Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP und ehemaliger Bundesfinanzminister, präsentierte sich am Dienstagmorgen (14. Januar) im Alando Ballhaus in Osnabrück als streitbarer und pointierter Redner. Vor einem interessiert lauschenden Publikum sprach er über Steuerpolitik, Wirtschaft, Migration und gesellschaftliche Werte – und forderte einen grundlegenden Politikwechsel in Deutschland. Seine Kritik richtete sich dabei nicht nur gegen die SPD und Grünen, sondern auch gegen ausufernde staatliche Eingriffe und eine vermeintliche Trägheit der Bundesregierung.
Angriff auf die Steuerpolitik der SPD
Gleich zu Beginn nahm Christian Lindner das Steuerkonzept der SPD ins Visier. Mit scharfen Worten warnte er vor den Belastungen, die es aus seiner Sicht für Fachkräfte und Unternehmer bedeute: „Die SPD belastet Ingenieure, deren Patente Facharbeiter beschäftigen, und Handwerksmeister, die Ausbildungsplätze garantieren.“ Er nannte das Konzept eine „Sabotage am wirtschaftlichen Aufschwung“ und kritisierte, dass kurzfristige Entlastungen auf lange Sicht durch zusätzliche Belastungen konterkariert würden.
Auch Grünen-Chef Robert Habeck geriet wegen seines Vorschlags, Kapitalerträge sozialabgabenpflichtig zu machen, ins Kreuzfeuer. „Dividenden, Kursgewinne und Zinsen werden bereits besteuert. Warum sollen Menschen, die für ihr Alter vorsorgen, doppelt belastet werden“, fragte Lindner und betonte, dass solche Maßnahmen gerade die Mittelschicht treffen würden. Zudem hofft er, dass Habeck zu seiner alten Profession als Kinderbuchautor zurückfindet. „Ich werde ja dieses Jahr Vater, und wir brauchen im Kinderzimmer Nachschub an Kinderbüchern“, scherzte der FDP-Chef.
Schwarz-Gelb als Alternative
Christian Lindner machte deutlich, dass er Schwarz-Gelb für die einzige realistische Option eines politischen Wechsels halte. Zwar lobte er die Zusammenarbeit mit der CDU in Nordrhein-Westfalen, betonte aber die Eigenständigkeit der FDP. Besonders in Fragen der Freiheitsrechte habe sich seine Partei während der Pandemie klar von der Union abgegrenzt: „Der Staat ist begründungspflichtig, wenn er in die Freiheit der Menschen eingreift. Unverhältnismäßige Maßnahmen wie die Schließung von Schulen und Gastronomie waren ein Fehler.“
Eine weitere Abgrenzung zur Union vollzog Lindner beim Thema Leitkultur. Den Begriff lehnte er entschieden ab: „Wir sind Individuen mit vielfältigen Prägungen.“ Stattdessen warb er für Verfassungspatriotismus und das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft.
Migrationspolitik: Strikte Kontrolle und gezielte Einwanderung
Das Thema Migration nahm einen prominenten Platz in Lindners Rede ein. Mit Nachdruck forderte er striktere Regelungen und eine konsequente Durchsetzung von Ausreiseverpflichtungen. „Ohne Kontrolle bricht jede öffentliche Ordnung und jedes System sozialer Sicherheit zusammen“, warnte er. Gleichzeitig sprach er sich für eine erleichterte Einwanderung qualifizierter Fachkräfte aus. „Von der Pflege bis hin zum IT-Bereich brauchen wir Talente, die unser Land stärken.“
Wirtschaft und Reformbedarf
Der ehemalige Bundesfinanzminister zeichnete ein alarmierendes Bild der deutschen Wirtschaft. „Wir sind die einzige G20-Nation ohne Wachstum“, betonte er und verwies auf den Jobabbau in Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie. Er warf Bundeskanzler Olaf Scholz vor, notwendige Reformen zu verschleppen: „Deutschland braucht Entscheidungen, zu denen die Regierung Scholz nicht in der Lage war.“
Als Antwort auf die Wirtschaftskrise schlug Lindner steuerfreie Überstundenzuschläge und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags vor. Zudem kritisierte er staatliche Subventionen wie die 10 Milliarden Euro für den Bau einer Intel-Fabrik in Magdeburg: „Wir müssen faire Rahmenbedingungen schaffen, anstatt den Steuerzahler mit solchen Summen zu belasten.“ Stattdessen sprach er sich für Investitionen in Innovationen aus und verwies auf den Erfolg von BioNTech und die Grundlagenforschung in der Künstlichen Intelligenz.
Gesellschaftliche Werte und Leistungsprinzip
Mit Blick auf gesellschaftliche Trends kritisierte Lindner aktuelle Entwicklungen wie die 4-Tage-Woche und übertriebene Work-Life-Balance-Debatten: „Noch nie hat eine Gesellschaft durch weniger Arbeit gleichzeitig mehr geschaffen.“ Auch in der Bildung forderte er eine klare Förderung von Leistungsbereitschaft. „Wer die Schulnote 5 abschafft, schafft auch die 1 und 2 ab.“
Tortenwurf von Greifswald
Augenzwinkernd nahm der FDP-Spitzenkandidat auch Bezug auf die Rasierschaum-Attacke in der vergangenen Woche. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Greifswald hatte ihm die 34-jährige Linken-Politikerin Christiane Kiesow eine Torte aus Rasierschaum ins Gesicht geworfen. Eine Person im Osnabrücker Publikum sprach er deshalb an: „Sie sehen so aus, als hätten Sie eine Torte dabei.“ Die humorvolle Antwort aus dem Publikum: „Die wäre aber mit Sahne.“ Lindner konterte schlagfertig: „Das ist der Unterschied zu den Linken, denn Sie haben Verständnis für Genuss und Lebensweise.“
Reformen und Innovationen
Zum Abschluss seiner Rede rief Christian Lindner dazu auf, die FDP zu unterstützen, um nicht nur einen Kanzlerwechsel, sondern einen grundlegenden Politikwechsel zu ermöglichen. „Die erste Aufgabe der Politik ist es, wettbewerbsfähig zu werden. Nur durch Reformen und Innovationen können wir Wachstum und Wohlstand sichern.“