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Eine halbe Milliarde Euro – Osnabrücker Stadtrat spricht sich zum Doppelhaushalt aus

Traditionell steht die Aussprache zum Haushalt am Ende eines langen Sitzungsmarathons, der auch in diesem Jahr nicht ohne Streit geblieben ist. So wurden die nicht an eine Fraktion gebundenen Mitglieder des Stadtrats von einer entscheidenden Sitzung ausgeladen (HASEPOST berichtete). Bevor der Haushalt endlich verabschiedet werden kann, sieht die politische Agenda eine Aussprache vor.

Wer nun erwartete, dass bei der heute erfolgten Aussprache erneut kritische Stimmen zu hören sind, der wurde zwar nicht enttäuscht, es dominierte aber der Konsens – und natürlich das Thema der Finanzierung des Theaters.
Aus den grundsätzlich gehaltenen Reden der Fraktionsvorsitzenden und einzelnen Ratsmitglieder sprach – abnehmend mit der Größe der Fraktion – vor allem die Freude zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen zu sein.

Fraktionsvorsitzende der großen Parteien nur mäßig kritisch

Das Fritz Brickwedde, als erster Redner, für die CDU vor allem die Erfolge beim Wohnungsbau in den Vordergrund stellte, Frank Henning für die SPD nicht ohne Kritik an der Politik der Bundesregierung auskam und Michael Hagedorn für die Grünen die Bedeutung des Nahverkehrs gegenüber dem Individualverkehr betonte, verwundert nicht. Grundsätzlich zeigten sich die drei Vertreter der großen Parteien erfreut über den heute anstehenden Abschluss der Haushaltsberatungen.
Erst bei der Rede von Ralf ter Veer, der für die Piraten in einer gemeinsamen Fraktion mit der UWG ist, kamen wirklich kritische Vorschläge an den Tag, die aber ganz offensichtlich (noch) nicht reif für die ernsthafte Diskussion der großen Fraktionen waren. Von ter Veer angeführte Vorschläge wie die Umwandlung des Theaters in ein Gastspielhaus (HASEPOST berichtete) oder eine weitere Digitalisierung der Verwaltung, sind wohl zu weit vom Tagesgeschäft der anderen Lokalpolitiker. So schloss der Pirat auch mit der Einsicht, dass seine kleine Fraktion die herrschende Realität zwar in Frage stellen und Diskussionen anstossen kann, die Bevölkerung aber wohl erst in ein paar Jahren so weit sein dürfte.
Im weiteren Reigen der Kleinfraktionen wurde von Thomas Thiele ein ganz anderer Ton angestimmt. Der FDP-Politiker kritiserte konkret Finanzvorstand Thomas Fillep, der es in seiner Amtszeit bislang nicht geschafft hat eine einst versprochene „schwarze Null“ zu liefern. Deutliches Mißfallen aus allen Fraktionen löste Thieles Erwähnung der privaten Lebensumstände des Finanzvorstandes aus: Der FDP-Chef warf dem Kämmerer vor seinen persönlichen Lebensmittelpunkt immer noch zu sehr in Berlin zu haben, wo seine Lebensgefährtin wohnt. Auch die grundsätzliche Entscheidung der Ratsmitglieder, ausnahmsweise einen Doppelhaushalt für die Jahre 2016 und 2017 zu verabschieden, kritisierte Thomas Thiele scharf. Seiner Ansicht nach nimmt der jetzige Rat damit den nachfolgenden Ratsmitgliedern das Heft des Handelns aus der Hand.
Der Rat der Stadt hatte sich mehrheitlich für einen Doppelhaushalt entschieden, um den Haushalt 2017 nicht in direktem Anschluss an die Kommunalwahl am 11. September 2016 verhandeln zu müssen.

