Angesichts der Jonscher-Insolvenz, und der sich daraus ergebenden kritischen Situation am Immobilienmarkt, haben wir die Parteien, die im Stadtrat als Befürworter des Einkaufszentrums am Neumarkt agieren, um eine Stellungnahme gebeten (genauer Wortlaut der Anfrage siehe unten).
Der von I-love-OS verwendete Begriff “Mega-Center” ist nach Ansicht von Heiko Schulze (SPD-Fraktionsgeschäftsführer), der uns als erster Parteienvertreter geantwortet hat, übrigens ein “Kampfbegriff der CDU”.
Die Stellungnahme im Wortlaut:
- Die Insolvenz der Osnabrücker Traditionsbuchhandlung Jonscher ist zweifellos sehr tragisch, dürfte sich aber bei nüchterner Betrachtung nicht auf das zukünftige Einkaufscenter zurückführen lassen.
- Das Einkaufszentrum wird erstmals seit Jahrzehnten eine Art Bindeglied zwischen den Einzelhandelsstandorten der Alt- und Neustadt darstellen, was wir als ungemein wichtig empfinden und überdies eine hohe Anzahl zusätzlicher Innenstadtbesucher anziehen. Weitere Punkte unserer Argumentation haben Sie sicherlich bereits unseren bisherigen (auch im Internet nachlesbaren) Stellungnahmen entnommen.
- Die Standorte um Dom, Rathaus oder Altstadt werden, da sind wir optimistisch, allein aufgrund ihres stadthistorischen Stellenwerts und der dort erlebbaren speziellen Angebote ihre Attraktivität erhalten. Nicht umsonst wächst seit langem der Innenstadt-Tourismus, von dem unsere alte Stadt in hervorragender Weise profitiert.
- Gleichwohl blenden wir im Rahmen unseres intensiv vorgenommenen Abwägungsprozesses keineswegs aus, dass einzelne Einzelhandelsstandorte aufgrund des neuen Zentrums Probleme bekommen können. Sie nennen dazu berechtigterweise auch Beispiele. Wir sind angesichts des vielfältigen Angebots aber andererseits optimistisch, dass für sehr viele Akteure belegbare Chancen gegeben sind, sich weiter erfolgreich zu positionieren, zumal die Aufenthaltsqualität in der gesamten Innenstadt – insgesamt betrachtet – eher wächst als geschmälert wird.
- Der von Ihnen als „volkstümlich“ aufgeführte Begriff „Mega-Center“ war übrigens ein Kampfbegriff der CDU im Rahmen des Kommunalwahlkampfes, der allein schon deshalb jeder Grundlage entbehrte, weil bereits ein einzelner bestehender Anbieter ähnliche Verkaufsflächen aufweist und niemals auf eine solche Weise tituliert wurde. Es war bezeichnend, dass die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Osnabrück im Rahmen der Entscheidungsfindung zum Einkaufszentrum gänzlich isoliert blieb.
Die an die SPD (und die anderen Befürworter-Parteien) gestellte Frage lautete übrigens:
Sollten nicht erst diese (am Domhof leerstehenden) Flächen vermarktet und dazu noch die Auswirkungen des Neubaus auf der Woolworth-Fläche abgewartet werden, bevor das “Projekt” am Neumarkt in Angriff genommen wird, das auch nach Ansicht von Immobilienspezialisten zu einer “sehr kritischen” Situation der Innenstadt führen kann?
Auch wenn die eigentliche Frage nur schwer in der Stellungnahme wiederzufinden ist, sind dort ein paar interessante Aspekte enthalten, wie ich finde.
Das Osnabrück seine – übrigens seit dem Mittelalter bestehende – Teilung zwischen Neu- und Altstadt überwinden sollte, ist in der Tat ein frommer Wunsch, dem man sich nur anschliessen kann. In Punkt 2. sollte es aber wohl eher “Jahrhunderte” heissen, denn die “unsichtbare Grenze” am Neumarkt bestand schon bevor Hertie oder Wöhrl hier zeitweise für einen gewissen Transfer zwischen den Hälften der Stadt sorgten; mit übrigens weitaus weniger Verkaufsfläche als nun geplant.
Der Verweis auf L+T, ohne diesen Einzelhändler unter 5. beim Namen zu nennen, ist aber schon fast wieder “geschmacklos” (persönliche Meinung des Autors), denn hier ist über Jahrzehnte ein Textilhaus eines lokal engagierten Unternehmers entstanden – während am Neumarkt zwar auch ein lokaler Unternehmer (Bergmann) profitieren soll, aber vor allem dadurch, dass ihm die Last einer sonst nur schwer vermarktbaren Halb-Ruine (ehemaliges Hertie- bzw. Wöhrl-Haus) abgenommen wird. Während die Mieter des Mega-Centers voraussichtlich allesamt Konzerne und Fillialisten sein werden und die Vermarktung aus dem fernen Essen erfolgt, wo das Wohl unserer Stadt sich vermutlich nicht als betriebswirtschaftliche Kennziffer abbilden lässt.
Und warum wird unter 3. so deutlich der “Innenstadt-Tourismus” thematisiert? Besteht das Konzept der SPD für die aktuell leerstehenden Flächen in Altstadt-Nähe etwa aus Souvenir-Nippes und Kneipen für Bustouristen? Osnabrück ist nicht Heidelberg… Und ob allein “Optimismus” (siehe 4.) reicht um die Flächen der nordwestlichen Innenstadt zu vermarkten, wenn sich der Schwerpunkt des Einzelhandels in Richtung Neumarkt verschiebt?
Und um auch 1. nicht unkommentiert zu lassen: selbstverständlich liegen die Gründe für die Jonscher-Insolvenz nicht bei den Planungen zum Shoppingcenter, aber die Wiedervermarktung dieser Flächen wird vor dem Hintergrund der zu erwartenden Verschiebung von Käuferströmen, sicherlich nicht leicht werden. Und die ursprünglich gestellte Frage lautete ja, ob man vor dem Hintergrund der zusätzlichen Leerstände nicht besser “abwarten” sollte, ob man mit der Neumarkt-Planung nicht eine sich bereits abzeichnende “kritische Situation” am Immobilenmarkt noch verschärfen würde!
Als Erst-Antworter für die Anfrage eines Bloggers hatte ich eigentlich die Piraten ganz oben auf meiner Liste, aber von dort gab es noch nichtmal eine Eingangsbestätigung oder Nachfrage… Also “Sonderpunkte” an die Genossen – dort hat man offenbar auch einen Blick auf die “Blogosphäre” und die inzwischen fast 6.000 Facebook-Fans von I-love-OS!
HP