Liebe Leserinnen und Leser,
das Internet ist schier unerschöpflich groß und selbst Formblätter von Behörden oder andere offizielle Drucksachen haben meist noch ein paar Zentimeter „Weißraum“, so dass es meiner Ansicht nach keinen Grund gibt, warum man nicht beide Geschlechter gerecht ansprechen kann ohne dabei die Sprache zu verhunzen.
Die Osnabrücker Stadtverwaltung, vertreten durch ihren übrigens überhaupt nicht geschlechtergerecht gebildeten Vorstand, bestehend aus Oberbürgermeister Wolfgang Griesert, Finanzchef Thomas Fillep, Stadtbaurat Frank Otte, Kultusdezernent Wolfgang Beckermann und Sozialvorständin Katharina Pötter, sieht das wohl anders. In einer nur knapp formulierten Vorlage an den Stadtrat (VO/2021/6998) wurde mitgeteilt, dass man beschlossen habe „ab sofort in allen Textformen innerhalb der gesamten Stadtverwaltung inklusive der Eigenbetriebe und Mehrheitsbeteiligungen die Verwendung des Gender-Doppelpunktes im Sinne einer diskriminierungsfreien Sprache vorzusehen“.
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann.
Keine öffentliche Debatte, keine Diskussion… einfach so hinter verschlossenen Türen wird ein massiver Eingriff in den Sprachgebrauch innerhalb der Osnabrücker Behörden vorgenommen, der noch dazu mehr Verwirrung stiftet als dass er Klarheit schafft.
Zwar ist anzuerkennen, dass die von der Stadt Osnabrück präferierte Lösung mit dem Doppelpunkt („:“) von zum Beispiel Sehbehindertenorganisationen bevorzugt wird, weil die derart malträtierte Schreibweise beim maschinellen Vorlesen besser erkannt wird. Aber es ist nur eine von inzwischen vielen möglichen Lösungen. Die Universität Rostock hat sich die Mühe gemacht alle inzwischen für Sprachverwirrung sorgenden angeblich gerechteren Schreibweisen in einem Dokument aufzulisten. Vom Schrägstrich (Mitarbeiter/in) über den Unterstrich (Mitarbeiter_innen) über das vor allem bei politisch linksorientierten Mitmenschen beliebte Sternchen (Mitarbeiter*innen) bis hin zu dem ab sofort den Osnabrücker Amtsstuben verordneten Doppelpunkt (Mitarbeiter:innen) reichen die Möglichkeiten. Wie erstaunlich vielfältig doch die Optionen sind, wie man die Sprache unserer Kulturnation so verbiegen kann, dass auch im letzten Winkel des Behördenalltags die sexuelle Identität des Bürgers mit in den Sprachgebrauch von Behörden aufgenommen wird.
Dabei sollte es in Behörden doch einfach nur darum gehen möglichst effektiv im Sinne aller Bürger zu arbeiten. Ich jedenfalls will, wenn ich denn mal ins Stadthaus muss oder (was leider nur selten möglich ist) online ein Formular ausfüllen soll, dass es möglichst schnell vorbei ist. Lasst mich doch bitteschön mit Sprachfeinheiten und Ideologie in Ruhe, ich will einen neuen Personalausweis oder ein ein Auto anmelden, die Gebühren dafür bezahlen, und gut ist. Ein guter Tag ist für mich ein Tag, an dem ich möglichst nicht mit Behörden in Kontakt gerate. Die aktuelle Gendersprachdebatte ist nichts, um das sich Behörden jetzt auch noch zu kümmern haben!
Wie immer geht es auch noch schlimmer: Es gibt Mitmenschen, die meinen die Sprache so umformen zu müssen, dass aus dem freundlichen „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ dann Mitarbeiterys oder Mitarbeitxs werden. Da kann man schon fast dankbar sein, dass die Stadt Osnabrück in Vertretung durch ihren Vorstandxs es beim Doppelpunkt belassen hat. Aber wenn man es konsequent weiterdenkt, dann ist die Doppelpunktlösung tatsächlich nicht richtig, was ist mit denen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen?
Ich will nochmals die Frage nach dem „warum“ stellen! Jedes Behördenformular und jede städtische Drucksache dürfte immer und überall noch ein paar Zentimeter Platz für die beiden korrekt ausgeführte Schreibweisen haben, die zumindest die zahlenmäßig am meisten verbreiteten Geschlechteridentitäten abbilden. Und wenn es hart auf hart kommt, warum nicht einfach Mitarbeitende?
Und ernsthaft, wenn mal irgendwo aus Nachlässigkeit dann doch nur die maskuline Schreibweise Lehrer, Arzt oder Beamter stehen sollte… wer in unserer maximalst aufgeklärten Gesellschaft weiß denn nicht, dass diese Berufe genau wie der des Astronauten und selbst der Prostituierten, von beiderlei Geschlechtern – auch von Menschen, die sich irgendwie dazwischen fühlen – ausgeübt werden können.