Stadtrat Ratssitzungssaal Osnabrück

Vor allem das Theater sorgte für Theater im Ratssitzungssaal

Nach den grundsätzlichen Beiträgen der Fraktionsvorsitzenden meldeten sich Giesela Brandes-Steggewentz (Linke) und verschiedene einzelne Mitglieder aus den Fraktionen zu Wort. Der Reigen der weiteren Wortbeiträge reichte von grundsätzlicher Kritik am Arbeitlosengeld 2 (Brandes-Steggewentz/Linke) über die Klimakonferenz in Paris (Volker Bajus/Grüne) bis hin zu einer neuerlichen Debatte um die Einführung einer dritten Gesamtschule und den Renovierungsbedarf in zahlreichen Schulen (Irene Thiel/CDU). Selbstverständlich wurde auch die Flüchtlingsproblematik nicht ausgespart (Christel Wachtel/SPD).
Jens Meier freute sich für die Grünen, dass diese Haushaltsberatungen nicht zum Einsammeln von Kleinstbeträgen geführt haben – was wohl am Volumen des erwarteten Defizits liegt. Meier kann die CDU nicht verstehen, die scheinbar die Attraktivität an der Erreichbarkeit der Innenstadt messe. Seiner Ansicht nach gelten in weltweiten Rankings vor allem die Städte als lebenswert, die an alternativen Verkehrskonzepten arbeiten. Auch der Lokalpolitiker der Grünen kam in seiner Rede zum Haushalt in Osnabrück nicht umhin um einen Bogen zur Klimakonferenz in Paris zu ziehen.
Brigitte Neumann redete sich in Rage gegen die Vorschläge von UWG und Piraten das Theater zum Gastspielhaus umzubauen. Erst heftiger Zwischenbeifall aus allen Fraktionen, mit dem Ziel den monothematischen Vortrag endlich zu unterbrechen, stoppte den Redefluss der sich immer mehr – ohne Punkt und Komma – für das Stadttheater begeisternden CDU-Politikerin.
Jens Martin nutzte die Gelegenheit um mit den bildungspolitischen Forderungen der Union abzurechnen. Michael Florysiak (fraktionslos) wagte einen Vorstoß zum Theater, nicht ohne sich bereits vorab bei Brigitte Neumann für seinen folgenden Vorschlag zu entschuldigen. Der ehemalige Grüne regte an das Orchester des Theaters mit einem weiteren Orchester aus einer anderen Stadt, zum Beispiel Münster, zusammenzulegen. So könnte bei gleichzeitigen Einsparungen in Millionenhöhe die Qualität des dann gemeinsamen Orchesters zu einem „A-Orchester“ verbessert werden.
Franz-Josef Schwack beklagte für die CDU, dass die Kommunen für die Flüchtlingsunterbringung in Vorleistung treten müssen. Christopher Cheeseman meint, die Ratsmitglieder würden wie das Kaninchen auf die Schlange starren, wenn es um die Schulden der Stadt gehe.
UWG-Ratsmitglied Wulf-Siegmar Mierke kritisierte den Ausschluss der Bevölkerung von den Beratungen für den Haushalt. Die Annahmen zu Zinsniveau, Ausgaben und Einnahmen im Haushalt hält der UWG-Politiker für zu optimistisch. Der Vorrednerin Neumann dankte Mierke für ihren ungebremsten Redefluss, damit habe sie die Aufmerksamkeit auf einen Vorschlag (Umbau des Theaters zum Gastspielhaus) gerichtet, der zukunftsgerichtet sei, so Mierke.
Als letzte Rednerin aus dem Kreis des Stadtrats kam auch Karin Jabs-Kiesler (SPD) nicht umhin sich vehement für das Theater einzusetzen. Dem Vorschlag von Michael Florysiak, das Osnabrücker Theater, oder Teile davon, mit einem anderen Haus zusammenzulegen, und dem vielfach kritisierten Vorschlag von UWG und Piraten hielt sie entgegen, dass diese Ratsmitglieder sich wohl nicht genügend kundig gemacht hätten über das Engagement der Kulturschaffenden und sie sollten endlich aufhören die Kultur schlecht zu reden. Ihren Vortrag beendete sie mit einem herzhaften „so!“, was für Gelächter sorgte.

Oberbürgermeister Wolfgang Griesert erklärte in seiner abschließenden Stellungnahme, dass bei einem Volumen von rund einer halben Milliarde der Haushalt immerhin zu 99% ausgeglichen ist.
Es seien Sondereffekte, so der Oberbürgermeister, die den Haushalt des vergangenen Jahres belastet haben. Die Botschaft des Doppelhaushalts, so sieht es der Oberbürgermeister, lautet: „Wir sind handlungfähig.“
Auch auf die Historie und verpasste Chancen ging der Oberbürgermeister ein. Hätte Osnabrück in den 70er Jahren mehr eingemeindet, so wie zum Beispiel Münster, würde Osnabrück finanziell deutlich besser dastehen und hätte mehr als 100.000 Einwohner mehr.

Über einige herausragende Punkte des Doppelhaushalts 2016/2017 werden wir am Donnerstag gesondert berichten.


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