Zufriedene Gesichter waren am Dienstagnachmittag bei den Vertretern der Stadtverwaltung, des Stadtmarketings, der Werbefirma Ströer und nicht zuletzt bei Stadtbaurat Frank Otte zu sehen, als das groß angekündigte „öffentliche WLAN“ für Osnabrück vorgestellt wurde.

AFP

Wie die geladene Presse vor Ort in der Bierstraße testen konnte, funktioniert das drahtlose Internet erwartungsgemäß auch gut.
Wer will, kann ab sofort an neun Standorten in der Osnabrücker Innenstadt kostenfrei im Internet surfen. Bald sollen noch zwei weitere Standorte hinzu kommen.

So weit so gut. Wer heute hier nur gute Nachrichten lesen möchte, dem empfehlen wir jetzt einen Klick auf einen der Werbebanner rechts oder oben auf dieser Seite. Für alle anderen haben wir noch ein wenig sprichwörtliches „Wasser“, das wir in den „Wein“ der doch so  gut klingenden Nachricht gießen müssen…

Unsere Redaktion hat vollstes Verständnis dafür, wenn sich viele Osnabrücker jetzt über das neue Angebot freuen, doch auch die Hintergründe sind eine genauere Betrachtung wert.


 

Das neue WLAN ist für die Stadt kostenfrei – wirklich?

Im Verlauf der Pressekonferenz fiel mehrfach die Aussage, dass die Stadt nichts für das öffentliche WLAN zahlen müsse, und es sei nicht nur für die Nutzer sondern auch für die Stadt „kostenfrei“.
Etwas vorsichtiger formuliert es Stadtbaurat Frank Otte, der von „kostenneutral“ und einer „Kompensation“ spricht. Doch wie genau funktioniert die Finanzierung des neuen Wifi-Netzes? Ist den Verantwortlichen bekannt welchen Wert die“Kompensation“ hat, und wurden „am Markt“ Vergleichsangebote eingeholt? 

Wir haben bei der Pressekonferenz nachgefragt und im Anschluss einige Aussagen nachgeprüft.

Osnabrück ist vertraglich verbandelt mit der Firma Ströer (ehemals “Deutsche Städte Reklame”). Alle paar Jahre, zuletzt 2013, wird darüber verhandelt in welchem Rahmen und an welchen Standorten in der Stadt das Unternehmen exklusiv Werbeflächen (CityLight-Poster etc.) aufstellen und vermarkten darf. Im Gegenzug kann die Stadt einen Teil dieser Flächen für eigene Veranstaltungsplakate kostenfrei oder kostenreduziert nutzen – und erhält einen Teil der Werbeeinnahmen. Alle näheren Vertragsdetails sind jedoch geheim.
Bereits beim letzten Vertragsschluss im Jahr 2013 wurde mit-verhandelt, dass die Werbefirma im Gegenzug für den Werbevertrag auch ein offenes Wifi-Netz installiert.

Nachdem fast zwei Jahre nichts passiert war, brachte die Kleinstfraktion  UWG/Piraten im Frühjahr 2015 mit einem im Rat der Stadt eingebrachten Antrag, wieder Schwung in die Verhandlungen.

Freies Wifi gibt es nur für noch mehr Werbeflächen

Im vergangenen Jahr stellte sich heraus, dass die Verantwortlichen 2013 jedoch nur eine „Absicht“ verhandelt hatten. Damit Osnabrück tatsächlich sein öffentliches WLAN bekommt, stellte die Firma Ströer nachträglich nicht unerhebliche Gegenforderungen.

Wie unsere Redaktion bereits im vergangenen Jahr recherchierte, verlangte die Werbefirma als Kompensationsleistung die Pachtfreistellung für mehrere neu geplante Anlagen (darunter zwei „Mega-Light“-Anlagen in der Hannoverschen Straße und Ackerstraße sowie Pagenstecherstraße; einen „City Star“ an der Bohmter Straße und fünf neue „City-Light-Poster“-Wechselanlagen in der Innenstadt).

Pressekonferenz
Pressekonferenz zum Start des öffentlichen WLAN in Osnabrück

Nachgefragt: Wie „in Euro und Cent“ wurden die Kompensations-Werbeanlagen bewertet?

