Ein Leser machte uns auf eine interessante Äußerung des Ratsherrn Kalla Wefel (die Partei) aufmerksam, die er im Internet gefunden hatte. Angeblich, so der Leser mit Bezug auf seine Fundstelle, soll es eine „goldene Parkkarte“ für Kommunalpolitiker geben. Wir haben bei der Stadtverwaltung nachgefragt.
Der erstmals im vergangenen Herbst in den Rat der Stadt gewählte Lokalpolitik-Newcomer, der erst kürzlich eine Fraktionsgemeinschaft mit der Linkspartei eingegangen ist, erzählte bereits im vergangenen November vor Schülerinnen und Schülern der Ursulaschule von einem „besonderen Luxus der Ratsmitglieder“, den er jetzt auch in Anspruch nehmen würde. Einer „goldenen Parkkarte“, mit der er fortan in Osnabrücker Parkhäusern kostenlos parken könne.
Neben einer monatlichen Aufwandsentschädigung von derzeit 395 Euro erhalten die einfachen Ratsmitglieder zusätzlich eine Fahrtkostenpauschale von 50 Euro – nachzulesen unter anderem auch auf der Homepage des Osnabrücker Landtagsabgeordneten und Ratsmitglieds Frank Henning (SPD), der seit einigen Jahren seine Einkünfte und Ausgaben transparent macht.
50 Euro „Fahrtkostenpauschale“ pro Monat reichen nicht?
Gut, ein pauschaler Ersatz für Fahrtkosten in Höhe von 50 Euro zusätzlich zu der – je nachdem was „im richtigen Leben“ verdient wird – mageren oder zumindest zufriedenstellenden monatlichen Aufwandsentschädigung, das klingt annehmbar.
Auch bei derzeitigen Benzinpreisen kann man für monatlich 50 Euro einige Fahrten in die Innenstadt unternehmen und ein paar Stündchen parken – oder natürlich mit dem Bus fahren, vielleicht sogar regelmäßig ein paar neue Reifen und etwas Kettenfett für das Fahrrad anschaffen.
Aber wieso zusätzlich noch ein gesondertes Parkticket? Steht diese Vergünstigung in Zusammenhang mit einem Abzugsposten („Parkkarte der OPG -15 Euro“), den Frank Henning auf seiner oben verlinkten Webseite aufführt?
Nachgefragt bei der Stadt: Was ist die „goldene Parkkarte“?
„Golden“ ist sie wohl nicht, die Parkkarte, über die sich Rathaus-Newcomer Wefel öffentlich erfreut. Sie ist wohl ein dunkles Geheimnis der Stadtverwaltung und der Ratsmitglieder. Mehrfach und über Wochen musste unsere Redaktion bei der Pressestelle nachhaken, um mehr Informationen darüber zu erhalten.
Nach einigen Nachfragen und verstrichenen Fristen kam schließlich die Bestätigung von der Stadtverwaltung: „Es gibt eine Parkkarte für Ratsmitglieder, die diese berechtigt, in allen Parkhäusern und auf allen Parkplätzen der Osnabrücker Parkstätten-Betriebsgesellschaft (OPG) zu jeder Zeit zu parken.“
Presseamt informierte Fraktionen über Recherche der HASEPOST
Die von unserer Redaktion formulierten Fragen und die resultierenden Antworten waren wohl so heikel, dass die an das Presseamt gesendete Fragenliste zusammen mit den von der Verwaltung formulierten Antworten vorab per Rundschreiben an alle Fraktionen gesendet wurde, wie ein Parteienvertreter gegenüber unserer Redaktion unumwunden zugab.
Monatlich 59 Euro zahlt die Verwaltung der OPG für jede dieser besonderen Parkkarten, die es auch für die Oberbürgermeisterin und die städtischen Vorstände gibt. Aber: Nicht jedes Ratsmitglied nutzt dieses Angebot auch – dazu in der kommenden Woche im zweiten Teil dieses Artikels mehr.
