Ein Affe bei der Zahnbehandlung: Weißwangen-Schopfgibbon „Otti“ mussten in der Kleintierklinik Dr. Ladig Zähne gezogen werden – nach der Behandlung unter Vollnarkose geht es dem Gibbon wieder gut.
Mitbewohner von Buschi aus dem Osnabrücker Zoo
Eine nicht ganz so übliche Tierarztbehandlung hatte Otti, der bekannte Weißwangen-Schopfgibbon und Mitbewohner von Orang-Utan Buschi, am vergangenen Donnerstag: Unter Vollnarkose mussten ihm in der Kleintierklinik Dr. Ladig drei Zähne gezogen werden.
Was beim Menschen routiniert abläuft, ist bei Tieren, besonders bei frechen und starken Primaten wie den Gibbons, ein Eingriff unter erschwerten Bedingungen. „Wir mussten Otti für die Behandlung narkotisieren – bei ihm reicht keine örtliche Betäubung wie beim Menschen“, erklärt Zoodirektor Prof. Dr. Michael Böer. Ohne Vollnarkose ließe er sich gar nicht erst den Mund öffnen und würde sich erheblich zur Wehr setzen, da er ja nicht weiß, dass die Veterinäre ihm nur helfen wollen.
Bereits die Diagnose war nicht einfach: „Unsere Tiere können wir nicht zur halbjährlichen Kontrolluntersuchung zum Zahnarzt schicken“, so Böer, „daher ist es wichtig, dass die Tierpfleger sie aufmerksam beobachten.“ Die Pfleger hatten bemerkt, dass Otti mit den Zähnen knirschte – ein Hinweis auf Schmerzen. Nach einer ersten Untersuchung unter Vollnarkose eine Woche zuvor war schnell klar: Ein Backenzahn im rechten Unterkiefer machte Otti zu schaffen. „Otti ist schon ein ‚alter Mann‘: Seine 30 Lebensjahre kann man mit etwa 80 Menschenjahren vergleichen. Und welcher 80jährige hat noch alle Zähne, die tip top in Ordnung sind?“ so Böer weiter.
Astronautennahrung für Affen
Und so hieß es für Otti vergangenen Freitag: Ab zum Zahnarzt. Bereits im Zoo wurde das Gibbonmännchen narkotisiert und Zoodirektor Böer und Alina Schadenhofer, die im letzten Semester ihres Tiermedizinstudiums im Osnabrücker Zoo ein Praktikum absolviert, fuhren mit dem schlummernden Otti zur Kleintierklinik der Fachtierärztin für Kleintiere Dr. Dana Ladig. Die Tierärztin unterstützt den Zoo insbesondere bei chirurgischen Eingriffen, da sie in ihrer täglichen Arbeit mit Kleintieren derartige Behandlungen durchführt.
„Neben dem Backenzahn waren auch Ottis Eckzähne kariös und zudem abgebrochen. Deswegen entschieden wir uns, diese Zähne gleich mit zu entfernen“, erklärt Dana Ladig. Die noch etwa zwei Zentimeter großen Eckzähne saßen tief im Kiefer fest, weshalb die Operation etwa eine Stunde dauerte. „Die drei Zähne konnten wir komplett entfernen und für Otti wird das Fressen ohne sie kein Problem sein“, erklärt die Tierärztin. Noch während der Narkose bekam Otti ein tiermedizinisches „Rundumpaket“ zur Vorsorge: Neben einem Langzeitantibiotikum, Schmerzmitteln und Glukose wurde dem Gibbon ‚Astronautennahrung‘, bestehend aus Aminosäuren, Elektrolyten und Vitaminen, gespritzt – als Ersatz für feste Nahrung, falls das Fressen in den ersten Tagen schwer fällt. Innerhalb von sechs Stunden hatte der Körper des Schopfgibbons alle Narkosemittel abgebaut und schon einen Tag später hangelte sich Otti durch die Anlage und krakeelte, wie Zoobesucher und -mitarbeiter es von ihm gewöhnt sind.
Lange Freundschaft
„Besucher kennen Otti als lauten und frechen Gibbon, der eine diebische Freude daran hat, Menschen zu erschrecken“, schmunzelt Böer. Gleichzeitig ist der Gibbon aber auch ein liebevoller Partner für Weibchen Lenchen und ein fürsorglicher Vater.
„Otti kenne ich schon fast sein ganzes Leben lang“, erzählt der Zoodirektor. Nachdem die Frau des damaligen Leipziger Zoodirektors Jörg Adler den verwaisten Affen aus Vietnam mit der Flasche großgezogen hatte, kam Otti 1987 in den Zoo Hannover, in dem Michael Böer seinerzeit arbeitete. Mit dreieinhalb Jahren wurden Otti und Lenchen zusammengebracht und kamen 2001 nach Osnabrück. Hier ziehen sie zurzeit ihre Kinder Josita (6) und Jorge (2) auf – Gibbons verbindet eine lebenslange Partnerschaft. „Nachdem sich unsere Wege trennten, sah ich Otti nach 16 Jahren das erste Mal in Osnabrück wieder – und er und Lenchen haben mich sofort erkannt.“ Auch wenn Böer und Otti sich schon lange kennen: „In nächster Zeit wird unser Verhältnis getrübt sein – schließlich habe ich ihn narkotisiert. Und das macht Otti mir gegenüber natürlich argwöhnisch“, so der Zoodirektor. Otti ginge es trotz seines hohen Alters sehr gut, erklärt er. „Wir können uns hoffentlich noch viele Jahre an seinen Gesängen und Spielereien erfreuen“, lacht Zoodirektor Michael Böer.
Wissenswertes zu Weißwangen-Schopfgibbons (Nomascus leucogenys)
Weißwangenschopf-Gibbons werden etwa 45 bis 65 Zentimeter groß. Sie sind in Südost- und Südasien beheimatet und leben dort in tropischen Regenwäldern. Der Weißwangenschopf-Gibbon ist nach dem Siamang die zweitgrößte Gibbonart und gehört zu den Kleinen Menschenaffen. Die Baumbewohner haben sehr lange Arme, die sie über dem Kopf verschränken, wenn sie aufrecht gehen. Männchen haben dunkles und Weibchen helles Fell. Jungtiere werden mit hellem Fell geboren, das mit etwa einem halben bis einem Jahr dunkel färbt. Männchen bleiben dunkel, Weibchen färben mit der Geschlechtsreife (6. Bis 8. Lebensjahr) wieder hell.
Weißwangenschopfgibbons leben in Einehen zusammen und jedes Paar hat sogar seinen eigenen Gesang. Der Südliche Weißwangenschopf-Gibbon gilt als „stark gefährdet“, der Nördliche Weißwangenschopf-Gibbon ist sogar vom Aussterben bedroht.