Zahl der Strafverfahren steigt auf Rekordhoch, Anzahl der Anklagen sinkt
Die Zahl der Strafverfahren bei den Staatsanwaltschaften ist auf ein neues Rekordhoch gestiegen, während die Anzahl der erhobenen Anklagen der Staatsanwaltschaften vor deutschen Gerichten auf einen neuen Tiefstand gesunken ist. Dies geht aus einer Auswertung durch die Deutsche Richterzeitung hervor, über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben) berichten. Demnach haben die Strafverfolgungsbehörden 2022 bundesweit mehr als 5,2 Millionen Fälle bearbeitet, ein Anstieg von fast 308.000 Verfahren im Vergleich zu 2021. Laut Angaben der Richterzeitung landet jedoch nur noch jedes 15. Strafverfahren mit einer Anklageerhebung vor einem Gericht, insgesamt 340.243 Fälle im Jahr 2022. Zehn Jahre zuvor sei dies noch bei jedem zehnten Strafverfahren der Fall gewesen, damals insgesamt 485.525 Anklageerhebungen.
Personalmangel in der Justiz
Die Justizstatistiken zeigen deutlich, dass eine personell ausgelaugte Strafjustiz mit ihren wachsenden Aufgaben kaum noch Schritt halten kann, so Sven Rebehn, der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes. Laut Rebehn fehlen bundesweit 1.500 Juristen in den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten. Die Folge ist, dass dringend Tatverdächtige immer öfter aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, da die Verfahren zu lange dauern. Im Jahr 2022 wurden in mindestens 73 Fällen Haftbefehle aus diesem Grund aufgehoben, im Vergleich zu 66 Fällen im Jahr 2021 und 40 Fällen im Jahr 2020.
Verlängerte Verfahrensdauer
Die durchschnittliche Verfahrensdauer von erstinstanzlichen Strafverfahren vor den Landgerichten ist auf einen neuen Höchstwert von 8,6 Monaten gestiegen. Auch bei den Amtsgerichten hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer bis zu einem Strafurteil auf fast sechs Monate verlängert. Diese Entwicklung ist laut Rebehn besorgniserregend und zeigt die dringende Notwendigkeit, dass Bund und Länder die wachsenden Aufgaben in der Strafverfolgung angemessen mit Personal unterlegen. Die steigenden Fallzahlen bei den Staatsanwaltschaften und die immer aufwendigeren Strafverfahren, unter anderem aufgrund der wachsenden Menge an auszuwertenden digitalen Datenspuren, tragen zur angespannten Lage bei. Rebehn kritisiert zudem, dass die Politik die Situation mit einer zunehmenden Regelungsdichte und Detailtiefe im Strafrecht noch weiter verschärft.
Quelle: Deutsche Richterzeitung, Funke-Mediengruppe