Arbeitsmarktexperte Thorsten Schulten prognostiziert eine Zunahme der Streiktage in der laufenden Tarifrunde. Er macht die hohe Inflation und den damit einhergehenden Reallohnverlust dafür verantwortlich und sieht auch den Fachkräftemangel als möglichen Faktor.
Zunehmende Streikbereitschaft
Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) erwartet eine Zunahme der Streiktage in der laufenden Tarifrunde. „In der Tendenz lässt sich sagen, dass wir in den letzten Jahren vor allem eine Zunahme bei der Beteiligung der Beschäftigten sehen“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Er glaubt, dass diese Entwicklung sich auch in den Zahlen für 2023 und 2024 zeigen wird.
Hohe Inflation und Reallohnverlust als Ursachen
Die höhere Streikbereitschaft der Arbeitnehmer führt Schulten unter anderem auf die hohe Inflation und den damit einhergehenden Reallohnverlust zurück. „Die Verteilungskonflikte sind zurzeit einfach härter“, sagte der Politikwissenschaftler. Des Weiteren betonte er, dass die Gewerkschaften dieses Jahr versuchen werden, wieder Steigerungen der Kaufkraft ihrer Mitglieder auszuhandeln und daher deutliche Gehaltserhöhungen fordern werden. „Es geht um die Frage: ‚Wer trägt die Kosten der Krise – Arbeitnehmer oder Arbeitgeber?'“, so Schulten. Darüber hinaus sieht er im Fachkräftemangel einen weiteren Faktor für die höhere Streikbereitschaft.
Gefühlte Zunahme von Streiks
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder, Professor an der Universität Kassel, sprach von einer gefühlten Zunahme von Streiks. Dies begründet er mit einem Strukturwandel: „Früher haben vor allem Beschäftigte der Industrie gestreikt, inzwischen erleben wir Streiks vor allem in der kritischen Infrastruktur – bei der Bahn, an Flughäfen und Krankenhäusern“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Hier sei die Aufmerksamkeit und die direkte Betroffenheit der am Tarifkampf unbeteiligten Nutzer und Kunden besonders groß.
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