Im Verlauf der Pressekonferenz am Dienstag wurde bekannt, dass Ströer sich wohl weitestgehend bei den geforderten Werbeflächen durchsetzen konnte. Im Gegenzug bekommt die Stadt nicht 10(!) wie noch 2015 diskutiert wurde, sondern immerhin 11 Einwahlpunkte, von denen zwei zum Start allerdings noch nicht aktiv sind.
Auf Nachfrage unserer Redaktion wollte der Stadtbaurat nicht beziffern welchem finanziellen Betrag die Kompensation durch die Stadt (also die Gewährung der Werbeflächen) entspricht. Otte zog sich dabei auf die Nicht-Öffentlichkeit solcher Details zurück.

Kompensationsgeschäft ohne Kenntnis des Gegenwerts?

Auf erneute Nachfrage, ob denn diese Summe überhaupt „ausgerechnet“ wurde, erklärte Otte, dass dies nicht geschehen sei. Der Wert der von der Stadt gewährten Gegenleistung ist „nicht in Euro und Cent“ bekannt, so Otte.
Auch sei kein Gremium der Lokalpolitik über den Wert des mit Ströer vereinbarten Kompensationsgeschäfts informiert worden, so Otte auf Nachfrage.
Obwohl die Vereinbarung über das öffentliche WLAN von beiden Seiten bereits 2018 wieder gekündigt werden kann, ist im entsprechenden Vertrag auch nicht definiert, welche Leistung (in Geld) die Firma Ströer an die Stadt abführen muss, sollte diese in Zukunft wieder auf das öffentliche WLAN verzichten wollen oder sich für einen anderen Dienstleister entscheiden. Hierzu hieß es vom Stadtbaurat lediglich: „das werde man dann dann ja ausrechnen können“.

Was zusätzliche Zugangspunkte kosten wurde ebenfalls nicht vertraglich fixiert

Aber auch in umgekehrter Richtung scheint das nicht-öffentliche Vertragswerk recht schlicht gestrickt zu sein. Zwar ist es grundsätzlich möglich in Zukunft noch zusätzliche Zugangspunkte hinzuzufügen, doch welche Kompensationen dann an die Firma Ströer geleistet werden müssen, sei ebenfalls „nicht definiert“, so Frank Otte.
Man können ja nicht „0,7 Citylight-Poster“ genehmigen, weil sich das rechnerisch irgendwie als der Gegenwert dafür ergebe“, ging der Stadtbaurat über die scheinbar lästige Frage hinweg.

Alexander Stotz, CEO der Ströer Media Deutschland GmbH, der extra zu der Presseveranstaltung aus Köln angereist war, wollte keine Stellung zu der unserer Redaktion vorliegenden Information eines unabhängigen Beraters nehmen, nachdem die von der Stadt Osnabrück gewährten Kompensationen auf das Jahr gerechnet einem Gegenwert entsprächen, der mit einer mindestens fünfstelligen Summe bewertet werden kann.

Kein Ausschreibungsverfahren, nur Nachfragen

Warum denn ausgerechnet das von der Firma Ströer angebotene WLAN das richtige für die Stadt sei, auch vor dem Hintergrund, das mit den Netzen von Freifunk e.V. und Stadtwerke/NOZ bereits zwei kostenfreie Netze vorhanden sind, erklärte der Stadtbaurat damit, dass kein anderer Anbieter ein solches „Leistungspaket“ hätte bieten können.
Eine reguläre Ausschreibung fand aber wohl nicht statt, wie aus den  weiteren Erläuterungen zu vernehmen war. Dazu hätte wohl auch der Wert der gewährten Kompensationen an die Firma Ströer vor Vertragsunterzeichnung einmal ausgerechnet worden sein müssen. Ohne das die im Raum stehende Summe bekannt ist, versteifte sich Stadtbaurat Otte in seinen Äusserungen auf die hohe Servicequalität die von Ströer (bzw. dem Partner Telekom) geboten würde. Diese Qualität hätte nach Ansicht des studierten Architekten von keinem anderen Partner angeboten werden können.
Es habe jedoch „Gespräche und Nachfragen“ mit bzw. bei anderen Anbietern gegeben, so Frank Otte.

