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„Wir streiten über den richtigen Weg, aber nicht über das Ziel“ – Katharina Pötter im großen Interview

Osnabrücks neue Oberbürgermeisterin Katharina Pötter / Foto: CDU Osnabrück

Katharina Pötter (CDU) ist seit dem 1. November Osnabrücks neue Oberbürgermeisterin. Mit 56,1 Prozent der Stimmen konnte sie sich bei der Stichwahl im September gegen die Kandidatin der Grünen, Annette Niermann, durchsetzen. Wir haben Katharina Pötter getroffen und mit ihr über ihre Ziele, Wünsche und Ideen für ihre Amtszeit gesprochen.

Hasepost: Frau Pötter, wie waren die ersten Tage im Amt?

Pötter: Die ersten Tage waren ziemlich vollgepackt mit Terminen, sowohl intern als auch extern. Langweilig ist mir noch nicht geworden!

Hasepost: Wie haben Sie die Tage zwischen Wahl und Amtsantritt verbracht?

Pötter: Bis zur Wahl hatte ich eine Weile Urlaub. Danach habe ich die Themen aus meinem alten Zuständigkeitsbereich als Verwaltungsvorstand auf Vordermann gebracht und gleichzeitig versucht, die neuen Themen vorzubereiten. Ich habe viele Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb der Verwaltung geführt und versucht, die ersten Veränderungen zu organisieren, damit es am 1. November direkt losgehen konnte. Damit waren die Tage schon ganz gut gefüllt.

Hasepost: Am 1. November war es dann soweit und der Tag der Übergabe stand an. Wie lief diese zwischen Ihnen und Herrn Griesert ab?

Pötter: Wir haben das, wie ich fand, ganz schlicht gemacht. Wir haben uns einfach auf dem Flur getroffen, in dem auch sein Bild in der Ahnengalerie enthüllt wurde. Dort hat er mit dann seinen Amtszimmerschlüssel gegeben und dann ging es auch gleich wieder weiter.

„Die Osnabrücker kennen mich“

Hasepost: Neben der Amtseinführung stand auch die erste Sitzung des Stadtrates an. Dort ist die CDU nicht mehr die stärkste Partei. Wie bewerten Sie das Abschneiden ihrer Partei?

Pötter: In den zurückliegenden Jahrzehnten hatten wir immer wieder Wechsel in den Mehrheiten. Die CDU hat jetzt deutlich verloren. Daraus muss aber die CDU als Partei und insbesondere die Fraktion ihre Rückschlüsse ziehen. Wenn man es im Ganzen bewertet, zeigt sich aber, dass weder die Grünen, noch die SPD, noch die CDU in der Themensetzung weit auseinander sind.

Es besteht eine große Einigkeit darin, dass wir vor allem über Stadterneuerung und Klimaanpassung reden müssen. Wir müssen diesen Schwerpunkten in der Stadtentwicklung deutlich mehr Aufmerksamkeit schenken als in den zurückliegenden Jahren. Dabei streiten wir vielleicht über den richtigen Weg, aber nicht über das Ziel. Daher glaube ich, dass die aktuelle Ratszusammensetzung große Chancen mit sich bringt.

Hasepost: Obwohl die CDU stark verloren hat und die Grünen die meisten Stimmen sammeln konnten, haben Sie sich gegen Frau Niermann durchgesetzt. Würden Sie sagen, dass das an ihrer Person lag?

Pötter: Das Ergebnis zeigt, dass eine Oberbürgermeisterwahl eine echte Personenwahl ist. Die Osnabrücker kennen mich. Sie kennen mich aus einer langen Zeit, während der ich Ratsmitglied war, sie kennen mich aber auch in der Vorstandsfunktion. Ich hatte den entscheidenden Vorteil, dass ich zeigen konnte, was ich für Osnabrück bewegen und verändern will. Ich glaube, es lag an meiner Person, dass die Menschen die Themen mit mir verbunden haben und mir zutrauen, dass ich die genannten Themen auch umsetzen kann.

Hasepost: In der ersten Stadtratssitzung kam es zu einem Eklat, als die kleinen Parteien die Sitzung wegen der Umstellung eines Berechnungsverfahrens für Ausschüsse als Protest eher verlassen haben. Die CDU hat auf Landesebene für diese Neuregelung gestimmt. War das die richtige Entscheidung?

