Selstar / Foto: Hochschule Osnabrück
Selen – schon einmal gehört? Seit nun mehr 20 Jahren forscht Prof. Dr. Lutz Schomburg an der Charite – Universitätsmedizin Berlin an dem für Menschen lebensnotwendigen Spurenelement. Warum das in Europa weitgehend unbekannte Selen für den Menschen so wichtig ist und wie ein Apfel schwere Krankheitsverläufe – zum Beispiel aufgrund einer Corona-Erkrankung – zukünftig mindern könnte, erklären Schomburg und Dr. Christoph Budke von der Hochschule Osnabrück.
Seit mittlerweile 25 Jahren ist der 7. März dem „Tag der gesunden Ernährung“ gewidmet. Obst und Gemüse gehören unverzichtbar dazu, stecken sie doch voller Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe. Allerdings leistet die pflanzliche Kost bislang kaum einen Beitrag zur Versorgung des Menschen mit einem lebensnotwendigen Spurenelement, dem Selen. Nur wenige Firmen verdienen mit Selen Geld, dabei weisen Wissenschaftler darauf hin, dass es von dem Spurenelement in Europa viel zu wenig gibt.
Zahlreiche Risiken durch Selenmangel
„Der Mangel kann unter anderem zu Schilddrüsenerkrankungen führen oder das Krebsrisiko erhöhen. Er ist ein direkter Auslöser für ein Versagen des Immunsystems und somit für Autoimmunerkrankungen“, erklärt Prof. Dr. Lutz Schomburg. „In Pandemiezeiten kann durch eine Unterversorgung auch das Sterberisiko infolge einer Corona-Erkrankung steigen.“ Bei Tests an Corona-Patienten in Italien habe man beobachten können, dass Infizierte mit einem schlechten Selen-Status oft schwerer erkrankt seien.
Ein weiteres Risiko einer Unterversorgung mit dem Spurenelement sei, dass man diese dem Unterversorgten äußerlich nicht ansehe. „Es ist für mich ein unterschätztes Risiko. Da sich Unternehmen wenig kümmern, tun wir wir das an der Charite in Berlin und ich seit 20 Jahren mit wachsender Begeisterung“, sagt Schomberg, der erst kürzlich eine Selen-Konferenz in Hawaii besuchen konnte.
Viel Selen in Amerika, wenig in China
In Amerika sei der Selen-Mangel nicht sonderlich verbreitet. Der Grund: „Die amerikanischen Böden sind anders als unsere sehr selenreich, weshalb die Getreideprodukte dort voller Selen sind“, merkt Schomberg an. Ganz anders sei die Lage in China, wo die Selenversorgung von Natur aus nicht ausreichend sei. „In Europa ist der Status in Polen am schlechtesten“, ergänzt Schomberg.
Da auch in Deutschland die natürliche Selen-Versorgung unzureichend sei, müsse man alternative Wege finden, um dem Mangel entgegenzuwirken. Schomberg ist dabei optimistisch: „Es ist eigentlich leicht zu beheben, kostet wenig und es schmeckt, wenn man es richtig verpackt.“ Genau darum kümmern sich Verantwortliche an der Hochschule Osnabrück – und sind bereits erfolgreich: „Wir haben eine Apfel entwickelt, der das Problem der Unterversorgung lösen soll“, so Dr. Christoph Budke von der Hochschule Osnabrück.
Ein Apfel soll helfen
Doch warum ausgerechnet ein Apfel? „Der Apfel ist das beliebteste Obst der Deutschen, wir verfügen über einen umfangreichen Anbau und es ist ein sehr gesundes Lebensmittel“, begründet Budke. Der Selstar, so der Name des selenreichen Apfels, ist ein mit Selen angereicherter Apfel der Sorte Elstar und liefere einen gesunden Zusatznutzen durch Selen wie es sonst überwiegend nur tierische Produkte tun. Anders als diese ist der Selstar auch für Vegetarier geeignet.
„Wir sind 2016 mit fünf Bäumen gestartet, haben verschiedene Sorten getestet und tausende Proben ausgewertet“, blickt Budke zurück. 2019 folgte dann ein erster Praxistest auf 0,5 Hektar Anbaufläche. Im vergangenen Jahr lag die Anbaufläche bereits bei 33 Hektar bei 19 Obstanbauern im Alten Land bei Hamburg. Bei passendem Selengehalt kommt der Apfel schließlich über die Erzeugerorganisation Elbe-Ost in den Verkauf bei verschiedenen Edeka-Märkten – auch in der Region. Aus der aktuellen Saison entstammen rund 550 Tonnen Selstar-Äpfel.
Selstar bald in ganz Deutschland?
Ziel sei es, so Budke weiter, den Apfel in zunehmend mehr Edeka-Märkten anzubieten und deutschlandweit zu etablieren. Helfen soll dabei auch ein Auftritt in den sozialen Medien. Die Kunden im Laden könnten zudem über die Verpackung der Äpfel zahlreiche Informationen erhalten. „Wir arbeiten in vielen Bereichen daran, den Gesundheitswert in anderem Obst und Gemüse zu verbessern, um weitere Alternativen anbieten zu können“, berichtet Budke abschließend. Brokkoli sei zum Beispiel gut geeignet und werde weiter untersucht. Eine Überführung an Apfelsaft sei bislang nicht erfolgreich, da sich das Selen in der Schale anreichere, die nicht in den Saft komme. Ob eine Überführung an Apfelkorn möglich sei, ließ Budke offen, aber: „Das entspräche auch nicht unserem Gesundheitsanspruch.“