Die Osnabrücker Kandidatinnen und Kandidaten trafen sich in der IHK um über Wirtschaftspolitik zu diskutieren. / Foto: Brockfeld
Spätestens seit eine rot-rot-grünen Bundesregierung als Möglichkeit im Raum steht, wird im Wahlkampf hitzig über Wirtschafts- und Steuerpolitik gestritten. Die IHK lud daher gemeinsam mit dem „Verein für Wirtschaftsförderung in Osnabrück“ (VWO) die Bundestagskandidierenden aus den Wahlkreisen Stadt Osnabrück und Osnabrück-Land ein, um über Wirtschaft, Steuern und Klimaschutz zu diskutieren.
Wer folgt auf Angela Merkel? Brauchen wir eine Vermögenssteuer? Wie können wir das Klima schützen? Am vergangenen Donnerstag (9. September) trafen sich Dr. André Berghegger und Dr. Mathias Middelberg von der CDU, Anke Hennig und Manuel Gava von der SPD, Filiz Polat und Thomas Klein von den Grünen, Matthias Seestern-Pauly und Nemir Ali von der FDP sowie Swen Adams und Heidi Reichinnek von den Linken in den Räumlichkeiten der IHK, um über diese Fragen zu diskutieren. Auch Roland Lapinskas und Florian Meyer von der AfD waren eingeladen, allerdings sagten beide Politiker krankheitsbedingt ab.
IHK-Präsident wünscht sich Entlastung der Unternehmen
IHK-Präsident Uwe Gödel begrüßte die anwesenden Zuschauer und unterstrich die Bedeutung der kommenden Bundestagswahl: „Ganz gleich wie sich die Wähler entscheiden, wir bekommen in jedem Fall einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin. Schon vor der Corona-Pandemie stand unsere Gesellschaft vor vielen Herausforderungen wie dem Klimawandel, einer alternden Bevölkerung und der verschlafenen Digitalisierung. In der Pandemie offenbarten sich die Schwierigkeiten, in denen viele Unternehmen stecken. Schon nach zwei bis drei Wochen brauchten viele Betriebe staatliche Hilfe. Das zeigt, wie wenig finanzielle Reserven sie haben und wie die hohe Abgabenlast ihnen schadet. Wir schaffen den Weg aus der Krise nicht mit weiteren Steuererhöhungen, sondern durch eine Entlastung des Mittelstandes. Außerdem braucht es dringend eine Beschleunigung der Plan und Genehmigungsverfahren.“
Middelberg sieht Deutschland vor Schicksalswahl
Nach der Begrüßung durch Uwe Gödel betraten die Politiker das Podium. Schnell begann eine hitzige Diskussion über eine mögliche Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Mathias Middelberg warnte vor einer von Olaf Scholz geführten Bundesregierung: „Die kommende Wahl ist eine Schicksalswahl zwischen Schwarz und Weiss! Diesmal gibt es eine wirkliche Wahlalternative. Zuvor war immer relativ klar, dass die Bürger Merkel als Kanzlerin wollen, die Frage war eher, mit wem die CDU regiert. Diesmal stellt sich die Frage wer überhaupt regiert. Bekommen wir eine bürgerliche Regierung mit der CDU oder eine linke Regierung mit Olaf Scholz. Aktuell ist Deutschland stark und leistungsfähig. Bei der Wahl stellt sich die Frage ob das so bleibt, oder ob wir uns sagen ‚es geht uns super und wir können uns alles leisten‚“. Der Christdemokrat wünscht sich Entlastungen statt weiterer Steuern. Eine Vermögenssteuer lehnt er ab, da sie die Substanz der Unternehmen angreife, was vor allem für kleinere handwerkliche Betriebe gefährlich sei. „Ertragssteuern sind gut, Substanzsteuern sind Mist„, so Middelberg.
16 Jahre Merkel – keine Steuerreform
Schnell kam die Frage auf, warum die Union in 16 Jahren Merkel noch keine größere Steuerreform verwirklichte. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Seestern-Pauly spottete: „Die Union hat in den letzten vier Wahlkämpfen Steuersenkungen versprochen, von 2009 bis 2013 hätte sie mit der FDP auch eine Mehrheit dafür gehabt. Leider hat die CDU das immer blockiert, damals sei angeblich der Zeitpunkt nicht passend gewesen. Ich hoffe, dass es in der kommenden Legislaturperiode endlich mal gelingt.“ Middelberg verteidigte seine Partei: „Damals war nicht Herr Schäuble schuld. Die Wahl von Hannelore Kraft (SPD) in NRW hat nach sechs Monaten die Mehrheiten im Bundesrat so verschoben, dass eine Steuerreform nicht mehr möglich war“.
SPD und Linke wollen Reiche stärker besteuern
Der SPD Kandidat Manuel Gava sprach sich für die Vermögenssteuer aus: „Meine Partei hat lange mit der Vermögenssteuer gerungen. Andere Länder besteuern Vermögen viel stärker. Frankreich hat die Vermögenssteuer 2012 stark erhöht und wir sehen noch keinen wirtschaftlichen Niedergang des Landes, der einzige der bisher davor geflohen ist, ist der Dicke aus Asterix. Deutschland hat eine der größten Vermögensungleichheiten der Welt und einen riesigen Niedriglohnsektor. Wir hatten seit der Weltwirtschaftskrise großen ökonomischen Erfolg und haben trotzdem eine erhebliche soziale Ungleichheit, die Tafeln werden beispielsweise immer voller. Die Vermögenssteuer ist ein Vehikel, über das man sich streiten kann, aber wir müssen dringend die Ungleichheit bekämpfen.“. Ähnliche Töne kamen auch von Linkenpolitikerin Heidi Reichinnek: „Unsere Pläne für eine Vermögenssteuer greifen bei Privatvermögen von einer Millionen Euro und bei Betriebsvermögen von fünf Millionen Euro. Die allermeisten wären also gar nicht davon betroffen. Zusätzlich fordern wir einen Mindestlohn von 13 Euro. Der würde für einen Anstieg der Binnennachfrage sorgen und wäre damit gut für viele Unternehmen„.
Neben der Vermögenssteuer wurde während der zweistündigen Veranstaltung unter anderem über Klimapolitik, Autobahnbau, den Handel mit Energiezertifikaten und Subventionen für die Solarindustrie debattiert. Im Schlusswort dankte der VWO-Vorstandsvorsitzende Niklas Sievert den Politikern für die konstruktive Diskussion und sagte: „Wer auch immer von Ihnen das Rennen macht. Ich wünsche Ihnen im Interesse der Region eine glückliche Hand!„