Pötter: Das ist eine Entscheidung, die der Landesgesetzgeber getroffen hat. Es ist richtig, dass das Kommunalverfassungsgesetz die Möglichkeit beinhaltet, von diesem Berechnungsverfahren abzuweichen. Das ist aber nur einstimmig möglich. Sobald ein einziges Ratsmitglied widerspricht, muss nach d`Hondt verfahren werden. Da aber der Widerspruch von Ratsmitgliedern absehbar war, konnte ich nicht davon ausgehen, dass die Ausnahme ohne Gegenstimme beschlossen werden würde. Wobei ich natürlich verstehen kann, dass die kleinen Fraktionen und insbesondere die Einzelratsmitglieder sich nicht ausreichend gehört fühlen. Da sind wir als Stadtverwaltung aber nicht der richtige Ansprechpartner, sondern das Land Niedersachsen.

Pop-up-Radweg an der „Page“ soll schnell realisiert werden

Hasepost: Was wird sich in den ersten Tagen und Wochen mit einer Katharina Pötter als Oberbürgermeisterin ändern?

Pötter: In den ersten Tagen und Wochen geht es darum, sichtbare Entscheidungen zu treffen. Im Rat habe ich bereits eine wesentliche angekündigt: nämlich, dass wir nicht nur über den Radverkehr reden, sondern auch die ersten Dinge in die Tat umsetzen. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Wochen einen Pop-up-Radweg an der Pagenstecherstraße realisieren können. Pop-up verstehen wir dabei als Übergangslösung, also nicht für zwei oder drei Wochen, sondern bis wir eine endgültige, bessere Lösung realisieren können. Das wird sich auch am Wallring fortsetzen.

Auch in den Bereichen Klimaanpassung und Stadterneuerung werden wir zügig zu Veränderungen kommen. Wir müssen außerdem darüber reden, wie wir das Projekt Neumarkt stärker beschleunigen können. Das sind alles Themen, welche die nächsten Wochen stark prägen werden. Am Ende muss eine dynamische Stadt stehen, die deutlich grüner ist. Damit signalisieren wir nach außen, dass wir das Thema Klimaanpassung sehr ernst nehmen und uns zukunftsfähiger aufstellen.

Außerdem müssen wir die Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen beschleunigen, aber auch für die gesamte Stadt, gewährleisten. Denn Digitalisierung hört nicht bei der Verwaltung auf, sondern wirkt auch in die Stadtgesellschaft. Da können wir als Stadt wichtige Impulse setzen.

Hasepost: Stichwort Digitalisierung: Wie wollen Sie die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger da mitnehmen?

Pötter: Zunächst mit Übergangsstrategien: Wenn sie zum Beispiel an unser Bürgeramt denken, wo Sie hoffentlich bald digital einen Personalausweis beantragen und sich zuschicken lassen können. Wenn jemand das nicht möchte oder kann, dann könnten wir die Möglichkeit bieten, in unseren Stadthäusern zentral an einem Terminal den Menschen diesen Weg mit Unterstützung zu zeigen. Solche Zwischenschritte sind notwendig, um das Vertrauen in digitale Bürgerdienstleistungen zu bekommen. Natürlich werden wir auch um Teilhabe werben und Schulen müssen und Angebote machen, bei denen man diese digitale Teilhabe erlernen kann.

B68 kann nur durch Lückenschluss aus der Innenstadt verlegt werden

Hasepost: Die Pagenstecherstraße ist ein viel diskutierter Verkehrsabschnitt. Die Bundesstraße 68 ist auch so einer. Gehört so eine Straße für Sie in die Stadt?

Pötter: Nein, eine Umleitungsstrecke für eine Bundesautobahn gehört überall hin, aber nicht quer durch eine Innenstadt. Sie lässt sich aber nur dann aus verlegen, wenn wir eine Alternativroute bieten, falls es auf der A30 zu Staus oder Unfällen kommt. Dazu bietet sich nur ein Lückenschluss von der A1 zur A30 an. Deswegen können wir die B68 nur aus der Stadt rausbekommen, wenn wir uns klar zu diesem Lückenschluss positionieren und immer wieder fordern, diesen auch umzusetzen.

