Unseren Zeitreisenden hat es heute 26 Jahre und rund zwei Wochen zurück in die Osnabrücker Große Straße verschlagen.

AFP

Wir sehen in der Bildmitte mehrere Schülerinnen des Wirtschaftsgymnasiums am Schölerberg mit einem improvisierten Banner „Schüler für Frieden“.

Tausende Schüler demonstrierten spontan für den Frieden

Was der Betrachter nur erahnen kann, an diesem 16. Januar 1991 ziehen mehrere tausend(!) Schüler und Studierende durch die Osnabrücker Innenstadt.
Es ist tatsächlich eine spontane Aktion gewesen, die ausgehend von der BBS am Schölerberg, diese Massen mobilisieren konnte. Natürlich wurde im Vorfeld viel telefoniert, der Stadtschülerrat hatte noch über die Schul- und Klassensprecher die Information verbreiten können und auch der AStA der Universität und der Fachhochschule war im Vorfeld informiert.
Mehr ging aber damals nicht – doch Tausende brachen an diesem 16. Januar nach der vierten Stunde den Unterricht ab und trafen sich in der Stadt.

Niemand der damals mitgegangen ist hatte mit so einem großen Aufmarsch gerechnet. Nur zur Erinnerung: Das einzige soziale Medium war seinerzeit das Festnetztelefon!
Schon am Tag zuvor waren einige hundert Schüler der gewerblichen Berufsschule an der Natruper Straße auf die Straße gegangen – nun die Wirtschaftsschüler vom Schölerberg und mit ihnen Schüler der anderen Schulen der Innenstadt und Studenten aller Fachrichtungen. Auch das war ungewöhnlich, dass ausgerechnet die sonst als wenig politisiert geltenden Berufsschüler die Initiative ergriffen und auf die Straße gingen.

Stunden später brach der erste Irak-Krieg aus

Nur worum ging es? Schauen wir uns die Tagesschau vom 16. Januar 1991 an. Sprecherin: Eva Hermann – zeitgemäß gestylt mit Schulterpolstern und ungefähr einer Dose Haarspray auf dem Kopf; die 80er wirken noch nach.

 

An diesem Mittwochmorgen war das finale Ultimatum der Vereinten Nationen gegen Machthaber Saddam Hussein abgelaufen. Es war sozusagen der Vorabend des ersten Irak-Kriegs. Ein Krieg, der als der schwerste Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg in die Geschichte eingehen wird.
Am Morgen nach den Schülerprotesten wird die Operation Desert Storm bereits begonnen haben (ab 03:00 Uhr am 17. Januar 1991).

Ein Krieg, der durch Fake-News angeheizt wurde

Dass die US-amerikanische Bevölkerung und weite Teile der UN-Mitgliedsstaaten so energisch für einen Kriegseinsatz eintraten, liegt übrigens auch in der „Brutkastenlüge“ begründet. Die Brutkastenlüge war vor mehr als einem Vierteljahrhundert so etwas wie die Mutter aller Fake-News, und sie wurde auch von deutschen Medien verbreitet. US-Geheimdienste, die Kuwaitische Regierung und eine PR-Firma inszenierten gemeinsam die Aussage einer jungen Frau, die sich später als die Tochter des kuwaitischen Botschafters herausstellte. Die Diplomatentochter behauptete vor US-Kongressmitgliedern, dass irakische Soldaten Babies in Brutkästen grausam massakrieren würden. Sich selbst bezeichnete die Diplomatentochter bei der Falschaussage als Hilfskrankenschwester.
Der amtierende US-Präsident Donald Trump erinnerte vor wenigen Wochen an die Brutkastenlüge als einen Grund dafür, warum er den eigenen Geheimdiensten nicht trauen würde.
Aber all das konnten die Schüler und Studenten vor mehr als 26 Jahren noch nicht wissen, aber sie ahnten, dass es ein schmutziger Krieg sein würde und das er auf Lügen begründet war.

Die Große Straße vor einem Vierteljahrhundert

Erlauben wir dem Zeitreisenden (wie vor einer Woche Frank Förster) noch einen Blick durch die Große Straße.
Der Bodenbelag bestand noch aus profanen Waschbetonplatten – nicht aus dem in China von Strafgefangenen gehauenen Granit-Pflaster, der teilweise per Luftfracht importiert wurde (das wäre wieder eine andere Geschichte).
Aufgelockert wurde die Große Straße von vielen kleinen „Inseln“, in denen allerlei Grünpflanzen gegen die Vermüllung ankämpften und Bänke zum Verweilen einluden.
Ungefähr gegenüber der jetzigen L+T Markthalle gab es noch Osnabrücks erste Markthalle, seinerzeit über zwei Etagen reichend.
Der Schuhhändler Görtz hatte noch nicht die Straßenseite gewechselt und sein Ladengeschäft ein wenig südlicher eingenommen.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) war nicht zur Einheitsversicherung Deutsche Rentenversicherung verschmolzen und man konnte sich offensichtlich noch Geschäftsräume in 1a-Lage oberhalb der alten Filiale von Nordsee leisten.
Ganz rechts im Bild ein Schaukasten, wie es viele in der Großen Straße und der Krahnstraße gab. Doch die Zeiten von Salamander (dort gab es immer die Lurchi-Hefte) in Osnabrück sind auch längst vorbei. Laut Hersteller-Website muss man inzwischen bis nach Georgsmarienhütte oder Bersenbrück fahren um die besonders bei Kindern beliebten Schuhe zu bekommen.

Hier die anderen bislang erschienenen Folgen unserer Osnabrücker Zeitreise.

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Foto: Frank Förster