Wenn am vierten Adventssontag das ZDF die dritte Folge der kleinen Doku-Reihe „Freibeuter der Meere“ sendet, werden auch zwei Brüder aus Osnabrück gespannt vor dem Bildschirm sitzen.
Axel und Uwe Nerger, im Hauptberuf Journalist und Autor der eine, der andere als IT-Consultant tätig, sind die Enkel des wohl letzten Freibeuters der Seefahrtsgeschichte.
Piraten als Teil der Kriegsstrategie
Freibeuter, das waren Seefahrer, die mit einem Kaperbrief versehen, feindliche Schiffe auf hoher See überfielen und damit Teil der Kriegsstrategie bis in den Ersten Weltkrieg waren. Die Geschichte der Freibeuter reicht zurück bis zurück ins 16. Jahrhundert, als nicht-staatliche Seefahrer auf diese Weise als eine Art von privaten Piraten zum Teil der Kriegsführung wurden. Der bekannteste Freibeuter, Sir Francis Drake wurde vom ZDF in seiner Advents-Serie bereits behandelt, wie auch die muslimischen Korsaren, die es im Mittelmeer und dem Atlantik vor allem auf Sklaven und Lösegeld anlegten.
Teil 3 der TerraX Serie mit anderem Produzenten
Während die ersten beiden Teile der ZDF-Serie, die bereits im Rahmen der Reihe „Terra X“ gezeigt wurden, von der Produktionsfirma „Taglicht Media“ produziert wurden und sich der eher weiter entfernten Geschichte widmeten, wurde der dritte Teil von „Loopfilm“ unter der Leitung von Oliver Halmburger produziert. „Ein bewährtes Team“, erläutert Uwe Nerger, der in der Dokumentation über seine Großvater auch kurz zu sehen sein wird.
Die beiden Brüder hoffen, dass die Folge über ihren Großvater ohne die teils etwas schlichten Effekte auskommt, mit denen die beiden ersten Folgen in der Fernsehkritik nicht unbedingt punkten konnten.
Wer war Fragattenkapitän Nerger?
Aber wer war der Freibeuter, der noch zu Kaisers Zeiten auf Kaperfahrt ging?
Axel und Uwe Nerger haben schon viel recherchiert über ihren Großvater, den sie selbst nicht mehr kennengelernt haben. Der in Rostock geborene Karl-August Nerger war zu Beginn des Ersten Weltkriegs bereits durch den Boxeraufstand in China kriegserfahren und hatte auch an der Schlacht um Helgoland teilgenommen.
1916 bekam Nerger das Kommando über den Hilfskreuzers SMS Wolf, ein umgebautes Handelsschiff, das nach aussen hin weiterhin wie ein Frachter aussah, aber mit schweren Geschützen versehen worden war. Das ganze Schiff war so umgebaut worden, dass es durch verschiebbare Elemente für andere Schiffe nicht nur wie ein Zivilschiff wirkte, sondern seine Silhouette auch nach belieben ändern konnte, erläutern die beiden Brüder das Schiff ihres Großvaters, im Gespräch mit der HASEPOST.
Derart getarnt stach Nerger in der Mitte des Ersten Wetkriegs in See um erst Häfen im Indischen Ozean zu verminen und dann im Auftrag des Kaisers Handelsschiffe zu kapern, Mannschaft und Ladung zu übernehmen, um im Anschluss die Schiffe zu versenken.
Für Deutschlands Kriegsgegner verschwanden diese Schiffe einfach von der Seekarte. Auf einer Weltreise, die etwa dem 2,5-fachen Erdumfang entspricht, wurden zusätzlich zu den 348 eigenen Besatzungsmitgliedern fast 400 Kriegsgefangene aufgenommen und mitgeführt.
Insgesamt versenkte der Freibeuter des Kaisers 35 Handelsschiffe und durchbrach im Februar 1918 nach 451 Tagen auf Kaperfahrt erneut die Blockade Kiels, wo er als Seeheld gefeiert wurde.
Entsprechend des damals noch geltenden Ehrenkodex der seefahrenden Staaten, wurden die aufgenommenen Mannschaftsmitglieder, separiert nach der militärischen Hierarchie, zwar gefangen gehalten, jedoch wie gleichgestellte Mannschaftsmitglieder behandelt. Dieses „korrekte“ Verhalten der Deutschen, die im Feindbild der Kriegsgegner als „Hunnen“ verschrien waren, sorgte für Anerkennung nicht nur im Deutschen Reich, sondern auch in Australien und Neuseeland, wo der Name Nerger noch heute sehr bekannt ist, so Axel Nerger im Gespräch mit der HASEPOST.
Zahlreiche Buchveröffentlichungen auch im englischsprachigen Raum zeugen von der Geschichte.
Der Kriegsheld starb in russischem Straflager
Die beiden Enkel Nergers haben in den vergangenen Jahren viel Ahnenforschung betrieben, doch leider bleibt vieles im Dunkeln, gerade aus der Zeit des Nationalsozialismus. Der hochdekorierte Kriegsheld des Ersten Weltkriegs war bis in die Zeit des Nationalsozialismus als Leiter des Werkschutzes bei den Siemens-Werken in Berlin tätig, doch dort will man heute keine Unterlagen mehr über ihn besitzen.
Karl-August Nerger starb 1947 im von den Sowjets übernommenen und als „Speziallager Nr. 7“ weiterbetriebenen KZ Sachsenhausen, in dem zwischen 1945 und 1950 mehr als 12.000 tatsächliche und vermeintliche Nazis und Kritiker der sowjetischen Besatzungszone den Tod fanden.
Sonntag, 20. Dezember 2015, 19.30 Uhr
Terra X: Freibeuter der Meere
Und nach der Erstausstrahlung in der ZDF Mediathek per Streaming.