Hasepost: Können Sie sich vorstellen, dass es in Osnabrück zu einem generellen Tempolimit von 30 kommt?

Pötter: Innerhalb des Wallrings haben wir das bereits. Da fällt mir keine Straße ein, die nicht Tempo 30 hat. Wir sind schon relativ weit. Für die großen Ausfahrtsstraßen und den Wallring fällt mir aber kein Argument für ein Tempolimit ein.

Für den Radverkehr müssen wir stattdessen sichere Radverkehrsanlagen bauen. Deswegen kann das eine nicht dazu führen, dass wir das andere lassen. Wir müssen sichere Radwege bauen, die von den Individualverkehrsspuren getrennt sind. Zum Beispiel mit einem Standard der viel zitierten Protected Bike Lane. Nur das bietet die notwendige Sicherheit für den Radverkehr.

Hasepost: Die Protected Bike Lane hat besonders deswegen Schlagzeilen gemacht, weil sie so teuer war. Wenn das das gewünschte Konzept ist, wie soll das finanziell geregelt werden?

Pötter: Wir haben vom Bund die Zusage für einen Förderbescheid über sechs Millionen Euro nur für den Wallring bekommen. Wenn wir das geschickt anstellen, kriegen wir dafür eine Protected Bike Lane um den Wall herum hin. Natürlich muss man da auch auf die Kosten achten, aber ich bin mir sicher, dass wir durch die Förderung deutlich an Fahrt aufnehmen können.

Und ja, das wird Geld kosten. Und ja, es wird dafür auch Einschränkungen für den PKW-Verkehr geben. Aber da muss man im Einzelfall abwägen: Wem nützt es mehr? Fünf Stellplätze am Wall oder hunderte von Radfahrern, die den Wall sicher passieren können. Da ist meine Prioritätensetzung klar für den Radverkehr. Und ich bin mir ziemlich sicher, und so habe ich auch die Entscheidung der Mehrheitsgruppe verstanden, dass sie das auch so sieht. Also haben wir da einen großen Konsens und ich glaube, da können wir in dieser Ratsperiode eine Menge erreichen.

VfL für tausende Osnabrücker „Identifikationsfaktor Nummer eins“

Hasepost: Ihr Vorgänger Wolfgang Griesert war regelmäßig bei Spielen des VfL Osnabrück zu Gast. Wird man Sie auch mal an der Bremer Brücke sehen?

Pötter: Bestimmt! Ich bin jetzt ein paar Male dagewesen und habe ein bisschen Blut geleckt. Es ist ein besonderes Erlebnis selbst im Stadion zu sein und nicht nur im Fernsehen oder im Liveticker zu verfolgen, wie sich der VfL schlägt. Es ist schon eine besondere Atmosphäre an der Bremer Brücke. Ich bin nicht der eingefleischte Fußballfan, aber trotzdem: zu sehen, wie vielen Menschen in der Region und besonders in der Stadt der VfL so wichtig ist, dass sie regelmäßig ihre Zeit dort im Stadion verbringen, das ist schon beeindruckend.

Hasepost: Welche Rolle spielt der VfL aus ihrer Sicht für die Stadt?

Pötter: Der Verein ist für tausende von Osnabrückerinnen und Osnabrückern der Identifikationsfaktor Nummer eins mit der Stadt. Es ist nicht nur Werbeträger, regional und überregional, es ist auch Kult zur Bremer Brücke zu gehen und lila-weiß zu sein. Das hält zusammen; über alle Bevölkerungsschichten und über alle Altersklassen hinweg.

Hasepost: Für den VfL wird noch nach einem Trainingszentrum gesucht. Aktuell sieht es nach einer Lösung auf dem Schinkelberg aus. Ist das eine Dauerlösung? Und was soll dann mit den Amateurvereinen passieren, die dort trainieren?

Pötter: Wichtig ist, kurzfristig die Trainingsmöglichkeiten für den VfL deutlich verbessern. Da liegt die Idee mit dem Schinkelberg sehr nahe. Die entsprechenden Beschlüsse sind gefallen und gehen jetzt in die Umsetzung. Alles Weitere muss man in Ruhe mit den Beteiligten besprechen und nach weiteren Ideen gucken, wo der VfL mit dem Trainingszentrum, aber auch mit dem Jugendleistungszentrum künftig angesiedelt werden kann. Das wird sicherlich in den nächsten Wochen einige Gespräche bedeuten.

