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Wunsch nach Sterilisation: Osnabrückerin wird am Marienhospital abgewiesen

Nicole* will sich sterilisieren lassen – und dafür hat sie gute Gründe. Wegen eines speziellen medizinischen Verfahrens überwies ihr Gynäkologe sie ins Marienhospital (MHO). Ohne Arztgespräch wurde sie dort abgewiesen, denn eine Sterilisation zu Verhütungszwecken wird dort wegen der „Grundsätze der katholischen Kirche“ abgelehnt. Nicole will für ihre Selbstbestimmtheit kämpfen.

An einem Dienstagvormittag hatte Nicole einen Termin im Marienhospital. Mit einer Überweisung ihres Frauenarztes im Gepäck sollte die anstehende Sterilisation samt zusätzlicher Gebärmutterschleimhautentfernung mit einem behandelnden Arzt vor Ort besprochen werden. Doch bis zu dem kam sie gar nicht. Am Empfang der Gynäkologie-Station des christlichen Krankenhauses wurde sie mit den Worten abgewiesen, dass ein solcher Eingriff „nicht mit der christlichen Ethik der Niels-Stensen-Kliniken vereinbar“ wäre.

„Mehr Freiheiten und Selbstbestimmtheit“

Nicole ist 38 Jahre alt, ist in einer langjährigen Beziehung mit ihrem Partner und seit acht Jahren verheiratet. Da sie „glücklich kinderlos“ sei, besprach sie im vergangenen Jahr mit ihrem Osnabrücker Gynäkologen, dass sie sich eine Sterilisation wünsche. „Ein Kind wäre für mich einfach eine psychische Belastung“, erklärt Nicole. Deshalb wolle sie zu Verhütungszwecken eine Sterilisation durchführen lassen. Eine hormonelle Verhütung verursacht bei ihr zusätzlich gesundheitliche Probleme. „Ich sitze voller Zysten, die mich schon ins Krankenhaus gebracht haben, weil sie geplatzt sind“, erzählt sie. „Eine Verhütung mit Kondom ist für mich nicht sicher.“ Natürlich könne man argumentieren, dass ihr Mann den Eingriff vornehmen lassen könnte. „Für mich ist aber klar, dass ich diese OP durchführen möchte, weil ich im gleichen Zuge die Gebärmutterschleimhaut veröden lassen will, damit ich keine Menstruation mehr habe. Das bedeutet für meinen Lebensstil mehr Freiheiten und Selbstbestimmtheit.“ Ohne Bedenken habe ihr Frauenarzt zugestimmt und sie aufgrund des speziellen NovaSure-Verfahrens, mit dem die Gebärmutterschleimhaut entfernt werden sollte, an das MHO überwiesen. In der Region ist das MHO das einzige Krankenhaus, das dieses spezielle Verfahren nutzt. Nicoles Gynäkologe hat ihr einen Termin vereinbart, um die Details zu besprechen. Doch dann folgte die Abweisung.

Nicole ist wütend. Sie fühlt sich zurückversetzt ins „tiefste Mittelalter“, fühlt sich diskriminiert aufgrund ihres Geschlechts und hat das Gefühl, über ihren eigenen Körper nicht selbst bestimmen zu dürfen. Insbesondere weil das MHO eine Vasektomie, also eine männliche Sterilisation, durchführt. Doch was sagt das MHO dazu? Werden dort wirklich keine Sterilisationen vorgenommen? „Beim Thema Sterilisation handelt es sich in konfessionellen Häusern um eine komplexe Fragestellung“, erklärt Ute Laumann von den Niels-Stensen-Kliniken. „Grundsätzlich ist es so, dass in den Niels-Stensen-Kliniken Sterilisationen durchgeführt werden, sofern eine medizinische Indikation dafür vorliegt.“ Das sei zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Gebärmutter zu groß ist oder die Gesundheit der Patientin im Falle einer Schwangerschaft gefährdet wäre. „Liegt keine Indikation vor, werden keine Sterilisationen durchgeführt“, sagt Laumann. „Dies beruht auf unserer grundsätzlichen Haltung, jeden Heileingriff zu unterstützen und insofern nur therapeutische Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Sterilisation vorzunehmen.“ Die Entscheidung, ob eine ausreichend gravierende medizinische Indikation für eine Sterilisation vorliegt, sei manchmal schwer zu treffen.

Geschlechterdiskriminierung?