Den Ratsmitgliedern, die sich für die Nutzung der speziellen Parkkarte entschieden haben, werden dafür von der Fahrtkosten-Aufwandsentschädigung (50 Euro) wieder 15 Euro abgezogen. Dieser Abzug erfolgt, da es sich nach Angaben der Verwaltung um eine pauschalierte Reisekostenerstattung handeln soll, die nach einem Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums entsprechend für Ratsmitglieder bis zu 307 Euro steuerfrei sei.
Auf die Frage nach dem „warum und wofür“ heißt es vonseiten der Verwaltung, dass das Angebot für die Ratsmitglieder „erforderlich“ sei, da sie öffentlich flexibel Termine wahrnehmen müssen und die Stadt keine eigenen Parkplätze – etwa am Rathaus und der OsnabrückHalle – vorhält.
Gegenwert in Höhe 2.573 Euro für pauschal 15 Euro?
Für Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die zum Beispiel auch die öffentlichen Rats- und Ausschusssitzungen besuchen wollen oder aus sonstigen Gründen gerne flexibel zum Pauschaltarif parken möchten, gibt es im öffentlichen Angebot der OPG kein Angebot einer pauschalen Dauerkarte für alle Parkhäuser in der Hasestadt.
Ein Dauerparkplatz in lediglich einem einzelnen der städtischen Parkhäuser (nach Verfügbarkeit) kostet im Tarif „JobParken“ der OPG inkl. der Option „Freizeitparken 24/7“ satte 83 Euro pro Monat.
Wenn es aber ein entsprechendes Angebot für alle 31 innerstädtischen Parkplätze und Parkhäuser geben würde und ein Bürger tatsächlich für jede einzelne Parkfläche einen Vertrag für das JobParken abschliessen könnte, würde sich die monatliche Rechnung auf 2.573 Euro belaufen. Eine Milchmädchenrechnung? Ja, natürlich, da eine „goldene Parkkarte“ für immer nur ein abgestelltes Auto gilt. Dass der Preis so einer Karte, wenn sie denn tatsächlich für Nicht-Ratsmitglieder zu kaufen wäre, deutlich über 59 Euro oder auch 83 Euro liegen würde, liegt aber auf der Hand.
Die Verwaltung bekommt die Parkkarten zum Schnäppchenpreis
Die 59 Euro, für die die Stadtverwaltung von der OPG, einer Tochtergesellschaft der finanziell schwer angeschlagenen Stadtwerke, die Parkkarten für die Ratsmitglieder einkauft, sind jedenfalls deutlich entfernt von „Marktpreisen“.
Der steuerzahlende Bürger muss schließlich für eine lediglich im Ansatz vergleichbare Karte für ein einzelnes Parkhaus bereits mehr als 40 Prozent mehr bezahlen; die 15 Euro Pauschalversteuerung für die Ratsmitglieder mithin auch vor diesem Hintergrund ein Superschnäppchen.
Verwaltung scheut den Aufwand einer Einzelabrechnung
Eine Einzelabrechnung der Fahrt- und Parkkosten von Ratsmitgliedern, so wie sie in vielen privatwirtschaftlichen Unternehmen gehandhabt wird – auch um private Nutzung auf Firmenkosten zu unterbinden –, kommt nach Ansicht der Verwaltung nicht infrage.
Die mit der Wahrnehmung eines Ratsmandates verbundenen Aufgaben seien derartig „vielfältig und verteilen sich auf das ganze Stadtgebiet, so dass eine getrennte Abrechnung jeder einzelnen Fahrt inklusive Parken deutlich aufwändiger wäre. So kommt die Stadt der sachlich begründeten und zudem pragmatische Handhabung des gesetzlich vorgesehenen Entschädigungsanspruchs nach: Die Ratsmitglieder haben einen Anspruch auf Erstattung. Jedes einzelne Parken aber abzurechnen, wäre mit einem unangemessen hohen bürokratischen Aufwand verbunden.“
Gibt es vielleicht auch eine Alternative, die den sonst so hoch gehandelten Klimazielen der Stadt mehr entspricht? Und falls ja, wie wird diese Alternative von den Mitgliedern der einzelnen Fraktionen in Anspruch genommen?
Dazu mehr in einem zweiten Teil dieses Artikels!