Seit rund einem Jahr macht die AfD in Osnabrück von ihrem Recht Gebrauch, an Informationsständen für ihre politischen Ziele zu werben. Dass das nicht jedem gefällt, war zu erwarten. Die seither parallel zu den Infoständen vor dem Haarmannsbrunnen stattfindenden Gegendemonstrationen gehören vermutlich sogar zum Kalkül der AfD, nach dem Motto: „Schaut her, hier unser ordentlicher Infostand und dort die Chaoten“.
Übergriffe der ’spontanen‘ Gegendemonstranten führten bereits zu Ermittlungen wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung – die AfD provoziert und ihre Gegner ‚liefern‘, wie bestellt.
Und was unternehmen Polizei und Verwaltung, um die öffentliche Ordnung rund um den Haarmannsbrunnen zu schützen? Immerhin, das müssen die Verantwortlichen auf Nachfrage eingestehen, wurde seit dem vergangenen Jahr nicht eine einzige der zahlreichen Gegendemonstrationen ordentlich angemeldet.
Die Reaktion von Polizei und Verwaltung darauf, dass die Gegendemos regelmäßig nicht angemeldet werden: bislang keine. Angeblich sind die Verantwortlichen für die nicht-spontanen Gegendemonstrationen nicht ausfindig zu machen.
An diesem Samstag sollte wieder gegen den AfD-Infostand demonstriert werden
Auch für diesen Samstag war ursprünglich ein Informationsstand der AfD für den Platz vor dem Haarmannsbrunnen angemeldet. Schon eine Woche zuvor war über E-Mail-Verteiler der linken Szene von einer erneut geplanten Gegendemonstration zu lesen. Am Samstag selbst publizierte zudem ein linker Blog unter dem Logo der Vereinigung „den Rechten die Räume nehmen“ ein Werbebanner zu einem angeblich „spontanen Gegenprotest“.
Plakate warben schon im Vorfeld für ’spontane‘ Gegendemonstrationen
Dass diese regelmäßigen Gegenproteste alles andere als „spontan“ sind, belegen unter anderem auch Protestaufrufe, die im vergangenen Herbst unter dem Logo der Aktion „den Rechten die Räume nehmen“ Tage vor den jeweiligen Infostand-Terminen in der Stadt wild plakatiert wurden – ohne eine für politische Plakate obligatorische Nennung des presserechtlich Verantwortlichen (V.i.S.d.P.).
Unsere Redaktion hat bei Polizei und Stadtverwaltung nachgefragt, ob für die Gegendemonstration am Samstag vor zwei Wochen (7. September), für den geplanten Infostand an diesem Samstag (21. September) oder überhaupt für eine der zahlreichen Gegendemonstrationen seit dem vergangenen Jahr eine obligatorische Anmeldung vorgenommen wurde.
Nicht eine einzige Gegendemonstration wurde im Vorfeld angemeldet
Die Polizeiinspektion Osnabrück verweist auf die Stadtverwaltung als für die Anmeldung zuständige Behörde, erklärt aber vorab: „Nach hiesigen Erkenntnissen lagen keine angemeldeten Gegendemonstrationen anlässlich von Infoständen der AfD vor.“ Und tatsächlich erklärt auch ein Sprecher der Stadtverwaltung auf unsere Nachfrage, dass weder für den 7. September noch für den da noch bevorstehenden 21. September eine Gegendemonstration angemeldet war, und weiter: „Das war […] ebenso in den 24 Monaten zuvor nicht der Fall.“
Bei Ausschöpfung des Rechtsrahmens droht Gefängnis für Demonstrierende
Dabei ist das Nicht-Anmelden einer Demonstration keineswegs eine Lappalie, sondern bereits eine Straftat, die mit Gefängnis geahndet werden kann. Nach § 26 Nr. 2 Versammlungsgesetz riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe, wer als Leiter oder Veranstalter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel veranstaltet, ohne diese anzumelden.
Bis zu 48 Stunden vor einer Demonstration, auch einer Gegendemonstration, ist diese bei der zuständigen Verwaltung, hier der Stadt Osnabrück, anzumelden. Nur wirklich „spontane“ Demonstrationen sind von dieser Pflicht ausgenommen – wozu vermutlich nicht regelmäßige Gegendemonstrationen zählen, für die im Vorfeld sogar Plakate gedruckt und geklebt werden.
„Keine Anmeldung“ bedeutet nicht „keine Demonstration“
Trotz offensichtlichem Missbrauch des ‚Schlupflochs‘ der ‚spontanen Demonstration‘ lässt die Polizei die Gegendemonstranten aber seit mehr als einem Jahr gewähren – die Stadtverwaltung hat in keinem Fall ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Dazu schreibt Simon Vonstein, Sprecher der Stadtverwaltung, auf Nachfrage:
„Der Verstoß gegen die Anzeigepflicht führt nach dem Versammlungsrecht nicht dazu, dass die Versammlung allein deshalb rechtswidrig wäre. Im Gegenteil. Das Versammlungsrecht bleibt ein hohes Rechtsgut. Die rechtlichen Hürden, eine Versammlung zu verbieten, sind bewusst sehr hoch und bleiben das auch, wenn eine erforderliche Anzeige einer Versammlung unterblieben ist.
Das Unterlassen einer Anzeige stellt jedoch eine Ordnungswidrigkeit dar. Jedoch gibt es bislang keine Ordnungswidrigkeitenverfahren, weil der Stadt keine Personalien von Tätern bekannt werden. Diese müsste die Polizei, als während der Durchführung der Versammlung zuständige Behörde, aufnehmen.“
Polizei kann angeblich keinen Demo-Organisator ermitteln
Ähnlich erläutert auch Jannis Gervelmeyer, Pressesprecher der Polizeiinspektion Osnabrück, die Position der Polizei:
„Obwohl die Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung eine Ordnungswidrigkeit darstellt, war es in den vergangenen Fällen, in denen öffentlich zu Gegenprotesten aufgerufen wurde, nicht möglich, eine direkte, personenbezogene Zuordnung der Aufrufenden vorzunehmen. Die vor Ort stattfindenden Versammlungen wurden jeweils unter Berücksichtigung der aktuellen Umstände räumlich und zeitlich begrenzt. Dabei wird auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 des Grundgesetzes hingewiesen. Eine generelle Untersagung ist nicht zulässig.“
AfD meint: Frische Luft tut den Gegendemonstranten gut – auch ohne Infostand
Die Osnabrücker AfD nimmt die ständigen angeblich „spontanen“ Gegendemonstrationen gelassen. Sie hatte bereits vergangene Woche den Infostand vor dem Haarmannsbrunnen an diesem Samstag abgesagt, weil die Stadt wegen der aktuellen Verkehrslage nur einen alternativen Standort genehmigen wollte – was „Omas gegen Rechts“ und andere wohl nicht mitbekommen hatten.
„Dass nun trotzdem zu irgendwelchen Protesten aufgerufen wurde, ist aber nicht schlimm. Manch einer von denen kann frische Luft gut vertragen“, so Florian Meyer, Kreisvorsitzender der AfD Osnabrück, in einem Statement am Samstag.