Mehr Booster-Impfungen angedacht

Hasepost: Beim VfL sind inzwischen wieder Zuschauer zugelassen und auch der Weihnachtsmarkt wird bald wieder viele Menschen in die Stadt locken. Gleichzeitig steigen die Coronazahlen aktuell wieder stark an. Wie geht es in der Stadt jetzt weiter?

Pötter: Erstmal muss man sagen, dass die Zahlen auch in der Stadt und im Landkreis Osnabrück steigen. Aber wenn man genauer hinguckt, dann sieht man schon, dass sie nicht so schnell steigen wie anderswo. Das kann man auf gute Impfquote in der Stadt zurückführen.

Wir werden jetzt alles daransetzen, mit dieser guten Basis weiterzumachen. Wir haben gemeinsam mit dem Landkreis Osnabrück abgestimmt, dass wir unsere Impfkampagne in den nächsten Wochen verstärken wollen, dass wir vielmehr auch die sogenannte Booster-Impfung anbieten wollen.

Wir überlegen, den Gedanken des Bundesgesundheitsministers möglichst schnell in die Tat umsetzen und wieder stationär ein Impfangebot zu machen. Natürlich nicht so, wie wir das in der ersten Phase gemacht haben, aber wir versuchen weiterhin das Impfangebot so niedrigschwellig wie möglich zu halten. Denn auch wenn die Impfung nicht zu 100 Prozent vor Infektion oder Erkrankung schützt, so schützt sie zumindest vor schwerer Erkrankung und der Intensivstation.

Das ist die Zielsetzung der ganzen Maßnahmen. Darüber hinaus werden wir versuchen, die Maßnahmen der Kontaktverfolgung aufrecht zu erhalten, was aber nicht mehr in dem gewohnten Umfang möglich ist. Dafür steigen die Zahlen in unserer Region doch auch zu schnell.

Hasepost: Gibt es aktuelle Zahlen, wie viele Osnabrücker und Osnabrückerinnen die Booster-Impfung erhalten haben?

Pötter: Wir können nicht sagen, wie viele Osnabrücker die Impfung erhalten haben. Wir können nur sagen, wie viele Impfungen unser Impfzentrum, unser Impfteam und die niedergelassenen Ärzte machen. In den vergangenen Wochen haben in Osnabrück über 6000 Menschen die Auffrischungsimpfung erhalten. Damit sind wir allerdings von dem Ziel zunächst alle über 70jährigen ein drittes Mal zu impfen, noch weit entfernt.

„Nicht nochmal einen Winter und Frühjahr wir 2020 und 2021“

Hasepost: Glauben Sie, dass wir unter den aktuellen Voraussetzungen gut durch den Winter kommen?

Pötter: Ich glaube, dass die Situation aufgrund der verfügbaren Impfstoffe anders sein wird, als im letzten Winter. Wir werden nicht nochmal einen Winter und Frühjahr wir 2020 und 2021 erleben. Davon bin ich überzeugt.

Hasepost: Seit dem Krieg gab es in Osnabrück nur eine weibliche Oberbürgermeisterin, sie sind sie zweite. Haben Sie das Gefühl, als weibliche Oberbürgermeisterin mehr leisten zu müssen, als ihren männlichen Vorgänger?

Pötter: Diese Frage spielt für mich keine Rolle. Entscheidend ist, dass sich die Herausforderungen und Aufgaben geändert haben und denen möchte ich gerecht werden.

Hasepost: Worauf freuen Sie sich in ihrer Amtszeit besonders?

Pötter: Nachdem jetzt die ganzen Formalitäten hinter uns liegen, können wir endlich an die inhaltlichen Themen gehen und die ersten Erfolge sehen. Sei es der geplante Pop-up-Radweg oder ein fertiger Neumarkt. Dass man wirklich sieht, dass man was bewegt hat, das ist das, worauf ich mich am meisten freue.

Frau Pötter, wir bedanken uns das Interview.

Das Interview wurde geführt von Maurice Guss und Sophie Scherler


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