Der 8. April 2009 war kein guter Tag für Osnabrück. Nicht nur, dass die Weltwirtschaftskrise den lokalen Arbeitgebern Probleme machte; kurz zuvor verabschiedeten sich auch noch die Britischen Streitkräfte mitsamt ihrer Kaufkraft aus Osnabrück. Es gab Wohnungen im Überfluss – und eine hohe Zahl an Arbeitslosen.

AFP

Und dann im April die Schock-Nachricht für mehrere tausend Familien im Großraum Osnabrück, die direkt oder mit Arbeitsplätzen bei Zulieferern betroffen waren: Karmann ist Pleite!

Glaubt man den Gerüchten, dann war es am Anfang ein Streit unter Managern, der das Traditionsunternehmen am Ende in die Insolvenz schickte.

VW-Patriarch Ferdinand Piëch, der auch Mitglied, Erbe und vor allem bedeutender Anteilseigner der Porsche-Familie ist, soll es dem damaligen Karmann Manager Rainer Thieme übel genommen haben, dass dieser es nicht hinnehmen wollte, dass der wenige Jahre zuvor selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Sportwagenbauer Porsche sich am Design, vor allem aber am patentgeschützten Dachsystem der Karmann-Studie „Idea“ bedient hatte.

Volkswagen und Porsche ließen Karmann ausbluten

Piëch, ohnehin kein Freund offener Autos, stoppte nachdem der nicht der Familie  Karmann angehörige Manager sich mit Porsche um den Ideenklau zoffte, nach und nach wichtige Fertigungs- und Entwicklungsaufträge der Wolfsburger.

Porsche selbst entschied sich eine bis in die Produktion des legendären Porsche 356 zurückreichende Partnerschaft komplett zu beenden.
Der neue Porsche Boxster, der einer Karmann-Studie in wichtigen Details zum Verwechseln ähnlich sah und der Porsche aus den tiefroten Zahlen rettete, wurde in Finnland, beim damals noch recht unbedeutenden Auftragsfertiger Valmet gebaut.

Karmann suchte Rettung bei Mercedes

Einzig den VW Beetle, der auf Wunsch von Ferdinand Piëch eigentlich keine offene Variante bekommen sollte, durften die Osnabrücker Ingenieure nachträglich zum Cabriolet umkonstruieren, doch der wurde dann in Mexiko und nicht an der Hase gefertigt, anders als sein berühmter Urahn, das Käfer Cabriolet, bis 1979.

Irgendwann blieben Karmann nur noch kleinere Aufträge, u.a. von Mercedes (SLK, CLK) und Chrysler (Crossfire) – der einstige enge Partner Volkswagen blieb bei seiner Verweigerungshaltung, mehrere Entlassungswellen folgten.

Insolvenz beendete hundertjährige Geschichte

Die Produktion der dritten Generation des Scirocco, der in den 70er Jahren zusammen mit Karmann entwickelt wurde um den legendären Karmann Ghia abzulösen, wurde nach Portugal vergeben, statt an die niedersächsischen Nachbarn. Das Ende war nah.

Vor diesem Hintergrund endete am 8. April 2009 die mehr als hundertjährige Geschichte der Firma Karmann (gegründet 1901) als eigenständige Automobilfabrik mit einem Insolvenzantrag.

Christian Wulff machte aus Karmann eine VW-Fabrik

Es folgten Monate harter Verhandlung, bei denen der aus Osnabrück stammende Ministerpräsident Christian Wulff sich stark für seine Heimatstadt engagierte. Im November vor 10 Jahren dann der Durchbruch. Volkswagen übernimmt Karmann, und plötzlich gab es auch wieder Aufträge und es wurde in den Standort investiert.

So richtig rund, trotz inzwischen rund drei Millionen für den Volkswagen-Konzern produzierter Fahrzeuge, läuft es für den Standort Osnabrück allerdings noch immer nicht. Es fehlt ein eigenes Erfolgsmodell, das dauerhaft den Standort sichert. Auch ist derzeit nicht erkennbar, dass Osnabrück eine entscheidende Rolle auf der Landkarte der Werke spielt, die Volkswagen in eine elektrische Zukunft führen sollen.
Aktuell produzieren rund 2.300 Mitarbeiter vor allem für Skoda und Porsche Nischenmodelle, für die es in eigenen Fabriken keine Kapazitäten gibt, sowie Kleinserien für die Marke Volkswagen.

Weiterlesen: Wurde das Osnabrücker Traditionsunternehmen Karmann ein Opfer des Automobil-Kartells?