Für Nicole ist das kein Trost. „Ich werde nicht nur aufgrund meines Geschlechts diskriminiert, mir wird sogar die freie Arztwahl verwehrt“, sagt Nicole aufgebracht. Vasektomien werden in Osnabrück unter anderem am Urologicum Osnabrück angeboten, eine selbstständige Praxis im Gebäude der Niels-Stensen-Kliniken Marienhospital Osnabrück – Natruper Holz. Damit bestehe ein Unterschied zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Niels-Stensen-Kliniken, die bei Dienstantritt die Grundordnung des kirchlichen Dienstes unterzeichnen müssen und „somit den Grundsätzen der katholischen Kirche zustimmen“. Und: „Diese lehnt eine Sterilisation ohne medizinische Indikation ab.“

Weiter sagt Laumann: „Grundsätzlich empfiehlt es sich deshalb im gemeinsamen Arzt-Patientengespräch herauszufinden, was der Beweggrund für eine Sterilisation ist und ob eine medizinische Indikation vorliegt.“ Das war für Nicole allerdings gar nicht möglich. Alles nur ein Irrtum? Das sagt zumindest das MHO. Auf der Überweisung sei nicht ersichtlich gewesen, dass gleichzeitig die Gebärmutterschleimhaut mit dem NovaSure-Verfahren entfernt werden sollte. „Wir bitten es zu entschuldigen, wenn es hier zu einem Missverständnis gekommen sein sollte“, so Laumann. Nicole scheint aus Sicht des MHO ein Einzelfall: „Ohne dass eine medizinische Indikation vorliegt, kommen pro Jahr eine oder zwei Frauen mit dem Wunsch einer Sterilisation zu uns“, weiß Laumann. Nicole habe allerdings bereits etwa von einer Kollegin erfahren, dass sie nicht die einzige ist, die bereits an den medizinischen Türen des MHO abgewiesen worden wäre.

Nicole muss sich nun zwei Eingriffen unterziehen

In Deutschland sind zurzeit rund 1,45 Millionen Frauen sterilisiert, das sind etwa acht Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter. 450.000 Männer und damit rund zwei Prozent aller Männer sind sterilisiert. Bei Frauen ist insbesondere der Eingriff unter 35 Jahren umstritten. Vereine wie etwa „Selbstbestimmt steril“ setzen sich dafür ein, dass alle Frauen, die den Wunsch einer Sterilisation haben, diese auch machen lassen können.

Für Nicole bedeutet die Absage nun einen doppelten Eingriff. Im Klinikum Osnabrück wird die Sterilisation nun „ganz ohne Probleme und völlig selbstverständlich“ durchgeführt. Für das spezielle medizinische Verfahren zur Entfernung der Gebärmutterschleimhaut wird sie nun weiter – über die Region hinaus – fahren müssen. Sie wandte sich an unsere Redaktion, weil sie „diese Praxis des Unternehmens so nicht stehen lassen“ will. „Ich lebe glücklicherweise in einer Stadt mit einer großen Auswahl an Ärzten und bin mobil. Das ist wahrlich nicht für jede Frau so möglich.“ Die Zentralisierung von medizinischen Einrichtungen baut viele Standorte ab, sodass viele Frauen in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. „Wir sind eine führende Industrienation im 21. Jahrhundert! Die Kirche darf in meinen Augen keinen Einfluss auf medizinische Eingriffe nehmen oder überhaupt das Recht haben, diese zu be- beziehungsweise verurteilen.“

* Name von der Redaktion geändert, da Nicole selbst bei einem Arbeitgeber angestellt ist, der in kirchlicher Trägerschaft ist, und deswegen berufliche Konsequenzen fürchtet. 


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Jasmin Schulte
Jasmin Schulte
Jasmin Schulte begann im März 2018 als Redakteurin für die Hasepost. Nach ihrem Studium der Germanistik und der Politikwissenschaft an der Universität Vechta absolvierte sie ein Volontariat bei der Hochschule Osnabrück. Weitere Stationen führten sie zu Tätigkeiten bei einer lokalen Werbeagentur und einem anderen Osnabrücker Verlag. Seit März 2022 ist Jasmin Schulte zurück bei der HASEPOST und leitet nun unsere Redaktion. Privat ist Jasmin Schulte als Übungsleiterin tätig, bloggt über Literatur und arbeitet an ihrem ersten eigenen Roman.

  

   

 

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