Das „eigene öffentliche WLAN“ für die Stadt sind tatsächlich längst bestehende HotSpots der Telekom

Doch zurück zu den Details – weg vom leidigen Thema Geld. Als Partner hat sich die Firma Ströer die Deutsche Telekom gesucht; mit der man allerdings auf vielfältige Weise wirtschaftlich verbandelt ist, doch dazu unten mehr.
Schaut man sich die Karte der verfügbaren HotSpots an, stellt sich schnell heraus: Mit Ausnahme der noch nicht installierten Zugangspunkte in der L+T-Markthalle und am Markt, sowie dem Zugangspunkt in der Touristeninformation in der Bierstraße, handelt es sich um Standorte an denen die Telekom bereits „Telefonsäulen“ stehen hat, und über die auch schon bislang ein großer Teil der mehr als 40 Millionen Mobilfunkkunden der Telekom kostenfreien Zugang ins Internet hatte.

Telekom Telefon Säule
„Telekom-Säulen“ verbreiten das öffentliche WLAN, allerdings nicht in der Johannisstraße (Foto)

Das Dilemma mit der SSID (dem Netz-Namen)

Das es sich bei den kostenlosen Zugangspunkten um Teile der Telekom-Infrastruktur handelt, wird auch durch die SSID – also dem Namen des Zugangspunktes – deutlich. Im Umfeld des entsprechenden Zugangspunktes muss der Kunde nach der SSID „Telekom“ suchen.
Für viele Nutzer dürfte es ärgerlich sein, dass die (zumindest für nicht Telekom-Kunden) kostenpflichtigen Zugangspunkte sich mit dem exakt gleichen Namen melden. Erst nach der Auswahl des entsprechenden Wifi-Netzes erkennt der Kunde, ob er sich an einem der neun kostenfreien oder einem von über 30 kostenpflichtigen Zugangspunkte angemeldet hat.
Man werde überpüfen, ob die Zugangspunkte nicht doch anders benannt werden könnten, so Petra Rosenbach, Geschäftsführerin der Osnabrück – Marketing und Tourismus GmbH (OMT), die offenbar erkannt hat, dass einem auswärtigen Besucher nur schwer zu vermitteln ist, warum das kostenfreie WLAN der Hasestadt nicht einen „sprechenden Namen“ (zum Beispiel „Free Wifi Osnabrück“) trägt.

Nach einem Netz mit dem Namen "Telekom" muss man suchen, doch neben 10 kostenfreien gibt es allein im Postleitzahlgebiet 49074 noch zusätzlich mehr als 30 kostenpflichtige Netze unter gleichem Namen
Nach einem Netz mit dem Namen „Telekom“ muss man suchen, doch neben neun kostenfreien Zugangspunkten gibt es allein im Postleitzahlgebiet 49074 noch zusätzlich mehr als 30 kostenpflichtige Netze unter exakt gleichem Namen (Foto: OMT)

Am Hauptbahnhof wird die Suche nach kostenfreiem Wifi schwierig

Nach Recherchen unserer Redaktion gibt es zudem direkte Überschneidungen zwischen dem kostenfreien Wifi und dem kostenpflichtigen Netz unter gleichem Namen.
Am Hauptbahnhof warten allein vier Zugangspunkte mit dem Namen „Telekom“, nur einer davon ist kostenfrei.

Telekom Hotspots in Osnabrück
Welcher Hotspot ist denn nun kostenfrei? Besonders am Hauptbahnhof wird es schwierig.

Die Neustadt ist vom kostenfreien Wifi abgehängt

Ausgerechnet in der Johannisstraße, die von Politik und Verwaltung immer wieder mit Absichtserklärungen bedacht wird, wie sehr man sich um eine Aufwertung bemühen will, ist Funkstille!
Hinterm Neumarkt hört die WLAN-Herrlichkeit auf. Die einzige „Insel“ außerhalb der Altstadt ist der einzelne kostenfreie Zugangspunkt am Hauptbahnhof – dort allerdings verborgen und teils überlagert von den drei kostenpflichtigen Telekom-Zugangspunkten.

Auf Nachfrage erklärte Stadtbaurat Frank Otte, dass in der Johannisstraße „aus technischen Gründen“ keine WLAN-Zugangspunkte möglich seien.
Wir haben im Anschluss an die Pressekonferenz den Faktencheck gemacht: Sowohl an der Bushaltestelle gegenüber SinnLeffers als auch gegenüber der Johanniskirche stehen zwei Telefonsäulen der Telekom, die unter der bekannten SSID „Telekom“ ein Wifi-Netz anbieten –  kostenpflichtig.

