„Was ist mit meiner Mutter, was ist mit meinem Vater oder meinem Partner?“ Viele Angehörige von alten Menschen, die in der blumig als „Seniorenresidenz“ bezeichneten Einrichtung in Bramsche leben, bangen um das Wohlergehen ihrer Liebsten. Eine aktive Information der Angehörigen über den Gesundheitszustand ihrer Liebsten findet zumindest bislang offenbar nicht statt.
Unsere Redaktion berichtete am Dienstagvormittag exklusiv, noch bevor andere lokale Medien Wind von der Sache bekamen, über den massiven Corona-Ausbruch im Alloheim in Bramsche.
Die Schilderungen einer Pflegekraft, die bereits Ende vergangener Woche die Heimleitung, die Gesundheitsbehörden und die Polizei informierte – allerdings erfolglos – hat viele Leser nochmals beunruhigt.
Keine aktive Information der Angehörigen durch die Heimleitung
Eine Leserin berichtete uns am Mittwochmorgen, wie sie den gesamten Dienstag über immer wieder versuchte jemanden in dem Altenheim an der Breuelstraße in Bramsche ans Telefon zu bekommen. Dabei wechselte sich unsere Leserin bei den Kontaktversuchen mit ihrer Tochter ab – doch niemand ging ans Telefon. Einmal hatte sie überraschend dann doch Erfolg: die Mitarbeiterin des Heimes beendete das Gespräch allerdings schnell wieder, sie dürfe nichts sagen.
Auch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch blieb so ungewiss, wie es der über 80-jährigen Mutter geht. Nur eins war klar: Sie wohnt auf der Station, in der es über das Wochenende zu Dutzenden bestätigten Corona-Infektionen kam.
Für Demenzkranke ist die vertraute Umgebung sehr wichtig
„Dabei gefiel es der Mutter im Alloheim immer gut“, schildert die Angehörige die eigene Einschätzung der Mutter, für die jeder Ortswechsel eine starke Belastung bedeuten würde. Gerade bei Demenzkranken ist es wichtig, dass keine Unsicherheiten durch einen Ortswechsel entstehen.
Für die Angehörigen ist es hingegen wichtig, weil sich Demenzkranke selbst nicht ans Telefon setzen und auch nicht direkt angerufen werden können, dass die Heimleitung jederzeit erreichbar ist und Auskunft geben kann – nicht nur im Krisenfall.
Endlich jemanden erreicht: Gute Nachricht – übler Beigeschmack
Später am Mittwochmorgen meldete sich unsere Leserin wieder. Sie hatte an diesem Morgen doch noch Glück und tatsächlich einen leitenden Mitarbeiter in Bramsche erreicht, der auch Auskunft geben wollte.
Ihrer Mutter geht es soweit gut, erfuhr sie am Telefon. Die alte Dame ist nach Angaben des Heimmitarbeiters „symptomfrei“, wurde jedoch positiv auf das Corona-/Covid-19 Virus getestet, gehört also zu den inzwischen mehr als 40 infizierten Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern, von denen zwei bereit verstorben sein sollen.
Eine Aussage allerdings sorgte für neue Verstörung. Der Mann, dem das Wohlergehen ihrer Mutter anvertraut wurde und der dafür verantwortlich ist, dass ihre Mutter vor lebensgefährlichen Infektionen geschützt wird, sagte nach Schilderung unserer Leserin beiläufig im Gespräch: „Wir müssen es ja alle kriegen“.
Kommentar des Redakteurs
Dieses Thema läßt niemanden in der Redaktion kalt. Zusammen mit meiner Kollegin Tatjana Rykov und meinem Kollegen Lukas Brockfeld verfolgen wir das Thema im Team weiter und halten unsere Leser informiert.
Ich habe inzwischen auch kurz mit einem Vertreter der Unternehmenszentrale in Düsseldorf telefonieren können. Dort nimmt man die Angelegenheit sehr Ernst und es wurde ein ausführliches Statement und die Beantwortung der Fragen unserer Redaktion für den Tagesverlauf zugesagt.
Auch wenn die Emotionen nach diesem Artikel in den sozialen Medien vermutlich wieder hochkochen werden: Niemand, auch nicht die Heimleitung, die zuständigen Behörden oder eine anonym scheinende Konzernzentrale, nimmt diese Entwicklung auf die leichte Schulter! Es wird mit Sicherheit eine Aufarbeitung der Geschehnisse in Bramsche geben, dessen bin ich mir sicher. Und die HASEPOST wird auch diese Angelegenheit weiter kritisch begleiten.
Eines aber hat mich in den Telefonaten mit der Tochter, deren demente Mutter inzwischen im Alloheim positiv auf Corona getestet wurde, sehr nachdenklich gemacht: Für viele alte und demenzkranke Menschen ist es wichtig vor Unruhe und Ortswechseln geschützt zu werden. Auch das kann „überlebenswichtig“ sein. Diese Menschen kann man jetzt nicht einfach „da raus holen“ – die brauchen nun bestmögliche Betreuung, da wo sie ihr gewohntes Umfeld haben.
Die optimale Versorgung der Betroffenen – wozu ausdrücklich auch die Information der Angehörigen gehört – hat also Priorität! Alles andere – auch die Frage nach den Fehlern, die noch vor ein paar Tagen gemacht wurden und vielleicht auch ursächlich für die jetzige Situation sind – hat dahinter zurückzustehen!