Die Wohnungssuche in einer Stadt kann sich zu einer Herausforderung entwickeln. In Osnabrück ist das nicht anders, wie HASEPOST-Redaktionsleiter Dominik Lapp jetzt in einem Selbstversuch erfahren musste. Dazu hat er seine wahre Identität verschleiert und sich als Erstsemester-Studentin ausgegeben, die auf der Suche nach einem Zimmer in der Friedensstadt ist.
Ein Erfahrungsbericht von Dominik Lapp
Am Anfang steht die Frage im Raum, wie wir den Selbstversuch angehen sollen. Vielleicht unsere Praktikantin als Lockvogel einsetzen? Auf keinen Fall. Also schlüpfe ich selbst in die Rolle der zimmersuchenden Studentin. Aus dem 39-jährigen Journalisten wird – zumindest virtuell – die Studentin Tamara, 20 Jahre jung, neu in Osnabrück und im ersten Semester studierend. Ich veröffentliche auf der Plattform „kleinanzeigen“ ein Gesuch mit den üblichen Kriterien für jemanden im Studium: eine kleine 1-Zimmer-Wohnung oder ein Zimmer, maximal 350 Euro kalt. Nichts Luxuriöses, ein Bett, Schreibtisch und Schrank sollen hineinpassen.
26 Angebote in wenigen Tagen – darunter zwölf unseriöse
Ich warte ab. Es dauert nur wenige Tage, bis ich insgesamt 26 Angebote erhalte, von denen mir zwölf fragwürdig erscheinen. Die seriösen von den unseriösen Zuschriften zu unterscheiden, fällt mir nicht schwer. Die seriösen sind meistens perfekt formuliert und sehr ausführlich, lesen sich zum Teil wie das Exposé eines Immobilienmaklers. Nach der Grußformel folgt ein vollständiger Name, meistens mit der Angabe weiterer Kontaktmöglichkeiten außerhalb der Plattform. Ich antworte direkt, bedanke mich und schreibe, dass ich bereits fündig geworden bin. Ich möchte schließlich keine ernsthaft interessierten Vermieterinnen und Vermieter verärgern, die ihr Zimmer oder ihre Wohnung längst an eine Person hätten vermieten können, die wirklich auf der Suche ist.
„Woher kommst du, Hübsche?“
Bei den aus meiner Sicht unseriösen Angeboten ist es anders, sie gehen deutlich über das normale Maß hinaus. „Hallo, suchen Sie ein Zimmer?“ Das fragt mich ein Mann und geht im zweiten Satz direkt zum Du über: „Du kannst kostenlos mit mir im selben Zimmer wohnen.“ Okay. Ich suche eine 1-Zimmer-Wohnung oder ein eigenes Zimmer in einer WG. Ich möchte aber nicht mit einer fremden Person in deren Zimmer wohnen. Vor allem: kostenlos? Die Alarmglocken schrillen. Ich muss mich schließlich in eine 20-jährige Frau hineinversetzen und lehne ab.
Ich schaue in die nächste Zuschrift. „Woher kommst du, Hübsche?“ Nun ja, das habe ich in meiner Anzeige ja geschrieben, woher ich komme. Der Mann, der nach meiner Herkunft fragt, schreibt mir, dass er nichts zu vermieten hat. Aber vielleicht ein Kumpel. Er muss ihn fragen und schlägt ein Treffen vor. Dann könnte er seinen Kumpel mitbringen. Die Alarmglocken schrillen ein zweites Mal. Warum sollte sich eine 20-jährige Frau mit zwei wildfremden Männern treffen, um dann zu klären, ob einer von beiden eventuell etwas zu vermieten hat? Ich lehne ab.