Ströer Johannisstraße Osnabrück
Jenseits vom Neumarkt wird es zwar kein freies Wifi geben, dafür soll die Firma Ströer hier neue Werbeanlagen aufbauen dürfen (Entwurf: Ströer)

Die Neustadt bekommt zusätzliche Werbeflächen

Auch wenn die Osnabrücker, die sich täglich in Osnabrücks heruntergekommener Einkaufsstraße tummeln, nicht das Privileg bekommen kostenfrei im Internet zu surfen, hat man offensichtlich an diese Zielgruppe gedacht. So soll eine der neuen CityLight-Werbeflächen direkt gegenüber der Johanniskirche aufgebaut werden.
Zusätzliche Werbung bekommt die Neustadt – kostenfreies Internet allerdings nicht.

Aufwertung von BigBelly durch WLAN-Zugangspunkte? Fehlanzeige!

In der Diskussion um die teuren aber fehleranfälligen BigBelly-Mülltonnen wurde öffentlich mehrfach auf die Tausendsassa-Fähigkeiten dieser zum Stückpreis von 6.000 Euro angeschafften Luxuskübel hingewiesen.
Wie Hermann Meyersieck von Ströer erklärte, wurde die Funk-Option der BigBellies weder berücksichtigt, noch sei es geplant die Problem-Mülltonnen auf diese Weise einer nützlichen Funktion zuzuführen.

Die Mär vom starken technischen Dienstleister

Von Seiten der beiden Vertreter der Firma Ströer wurde betont, wie leistungsfähig die Telekom als Dienstleister sei, dass man sich deshalb für diesen „starken Partner“ entschieden habe, und dass man ganz bewusst keine Werbung auf der speziell für das öffentliche WLAN erstellten Seite platzieren würde. Auch würde man keine Daten sammeln, da der Handel mit Daten „nicht unser Geschäftsfeld“ sei, so Ströer-Chef Alexander Stotz.
Offensichtlich konnte oder wollte der Werbemanager sich da nicht an die Geschäftstätigkeit der Konzernmutter erinnern? Allein in den vergangenen drei Jahren übernahm die Ströer SE & Co. KGaA sieben Onlineportale direkt aus dem Portfolio der Telekom, darunter auch t-online.de und wetter.info. Die Geschäftsbeziehung zu diesem „starken Partner“ ist also durchaus als eng zu bezeichnen. Obwohl inzwischen in Eigentum der Werbefirma Ströer, wird das t-online-Portal weiter unter der Marke der Telekom geführt und von der Telekom in eigene Produkte (bspw. als Startseite für Hotspots) integriert.
Diese Ströer-Portale – nicht etwa lokale Angebote aus oder von der Stadt Osnabrück – werden prominent auf der eigens eingerichteten Startseite angezeigt und verlinkt. Diese Einbindung ist durchaus als Werbung zu verstehen – für die eigenen Portale von Ströer. Wenig überraschend wird über diese Portale auch „nutzungsbasierte Onlinewerbung“ verbreitet, folgt man den Links auf der WLAN-Startseite.

Und was ist mit den anderen freien WLAN-Netzen?

Bereits 2012 richteten die Stadtwerke Osnabrück (immerhin zu 100% in Besitz der Stadt Osnabrück) in Kooperation mit der Regionalzeitung NOZ ein öffentliches WLAN-Netz ein. Nicht nur vor den Mobilitäts- bzw. Kundenzentren am Neumarkt und am Nikolaiort, sondern auch in der Großen Straße und im Nettebad und Moskau kann seitdem kostenfrei gesurft werden. Nach Auskunft von Stadtwerke-Presseprecher Marco Hörmeyer wird dieses Angebot auch in Zukunft bestehen bleiben.
Und auch das ehrenamtlich betriebene Freifunk-Netzwerk, das bereits die Maiwoche und den Weihnachtsmarkt erfolgreich mit einem Wifi-Netz versorgte und ganzjährig mehr als 600 Zugangsmöglichkeiten in der Stadt Osnabrück und im Osnabrücker Land anbietet, will nach Informationen unserer Redaktion nicht aufgeben sondern plant „Größeres“. Angesichts von derzeit nur 9 und geplanten 11 Zugangspunkten wird es wohl nicht schwierig sein hier „größer“ zu sein.

Einzig bei den Kosten – auch wenn die noch niemand ausgerechnet hat – dürfte die elf Zugangspunkte für das „öffentliche WLAN der Stadt Osnabrück“ wirklich unschlagbar sein!