Bei den steigenden Temperaturen wächst auch in unseren Breitengraden wieder die Zeckengefahr – und wegen des milden Winters ist mit einem vermehrten Auftreten der kleinen Blutsauger zu rechnen.
Prof. Dr. Martin Engelhardt, der Orthopädie-Chefarzt und Ärztliche Direktor des Klinikums Osnabrück, warnt vor den Gefahren, die von Zeckenstichen ausgehen. Das macht auch das Beispiel von Verena Nagelmann aus Porta Westfalica deutlich: Bei der 61-Jährigen ist nach drei Zeckenstichen, die sie sich Anfang 2020 zugezogen hatte, eine Lyme-Arthritis an ihrem rechten Kniegelenk aufgetreten. Das ist eine seltene Form der Borreliose-Erkrankung, die von den kleinen Tieren ausgelöst werden kann. Die Schmerzen in ihrem Kniegelenk wurden zunächst auf einen Meniskusriss zurückgeführt. Nach einer Kniespiegelung trat jedoch keine Besserung auf. Erst nach einem zweiten Eingriff wurde die richtige Diagnose gestellt und mit einem Antibiotikum behandelt. Dennoch trat bei ihr noch ein weiterer massiver Schub der von den Bakterien ausgelösten Entzündungserkrankung auf, von dem die Schleimhaut ihres Knies und der Gelenkknorpel betroffen waren.
Zeckenbisse zogen künstliches Kniegelenk nach sich
Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern und die Schmerzen zu beseitigen, musste Nagelmanns Knie schließlich durch ein künstliches Gelenk ersetzt werden. „Borreliose ist kein Spaß. Die Lyme-Arthritis, also solche Gelenkentzündungen, von denen auch die Sprunggelenke oder die Ellenbogen betroffen sein können, tritt zwar nur bei einer kleinen Zahl von Borreliose-Erkrankten auf – aber sie ist oftmals schwerwiegend“, sagt Engelhardt. Die Borreliose-Bakterien zersetzen Knochen und Knorpel in den Gelenken und können nur aufgehalten werden, wenn sie chirurgisch entfernt werden. „Es kann außerdem eine Form der Borreliose entstehen, die das Nervensystem angreift und sich häufig mit Gesichtslähmungen oder Hörstörungen äußert. Und dass auch FSME, also Frühsommer-Meningoenzephalitis, von Zeckenstichen ausgelöst werden kann, ist ja weithin bekannt. Auch hier in der Nähe sind bereits Fälle von solchen Hirnhautentzündungen aufgetreten. Aber es macht keinen Unterschied: Die Erkrankungen sind gefährlich und man sollte sich immer gut schützen vor Zeckenstichen.“
Gerade Menschen, die öfter gestochen werden, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), sind besonders von Borreliose-Erkrankungen gefährdet. „Ich trage natürlich meistens lange Hosen und schütze meine Beine“, sagt Nagelmann. Bei ihr sind im Sommer nach den Zeckenbissen die ersten Beschwerden im Knie aufgetaucht. „Im Oktober haben wir schließlich einen Wanderurlaub nach einer Woche abbrechen müssen, weil ich nicht mehr laufen konnte.“ Danach sei dann auch die Borreliose bei ihr festgestellt worden und sie sei mit einem Antibiotikum dagegen behandelt worden. Nachdem sich keine Besserung einstellte, sei noch der Verdacht auf einen Meniskusschaden aufgekommen. Wie der Mediziner berichtet, bestand zunächst die Hoffnung, dass sich das Gelenk durch den ersten Eingriff retten lassen würde. Aber die heimtückische Bakterieninfektion habe sich hinterher weiter ausgebreitet.
Rapid-Recovery-Programm am Klinikum Osnabrück
Nach der zweiten Operation, bei der ihr Kniegelenk ersetzt wurde, hat sich Nagelmann in dem im Klinikum Osnabrück angebotenen „Rapid-Recovery-Programm“ wieder auf die Beine bringen lassen. Das Behandlungskonzept zielt darauf, Patientinnen und Patienten nach dem Einsetzen von künstlichen Hüft- oder Kniegelenken möglichst rasch wieder zu mobilisieren, um sie bei einer schnellen Genesung zu unterstützen. Das Klinikum Osnabrück ist nach Angaben von Engelhardt das einzige Krankenhaus in Niedersachsen, das mit dem genormten Programm arbeitet, in dem Ärzte, Therapeuten und die Pflege interdisziplinär zusammenwirken, um Erkrankte nach Eingriffen schnell wieder fit zu machen. Es sieht unter anderem vor, dass die Operierten schon wenige Stunden nach dem Eingriff die ersten Bewegungsübungen machen, aufstehen und am Tag danach bereits laufen.