Anti-Pyrolyse Aufkleber am Helmut-Kohl-Platz. / Foto: Brockfeld
Die Osnabrücker Stadtwerke wollen mindestens 30 Millionen Euro in ein Pyrolysewerk am Hafen investieren. Kritik kommt vor allem aus den Stadtteilen Pye und Haste, die in direkter Nachbarschaft zum Industriegebiet am Fürstenauer Weg liegen. Die Kritiker halten die Technologie für unausgereift und gefährlich.
Die Pyrolyse ist eigentlich ein alter Hut: Das Verfahren, bei dem organische Verbindungen extrem erhitzt aber nicht verbrannt werden, ist der Menschheit seit der Jungsteinzeit bekannt und kommt zum Beispiel auch in selbstreinigenden Backöfen zum Einsatz.
Das geplante „Pieswerk“ der Stadtwerke betritt dennoch Neuland: Hier sollen alte Reifen mithilfe des Pyrolyseverfahrens recycelt werden. Bisher wurden Altreifen in der Regel einfach verbrannt, zum Beispiel in Zementwerken, mit üblen Folgen für die Umwelt. Bei der Pyrolyse findet dagegen, andere als bei einer Verbrennung, keine chemische Reaktion mit Sauerstoff statt und es wird kein CO2 in die Atmosphäre freigesetzt.
Die Stadtwerke wollen also mit praktiziertem Umweltschutz nebenbei auch noch Geld verdienen, doch es gibt immer mehr Kritik.
Pyrolysewerk in den Niederlanden brannte ab
Die Stadtwerke planen mindestens 30 Millionen Euro in das „Pieswerk“ zu investieren. Doch obwohl das Pyrolyseverfahren seit Jahrtausenden bekannt ist, wurde es bisher noch nie erfolgreich zum Recycling von Altreifen genutzt.
„Wir konnten in ganz Europa kein Beispiel für ein erfolgreiches vergleichbares Pyrolysewerk finden“, erzählt Silke Kellermann von der Bürgerinitiative ProPye. „In den Niederlanden existierte eine Reifenpyrolysepilotanlage der Firma Black Bear. 2018 musste sich das Unternehmen erneut 11 Millionen Euro über eine weitere Kapitalrunde beschaffen, um die eigene Technologie zu perfektionieren und die internationale Skalierung zu beginnen. Allerdings ist die Anlage 2019 vollständig in Flammen aufgegangen.“ Die Initiative verweist auf eine ganze Reihe gescheiterter Anlagen in München, Karlsruhe, Miltzow und Hoyerswerda.
Auch Stadtwerke kennen kein erfolgreiches Werk
Ist die Technologie, in die die SWO viele Millionen investieren wollen, wirklich so unausgereift, wie es die Kritiker unterstellen? Unsere Redaktion hat die Stadtwerke explizit nach einem Beispiel für ein erfolgreiches Pyrolysewerk gefragt, doch die Antwort von Pressesprecher Marco Hörmeyer ist eher unscharf: „Bei der Pyrolyse handelt es sich um eine lang bewährte und gereifte Technologie, die nun für die CO2-Vermeidung rasant an Bedeutung gewinnt. Es ist daher davon auszugehen, dass kurz- und mittelfristig weitere Pyrolyseanlagen in ganz Deutschland entstehen werden. Wir setzen uns vor diesem Hintergrund ganz bewusst an die Spitze einer Bewegung – mit voller Überzeugung sowie zugleich größtmöglicher Sorgfalt und höchstem Verantwortungsbewusstsein im gesamten Planungsprozess.“
Karl Ahrnsen vom Bürgerverein Haste ist fassungslos: „Es gibt in ganz Europa kein erfolgreiches Pyrolysewerk für Altreifen, aber die Stadtwerke Osnabrück wollen den Stein der Weisen gefunden haben?“
Suche nach privaten Investoren
Im vergangenen Jahr wurde das „Pieswerk“ als ein Projekt der Stadtwerke vorgestellt, damals gaben die Planer an, dass sich die millionenschweren Investitionen rasch auszahlen werden. Inzwischen wollen die Stadtwerke auch private Investoren ins Boot holen.
Stadtwerke-Sprecher Marco Hörmeyer sieht darin keinen Widerspruch zu den ursprünglichen Plänen: „Zur unternehmerischen Verantwortung gehört auch, Netzwerke zu bilden und potentielle Pieswerk-Partner zu identifizieren. Eine Beteiligung passender Partner ist daher grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Hauptgesellschafter werden allerdings die Stadtwerke bleiben, so dass gesichert ist, dass das geplante Pieswerk in kommunaler Hand bleibt.“
Bürgervereinsvorstand Ahrnsen vermutet hingegen, dass die SWO weiteres Kapital benötigen, vor allem aber auch das finanzielle Risiko streuen möchten: „Wenn das Pyrolysewerk wirklich so ein gutes Projekt ist, dann hätten sie das eigentlich nicht nötig und würden die erwarteten Gewinne möglichst für sich behalten.“