Das Gelände des alten Osnabrücker Güterbahnhofs stand in den vergangenen zwei Jahrzehnten für Stillstand, Spekulation und den schon fast an einen Glaubenskrieg heranreichenden Konflikt des linken Spektrums im Stadtrat gegen die Freikirche Lebensquelle e.V., die zusammen mit der nicht immer glücklich agierenden Firma 3G Group (vormals Zion GmbH), über Umwege von der Deutschen Bahn AG das Eigentum an dem Gelände erworben hatte.
Erst als die Coppenrath-Stiftung im Sommer 2019 von der Stadt Osnabrück den angrenzenden alten Ringlokschuppen erworben hatte, kam Bewegung in die festgefahrene Angelegenheit.
Zuvor hatte, in einem letzten Kraftakt gegen die rechtmäßigen Eigentümer, der Osnabrücker Stadtbaurat Frank Otte im Jahr 2016 einen Bebauungsplan durchgeboxt, der eine sinnvolle Nutzung des Geländes bislang unmöglich gemacht hat. Jahrelanger Stillstand war die Folge.
Coppenrath Stiftung will ein “ansprechendes Umfeld”
Die Gerüchteküche kochte schon in den vergangenen Monaten immer wieder hoch, doch dann hat es wohl in den vergangenen Wochen einen Durchbruch gegeben. Der Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung gelang es, über eine ihr Immobilienvermögen verwaltende Tochtergesellschaft die an den alten Lokschuppen angrenzenden Flächen von der 3G Group sowie der Freikirche Lebensquelle zu erwerben. „Wir wollen für unser Leuchtturmprojekt ein gesichert ansprechendes Umfeld schaffen und haben uns darum um diese insgesamt 24 Hektar Fläche bemüht“, erläutert Felix Osterheider, Vor-standsvorsitzender der Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung die Hintergründe für den Coup, mit dem das Coppenrath INNOVATION CENTRE (CIC) ein schönes Umfeld bekommen soll, versehen mit dem Namen “Lok-Viertel” und der Perspektive sich zu einem neuen Stadtteil zu entwickeln.
Bald Startups statt Dampflokomotiven
Das CIC entsteht auf Initiative der Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung, die sich der Innovationsförderung in angestammten wie jungen Unternehmen verschrieben hat. Hierzu passt, dass der Osnabrücker Ableger des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in der zweiten Jahreshälfte 2022 als erster Ankermieter dort einziehen wird. Es schließen sich die Hochschule Osnabrück, das Gründerzentrum Seedhouse, das Agrotech Valley Forum (ein Zusammenschluss innovativer Akteure der regionalen Agrartechnik) sowie weitere Mieter aus Handwerk und Gewerbe an. Darüber hinaus wird auch die Stiftung selbst dort ihren Sitz nehmen und weitere Startup-Unternehmen, die das Innovationsvorhaben ergänzen.
Ein Projekt für die nächste Dekade
Es sei wichtig, für eine Institution wie das CIC, die in die Zukunft weisen soll, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine “vorwärtsgerichtete Stadtentwicklung” ermöglichten, erläutert Felix Osterheider die Pläne für das Gelände. Gleichwohl werde man sich als Stiftung nicht operativ betätigen: „Wir arbeiten mit einem erfahrenen Projektentwickler sowie einer namhaften Investmentgruppe zusammen, die das neue Lok-Viertel innerhalb der nächsten Dekade entwickeln und bebauen werden.“
Die Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung werde als Ermöglicher dieses Großprojektes aber darauf achten, dass Stadtplanung, Architektur und Nutzungsmix der Flächen ein stimmiges Ganzes bildeten und die lokalen wie regionalen Belange Priorität haben. „So wird sich das neue Stadtviertel in enger Abstimmung mit der Stadt Osnabrück entwickeln, wir arbeiten da ganz eng und Hand in Hand zusammen,“ so Osterheider abschließend.
Osnabrücker Grüne freuen sich über “Flächenrecycling”
Von Seiten der Osnabrücker Grünen gab es am Donnerstagnachmittag eine erste Reaktion auf die Pläne der Coppenrath-Stiftung.
Auf der Güterbahnhofsfläche sei jetzt “Flächenrecycling im besten Sinne des Wortes” möglich, so die Grüne Ratsfraktion. „Politik und Verwaltung müssen jetzt möglichst schnell dafür sorgen, dass gemeinsam mit der Stiftung eine neue, nachhaltige Nutzungsplanung entsteht. Wir unterstützen die Idee, hier ein sogenanntes ‚urbanes Gebiet‘ zu schaffen. Dann wären verschiedene parallele Nutzungen, Gewerbe, Wohnen, Kultur und Freizeit möglich. Das kann sehr attraktiv werden, aufgrund der zentrumsnahen Lage und der Nachbarschaft zum Hauptbahnhof“ so der Grüne Fraktionsvorsitzende Volker Bajus. Der Trend gehe ohnehin dahin, in einem Quartier Leben und Arbeiten zu ermöglichen.
Kommentar des Redakteurs
Noch im April 2016 erklärte Volker Bajus von den Grünen, mit Verweis auf die “Insellage” des Güterbahnhofs, das sei “keine Innenstadtlage wo man wohnen kann”. Bei einer entsprechenden Nutzung seien “Nachbarschaftskonflikte” vorauszusehen, und die könne man nicht wollen.
Schön, dass Bajus die einstigen Bedenken inzwischen ausgeräumt hat. Nüchtern betrachtet waren sie eh nur vorgeschoben, weil die bisherigen Eigentümer der Ökopartei nicht genehm waren.
Ein Kulturkampf, der letztlich zu einem Bebauungsplan führte, der vorgeblich “Vorratsflächen” für die Stadt bereitstellen sollte, tatsächlich aber nur eine schlecht kaschierte Enteignung darstellte.
Erstaunlich, was Bajus da 2016 gegen eine Wohnbebauung vorbrachte! Warum soll in einer Insellage denn kein Wohnen möglich sein? Schaut man sich das gerade in Entwicklung befindliche Landwehrviertel an, eingezwängt zwischen der Eisenbahnstrecke nach Amsterdam und dem Autobahnzubringer zur A1 (L88), sieht man sehr wohl, dass Wohnen in einer Insellage geht.
In den politischen Debatten der vergangenen Jahre wurde immer wieder über Platzmangel für neue Wohn- und Gewerbeflächen diskutiert. Der alte Güterbahnhof blieb dabei ein blinder Fleck der Politik, den man bloss nicht ansprechen wollte.
Mit der Coppenrath-Stiftung unter der Führung von Felix Osterheider gibt es nun einen neuen Innovationstreiber, mit dem hoffentlich alle Parteien leben können. Die Blockadehaltung gegen die bisherigen Eigentümer war ein Stück aus dem Tollhaus.
Erstaunlich, wie die Grünen nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der Pläne plötzlich alles für machbar halten, was “ihr Stadtbaurat” bislang immer zu verhindern versuchte.
Die gute Nachricht ist: Nun kann und wird es endlich vorangehen am alten Güterbahnhof, einer Fläche, die immerhin halb so groß wie der Vatikan ist – in einfacher Sprache für Osnabrücker: 80x die Wasserfläche des Moskaubads!