Fast ein halbes Jahr ist vergangen, seit die Osnabrücker in einer nicht ganz unumstrittenen und rechtlich nicht bindenden Befragung zur Entlastungsstraße West abstimmen durften – passiert ist seitdem scheinbar nichts!
Die Anlieger von Gluckstraße, Händelstraße, Teilen des Lieneschweges und der Mozartstraße fragen sich wie es weitergehen soll. Zwei großformatige Banner entlang der Gluckstraße fordern: “Lieber Rat – wo bleibt Plan B?”
Das Ergebnis der Bürgerbefragung ist bekanntlich sehr knapp gegen den Bau der Westumgehung ausgefallen – die Ratsfraktion der Grünen bezeichnete es kurz darauf in einer Pressemitteilung als „Sieg der Demokratie“.
Wenn seit fast einem halben Jahr nichts passiert ist, kann das wohl nur bedeuten, dass sowohl die Verwaltung als auch den beiden großen Fraktionen von CDU und SPD, die beide die Entlastungsstraße befürworteten, keinen Plan B vorbereitet hatten und auch in den vergangenen Monaten nicht an einem solchen Plan gearbeitet haben?
Dabei wären die nächsten Schritte – gleich nach dem Votum gegen die Westumgehung – naheliegend gewesen. In vielen anderen Tempo-30-Zonen sorgen Aufpflasterungen und künstliche Fahrbahnverengungen für ein gedrosseltes Tempo des Durchgangsverkehrs.
Doch in den betroffenen Straßen am Westerberg wird weiter gefahren wie bisher – oft viel zu schnell, nur gelegentlich und auf einem kurzen Stück gebremst durch die zeitweise Anwesenheit des städtischen Blitzer-Autos.
Auch hier sind wieder die Grünen zu zitieren, die mit ihrer strikten Haltung innerhalb der Zählgemeinschaft mit der SPD die Bürgerbefragung erzwungen hatten. Vor der Bürgerbefragung forderten sie als Alternative zur Westumgehung „Verkehrsberuhigung, Sperrungen für den Durchgangsverkehr und Einbahnstraßen“. Diese Forderungen sind nun verklungen und scheinen vergessen zu sein.
Anwohner der Gluckstraße, die sich im Vorfeld der Bürgerbefragung für die Entlastungsstraße West engagierten, berichteten HASEPOST nun von einem wahren „Kulturkampf“, der sich seit Mai in ihrer Wohngegend abspielt.
Die Gegner der Westumgehung scheinen ihre Abneigung gegen die Befürworter auch über die Bürgerbefragung hinaus konserviert zu haben. Es soll, so berichten Anwohner, regelmäßig zu nächtlichen Hupkonzerten vor den Häusern von bekannten Entlastungsstraßen-Befürwortern kommen. „Lärm-Terror“ nennen das die Betroffenen, die auch von heulenden Motoren berichten, die offensichtlich das Ziel haben die Anwohner der Gluckstraße zu treffen.
Wie bereits kurz vor der Bürgerbefragung im Mai, wurde auch im Sommer der Webserver des Aktionsbündnisses Verkehrsentlastung Innenstadt Osnabrück (AVIO) von Unbekannten gehackt. Durch dabei versteckt installierte Malware nahm Google die Website für etwa 14 Tage aus dem Index, so dass sie faktisch nicht mehr aufzufinden war. Erstaunlich dabei: bei den weiterhin andauernden Hack-Versuchen werden die Namen von bekannten Befürwortern der Entlastungsstraße als Nutzername und Passwort probiert, so der Webmaster der AVIO.
Bisheriger Höhepunkt des Unfriedens am Westerberg ist nun ein vollständig zerkratztes Auto eines der Anwohner. Der Fahrzeughalter, der nicht genannt werden möchte, trat auch öffentlich für die Entlastungsstraße ein. Im rechtlich erlaubten Rahmen parkt er gelegentlich sein Auto am Straßenrand, um so ein wenig den Charakter der eigentlich temporeduzierten Straße zu unterstützen – bauliche Maßnahmen (bis auf ein Hinweisschild für Tempo 30) fehlen bekanntlich. In der Nacht zu Samstag wurde das Auto nun rundherum zerkratzt, so dass ein wirtschaftlicher Totalschaden entstand. Auch das Auto eines anderen Befürworters der Entlastungsstraße soll entsprechend demoliert worden sein. Die Betroffenen glauben nicht, dass ihre Autos nur zufällig Opfer von Vandalen wurden – die Polizei ermittelt.
Am Donnerstag tagt der Stadtentwicklungsausschuss – ein Thema wird die notwendige Erschließung des Wissenschaftsparks über die Natruper Straße sein. Die Entlastung der „heimlichen Westumgehung“, die eigentlich mit dieser Erschließung hätte verbunden sein sollen, ist auch diese Woche kein Thema auf der Tagesordnung. Offensichtlich ein klares Signal an die Anwohner: es wird keinen Plan B geben!
Stattdessen schwelt der Kulturkampf zwischen ehemaligen Gegnern und Befürwortern auch Monate über die Bürgerbefragung hinaus.
Den Begriff „Kulturkampf“, in Bezug auf den Osnabrücker Stadtverkehr, führte übrigens Volker Bajus von den Grünen ein, allerdings im Zusammenhang mit der Verabschiedung einer Nahverkehrsstudie. Angesichts der Eskalation, die nicht zuletzt durch die strikte Blockade der Grünen gegen die Mehrheit im Stadtrat und innerhalb der Regenbogen-Koalition entstanden ist, passt dieser Begriff inzwischen aber wohl besser an den Westerberg. Wie lange werden die Anwohner noch auf einen Plan B warten müssen?
Für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, die in der Nacht zu Samstag das Auto in der Gluckstraße zerkratzt haben, hat der Fahrzeugeigentümer eine Belohnung in Höhe von 500 Euro ausgelobt. Wir leiten entsprechende Hinweise (bitte per PN) vertraulich weiter.