Flirtversuche und ein Bett für zwei
Zehn weitere Angebote dieser Art wollen gelesen werden. Alle Nachrichten sind offensichtlich von Männern verfasst worden. Einer fragt, ob er mir einen Amazon-Gutschein schicken darf. Und dann? Soll ich damit die Miete meiner zukünftigen Unterkunft bezahlen? Ich antworte nicht. Neben diversen Flirtversuchen gibt es noch allerlei unseriöse Angebote. Jemand bietet mir an, zu ihm in eine Gemeinschaftsunterkunft zu ziehen. Ein weiterer Mann macht mir das Angebot, kostenlos in seinem Zimmer zu wohnen. Ein zweites Bett würde zwar nicht hineinpassen, aber in seinem wäre ausreichend Platz für uns beide. Ich wundere mich, wie plump und unverhohlen mir solche Vorschläge unterbreitet werden. Und zwar direkt in der ersten Nachricht, nicht erst im weiteren Verlauf einer entsprechenden Konversation.
Eine ungelesene Nachricht ist noch in meinem Postfach, die zunächst seriös klingt. Ein Mann schreibt mir, dass er sich vor ein paar Monaten von seiner Freundin getrennt hat und sie aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, die für ihn allein jetzt viel zu groß ist. Deshalb spielt er mit dem Gedanken, eine zweite Person einziehen zu lassen, mit der er sich die Miete teilen kann. 500 Euro kalt pro Nase. Ich schreibe ihm, dass das leider über meinem Budget liegt. „Wir werden uns schon irgendwie einigen“, schreibt er zurück. „Und wie? Soll ich mich ums Putzen in der künftigen 2er WG kümmern?“, möchte ich von ihm wissen. „Putzen brauchst du nicht, einmal in der Woche Woche kommt die Putzfrau“, antwortet der Mann und schreibt weiter: „Ich könnte mir vorstellen, auf deinen Mietanteil zu verzichten, wenn du besonders nett zu mir bist. Zwinker.“ Danke, ich bin bedient.
Was sagt der Plattformbetreiber?
In einem nächsten Schritt kontaktiere ich die Presseabteilung der Plattform „kleinanzeigen“, die mir sehr zügig antwortet. Dass es immer mal wieder unseriöse Angebote gibt, ist dort bekannt. Mit verschiedenen Maßnahmen versucht man gegenzusteuern. Meistens nutzen Betrüger die angespannte Lage auf den Wohnungsmärkten aus, um mit fingierten Immobilienanzeigen Opfer zu finden, die Vorauszahlungen für ein angebliches Besichtigungsrecht oder als Anzahlung für eine Kaution tätigen sollen. „Ein weiteres Phänomen sind sittenwidrige Angebote, bei denen Täter vortäuschen, gegen sexuelle Gefälligkeiten Wohnungen oder einzelne Räume zur kostenlosen oder vergünstigten Nutzung zu überlassen“, schreibt der Unternehmenssprecher.
Um solche Angebote zu erkennen, werden unter anderem Filter und Systeme für auffälliges Nutzerverhalten eingesetzt. „Die stärkste und zugleich häufigste Maßnahme ist eine Sperrung des Nutzerkontos“, so der Sprecher. Daneben würden unseriöse Angebote sowie Nachrichteninhalte durch Nutzerinnen und Nutzer manuell gemeldet. „Zusätzlich zur Löschung schicken wir dann auch einen Warnhinweis an alle, die bereits mit dem gemeldeten Nutzer in Kontakt standen.“
Wachsam sein und gegebenenfalls Anzeige erstatten
Der Plattformbetreiber rät Wohnungssuchenden, auf den eigenen Instinkt zu vertrauen und niemals vorab Zahlungen leisten. Entsprechende Forderungen seien unseriös und teilweise sogar unrechtmäßig. Auch sollte man keine Ausweisdokumente fotografieren und versenden und nicht auf die Validität zugeschickter Dokumente vertrauen. „Diese könnten gefälscht sein oder schlicht nicht die Person zeigen, mit der man gerade in Kontakt steht“, rät der Betreiber. Im Falle von sexueller Belästigung, egal ob in schriftlicher Form oder im persönlichen Kontakt bei einer Wohnungsbesichtigung, sollte immer Anzeige bei der Polizei erstattet werden.