Kurz bevor an diesem Samstag im Osnabrücker Schlossgarten wohl mehr als tausend Osnabrücker gegen Rassismus demonstrierten, machte ein Osnabrücker in einem Stadtbus eine Erfahrung, die den alltäglichen Rassismus dokumentiert, mit dem sich viele Osnabrücker regelmäßig konfrontiert sehen.
Unser Leser Nawaf ist gebürtiger Iraker, doch nach rund 17 Jahren in Deutschland hat er längst keinen Akzent mehr, einen deutschen Pass und die Hündin „Luna“, die ihn auch an diesem Samstagmorgen auf dem Weg zur Arbeit begleitete.
Beleidigende Worte, die ganz gezielt verletzen sollten
So viel Integration passte wohl nicht in das Weltbild einer älteren deutschen Dame und einem älteren deutschen Herren? Beim Einstieg in den Bus der Linie M1 hörte Nawaf an diesem Morgen gegen 08:30 Uhr, wie die ältere Dame zu ihrem Begleiter sagte „Guck mal, ein Ausländer, der Hartz 4 bekommt und sich einen Hund leisten kann. Sowas kann ich mir nicht mal leisten. Zur Arbeit nimmt der den bestimmt nicht mit, als wenn ein Ausländer seinen Hund mit zur Arbeit nehmen kann“.
Alles weitere dokumentierte der junge Mann, der seit fünf Jahren in Osnabrück lebt, mit seinem Handy und postete es bei Twitter.
Nachdem ich in den Bus gestiegen bin muss ich mir anhören das ein Ausländer der Hartz 4 bekommt sich einen Hund leisten kann. Es ist wohl unmöglich das ein Ausländer seinen Hund zur Arbeit nimmt. Den Rest könnt ihr euch anhören. #rassismus #BlackLivesMatter #osnabrück pic.twitter.com/5dpiql7y8l
— nauaf_xxo (@nauaf_xxo) June 6, 2020
Andere Busfahrgäste… schwiegen
Im Gespräch mit unserer Redaktion schildert Nawaf, dass viele andere Busfahrgäste und vermutlich auch der Busfahrer Zeuge der rassistischen Konfrontation waren.
„Hinsehen, zuhören und nicht eingreifen“, ist nach seiner Beobachtung leider ebenso alltäglich wie die Situation, in die er an diesem Samstagmorgen mit seinem Golden Retriever Labrador Mix gekommen ist.
Erst kürzlich war er der einzige Fahrgast, der eingriff, als ein Fahrgast eine offenbar türkischstämmige ältere Frau im Bus beleidigte …weil ein Rollator seinen Fuß berührt hatte.
Kommentar des Redakteurs
Osnabrück kennt keinen Fall von Polizeigewalt, wie den gegen George Floyd in den USA. Wir kennen vielleicht auch keinen systematischen und offenen Rassismus, wie er andernorts in der Welt alltäglich ist.
Aber wir dürfen die Augen nicht verschließen vor dem alltäglichen, kleinen und besonders perfiden Rassismus. Es sind beiläufige Beleidigungen und kleine Zeichen, mit denen manche Zeitgenossen sich über andere Menschen stellen wollen. Die Geschichte zeigt, dass daraus sehr schnell sehr viel mehr werden kann. Kurz: Wir müssen immer wachsam sein!
Und daher auch dieses Beispiel, auch als Antwort auf manch einen dummen und ekelhaften Facebook-Kommentar, der sich heute bei uns und bei anderen Medien unter die Berichterstattung zur Demonstration im Schlossgarten eingefunden hat. Rassismus ist es nicht erst dann, wenn einem Menschen ein Knie die Luft abdrückt!