genehmigungsfähig. Unter anderem werden Unvollständigkeit und ungeklärte baurechtliche Fragestellungen nicht nur bei den Unterbaurechten (siehe oben), sondern auch beim Brandschutz, der Statik oder den PKW-Einstellplätzen bemängelt. Bis dato (Stand Anfang Mai) seien keine aktualisierten Bauvorlagen bei der Behörde eingegangen und es könne auch keine Aussage getroffen werden, wann mit einer Baugenehmigung zu rechnen sei – auch sei der Kaufpreis für das Baugrundstück noch nicht gezahlt worden.
Vorsorglich oder auch schon mit weiser Voraussicht, erinnerte der Verfasser des Sachstandsberichts die Lokalpolitiker daran, dass wenn die Baugenehmigung zum 31. Juli nicht vorliegen würde, beide Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht hätten.
Die Sommermonate vergingen… es passierte nichts!
Wie aus einer weiteren aktuellen Mitteilung der Verwaltung zu entnehmen ist, passierte während der zwischenzeitlich vergangenen Sommermonate nichts – auch dieses Dokument liegt unserer Redaktion vor.
Auf Nachfrage bestätigte der städtische Pressesprecher Dr. Sven Jürgensen, dass ein Bauantrag für das Gebäude am Neumarkt vorliegen würde. Wann denn eine Baugenehmigung erteilt werden würde, ob der Kaufpreis bereits eingegangen sei oder die Stadt von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen werde, wollte der städtische Sprecher allerdings nicht sagen.
Nach den dieser Redaktion vorliegenden Informationen, wird der Stadtrat in der Ratssitzung am 5. September – nicht öffentlich – über den Stillstand am Neumarkt offiziell informiert werden.
Ob dann auch schon über den Rücktritt vom Kaufvertrag entschieden wird, ist derzeit Gegenstand von Absprachen zwischen Fraktionen und Verwaltung, die sich nach dem Dauer-Tiefschlaf des Einkaufscenter-Investors Unibail-Rodamco nun mit einer erneuten Verzögerung ihrer Neumarkt-Pläne konfrontiert sehen.
Wird es einen „Nachtrag zum Kaufvertrag“ geben?
Wir haben auch den Bauherrn Dr. Bergmann um eine Stellungnahme zum Status des Projekts „Baulos 2“ gebeten. Im Auftrag antwortete sein Assistent Hendrik Meier:
Der Bauantrag ist fristgerecht per 30.11.2016 gestellt worden. Für die Erteilung der Baugenehmigung sind weitere Unterlagen im Verlaufe des Prüfungsprozesses erforderlich geworden. Diese Unterlagen sind in der Bearbeitung. Auf Grundlage der vom Rat der Stadt Osnabrück beschlossenen und vertraglich noch zu gewährenden Unterbaurechte ist ein Nachtrag zum Kaufvertrag abzuschließen der im Entwurf vorliegt und in den nächsten Wochen von der Stadt Osnabrück und uns unterschrieben werden wird. Der Vertragsstand wird damit dem Planungsstand angepasst. Mit Abschluss dieses Nachtrages werden auch alle weiteren Unterlagen beigebracht, die städtischerseits gefordert werden. Das ist ein absolut üblicher Prozess.
Der Kaufpreis ist nach den der Kaufpreisforderung der Stadt zu Grunde liegenden Bedingungen noch nicht fällig.
Ergänzend teilen wir mit, dass entgegen Ihrer vorangegangenen Darstellungen die vom Rat bereits beschlossenen Unterbaurechte nur das Baulos 2 betreffen und nicht den weiteren öffentlichen Raum und größenmäßig auch nur den bereits mit Vertragsabschluss gewährten Überbaurechten entsprechen*.
Bergmann hält an Plänen fest und glaubt nicht an Rücktritt der Stadt
Auf die Frage, ob der Bauherr von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen wolle, das für den Fall einer bis zum 31.07.2017 nicht vorliegenden Baugenehmigung vertraglich vereinbart wurde, bekamen wir ein klares „Nein“. Ebenso wird von Seiten des Dr. Bergmann auch kein Rücktritt der Stadt von den Plänen erwartet.
Noch keine Neuvermietung der Sportarena in Sicht
Zu den Immobilien des Dr. Bergmann gehört auch das ehemalige Textilhaus „Thomas“, in dem bislang die Kaufhof-Tochter „Sportarena“ untergebracht ist. Durch die Recherchen der HASEPOST wurde im Mai bekannt, dass dieser Mieter nach dem Jahreswechsel ausziehen wird. Inzwischen wackelt sogar die Existenz der benachbarten Galeria Kaufhof und SinnLeffers, in Osnabrück in der Johannisstraße, konnte sich erst kürzlich aus der Insolvenz retten und will sich verstärkt dem Onlinehandel widmen. Kaufhaus-Immobilien sind derzeit nicht unbedingt gefragt.
Gegenüber den Kollegen der NOZ erklärte Dr. Bergmann – wenige Stunden nach Veröffentlichung des Sportarena-Auszugs durch die HASEPOST – seine Absicht binnen „vier Wochen einen neuen Mietvertrag unter Dach und Fach bringen zu können“.
Ein aktualisiertes Statement gegenüber unserer Redaktion klingt da schon deutlich distanzierter:
Nachdem alle wesentlichen politischen Entscheidungen zum Thema Neumarkt (öffentlicher Raum) gefallen sind, haben wir eine große Nachfrage nach den neu geplanten Flächen und verhandeln mit mehreren Mietern. Erst nach dem mit der Stadt vertraglich vereinbarten Fassadenwettbewerb werden die Flächen auf Grundlage des Ergebnisses des Fassadenwettbewerbs vermietet und entsprechende Verträge abgeschlossen.
* Hierzu stellen wir fest, dass unserer Redaktion von Seiten eines führenden Verwaltungsmitarbeiters die Unterbauung, unter öffentlichen Raum und über die vereinbarten oberirdischen Grundstücksgrenzen, anders erläutert wurde.
U.a. geht die Stadtverwaltung aktuell davon aus, dass außerhalb der vereinbarten Grundstücksgrenzen ein separater Zugang und ein Lüftungsbauwerk errichtet werden muss.
Weiterlesen: Kommentar vom März 2017 zu Otte (Verwaltung) und Bergmann (Geld)
Titelbild: Screenshot von www.neumarkt-os.de