Es ist egal wie man es wendet. Ein Großteil der Bevölkerung lehnt die Sexualisierung der Sprache ab. Es gibt (siehe oben) noch nicht einmal unter denen, die annehmen, dass unser bisheriger Sprachgebrauch problematisch war, eine Übereinkunft darüber, welche Form des Genderns denn nun richtig und wirklich „gerecht“ ist.
Es ist ein Elitenproblem, das außerhalb des Osnabrücker Rathauses, linker Filterblasen und Universitäten einen Großteil der Bevölkerung schlicht nicht interessiert, sondern einfach nur nervt. Bei vielen Mitmenschen kommt nur an, dass sie ausgeschlossen werden sollen, dass „die da oben“ sich mit ihrer Sprache weiter abgrenzen wollen. Das Gegenteil von Inklusivität und Gemeinschaft also.
Es hätte der Osnabrücker Stadtverwaltung und ihrem nicht im Ansatz geschlechtergerecht besetzten Vorstand gut zu Gesicht gestanden, die Frage, ob im Behördenalltag gegendert werden soll, an die Bürger dieser Stadt, zumindest aber an den Stadtrat zu delegieren und öffentlich zu diskutieren.
Ganz offensichtlich hat das nicht unbedingt nach Befähigung, sondern vor allem nach Parteizugehörigkeit besetzte Männergremium (ergänzt um Katharina Pötter), schon geahnt, dass es besser ist zu diesem Thema eine öffentliche Diskussion zu vermeiden. Aber warum haben Sie dann trotzdem, trotz großer Ablehnung in der Bevölkerung, sich dieser Sache angenommen? Hat nicht jeder einzelne städtische Vorstand (und die einzelne Vorständin) angesichts der aktuellen Kassenlage, der maroden Bausubstanz und der zu erwartenden Corona-Folgen nicht mehr als genug in seinem eigentlichen Arbeitsbereich zu tun?
Womöglich gab es auch Hinterzimmer-Absprachen dazu mit der Regenbogenkoalition im Stadtrat (Linkspartei, Grüne, SPD, FDP), die dieses Nicht-Problem noch schnell vor der Kommunalwahl im September „gelöst“ haben wollte?
Bevor ich diesen Meinungsbeitrag schließe (ja, es ist ein Meinungsbeitrag, ich bin mir sicher es gibt Leserinnen und Leser, die sehen die Sache mit dem Gendern ganz anders als ich), verweise ich gerne auf einen Gastbeitrag von Kerstin Albrecht, die sich auch schon an diesem Thema abgearbeitet hat. Und ich weise auch gerne darauf hin, dass nicht alle Mitarbeitenden der Redaktion der HASEPOST hier meine Meinung teilen werden.
Wir sollten aufpassen – auch in den Kommentaren in den Sozialen Medien – dass wir uns als Gesellschaft durch diesen seltsamen Doppelpunkt nicht weiter auseinanderdividieren lassen, denn leider steht das Zeichen „:“ auch für Teilung und Spaltung.
Ausgerechnet dieses Satzzeichen, den Doppelpunkt zu verwenden, ist daher auch rein optisch keine gute Idee, manifestiert es doch nur, wie gespalten unsere Gesellschaft inzwischen ist.
Hier finden Sie alle bislang erschienenen “Morgen-Kommentare”.
[Gruß vom Herausgeber] Liebe Leserin, lieber Leser, schön, dass Sie es bis hier ganz unten geschafft haben. Ein paar Zeilen weiter finden Sie noch den obligatorischen Hinweis, dass gekennzeichnete Meinungsbeiträge stets ausschließlich die Meinung des Autors wiedergeben. Aber ich möchte diesem förmlichen Disclaimer noch etwas hinzufügen. Natürlich haben Sie, wie auch ich und jeder andere Leser, eine eigene Meinung. Vielleicht weicht Ihre Meinung fundamental von diesem oder einem anderen bei uns veröffentlichten Kommentar ab, vielleicht stimmen Sie aber auch vollkommen zu oder aber Ihre Meinung ist „irgendwo dazwischen“.
Vielleicht kann ein Kommentar in der Hasepost dabei helfen neue Gedanken zu denken oder bestehende An- und Einsichten nochmals zu überdenken, dann haben wir und unsere Autoren etwas richtig gemacht und ganz generell zum Denken angeregt.
„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten“ (C. G Jung).
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.
Als Kommentar, Kolumne, Meinungsbeitrag oder Satire gekennzeichnete Beiträge geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht die der gesamten Redaktion.