Nicht zuletzt Jan Böhmermann hat die perfiden Maschen vieler Coaches entlarvt. Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Uwe Kanning forscht an der Hochschule Osnabrück schon seit einigen Jahren zu diesem Thema. Doch wie erkenne ich eigentlich Betrüger und wie schütze ich mich vor ihnen?
Immer mehr Menschen bieten Coaching an – egal, ob Business- oder Lifecoaching. Wer insbesondere in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, findet schnell den ein oder anderen selbsternannten Experten, der helfen kann. Dass diese Entwicklung maßgeblich durch das Internet vorangetrieben wird, kann auch der Osnabrücker Hochschulprofessor bestätigen. „In den 90er Jahren gab es nur ein paar Leute, heute kann jeder Coaching anbieten“, sagt Prof. Dr. Uwe Kanning. Einige „qualifizieren“ sich etwa in einem Wochenendseminar und bieten ihre Coachings im Nebenberuf an. Wo es früher vor allem darauf ankam, dabei zu helfen, erfolgreich und reich zu werden, sind die Themen, an denen Coaches heute ansetzen, viel größer. Auch ihr persönliches Marketing, mit dem sie Kunden locken wollen, habe sich dabei verändert. „Früher hat man sich auf Gurus berufen oder mit seiner langjährigen Erfahrung geworben, ganz neu ist, dass sie mit Wissenschaft argumentieren“, erklärt Kanning. Das sei aber oft nur assoziativ, Worthülsen, die nicht wissenschaftlich fundiert seien. Viele Coaches können allerdings selbst nicht von ihrer Arbeit leben und bieten Coaching für diejenigen an, die auch Coach werden wollen.
Keine geschützte Berufsbezeichnung
Dabei gibt es seit einigen Jahren eine sehr positive Entwicklung: Es gibt deutlich mehr Menschen, die Psychotherapie suchen. Der Bann, dass Therapie verrufen sei, scheint gebrochen. Doch die wenigen professionellen Therapeuten können die große Menge nicht auffangen, der Markt für Coaches ist damit geöffnet. „Echte Experten gehen im Meer von selbsternannten Experten unter“, weiß der Hochschulprofessor. Das große Problem: „Coach“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Das bedeutet: Jede oder jeder kann sich Coach nennen. Einen „TÜV“ durch einen Verband gibt es auch nicht – tatsächlich gibt es mittlerweile über 20 verschiedene Coachingverbände. Dass sich das langfristig ändern wird, sei eher unwahrscheinlich. „Es könnte aber eine Chance sein, wenn sich Hochschulen dem Thema annehmen würden und beispielsweise Studiengänge anbieten“, wirft Kanning ein. Er pflege stets in seinen Vorlesungen zu sagen: „Wer nichts wird, wird Coach.“
So erkennt man einen guten Coach
Aber es gibt dennoch sehr gute Coaches. Doch wie lässt sich ein guter von einem schlechten unterscheiden? „Der Unterschied ist gar nicht so einfach“, gibt Kanning zu. Er selbst würde bei der Wahl auf vier Punkte achten.
- Welche Grundausbildung hat die Person? Ein Psychologiestudium sei eine gute Grundlage, ein Philosophiestudium hingegen qualifiziere nicht.
- Welche Zusatzausbildungen hat die Person? Oftmals werben Coaches mit einer NLP-Ausbildung. „Das ist aber ein pseudowissenschaftlicher Ansatz“, stellt Kanning klar.
- Wie gehen Coaches vor? „Wenn sie nebulös antworten wie ‚Das ist ein Prozess, der sich entwickelt‘ oder es zehn bis 50 Sitzungen sein können, dann weiß ich, ich lasse die Finger davon“, erklärt der Wirtschaftspsychologe.
- Die Argumentation: „Lebenserfahrung oder weil jemand etwas lange macht, sind keine belastbaren Argumente“, meint Kanning.
Einfache Lösungen für komplexe Probleme
Selbsternannte Coaches bieten außerdem für komplexe Dinge oft sehr einfache Lösungen an. Dabei bedienen sie sich meist an perfiden Methoden. Eine von ihnen ist die Timeline-Methode. Dafür markiert beispielsweise ein Seil auf dem Boden die eigene Lebenslinie. Gedanklich schwebt man dann in die Vergangenheit zu dem Zeitpunkt zurück, an dem das Problem seinen Ursprung genommen hat – das kann aber nicht nur das eigene, sondern auch ein früheres Leben oder das eines Familienangehörigen sein. Wenn man dann weiß, wo das eigene Problem liegt, reist man zu einem Zeitpunkt davor, verändert etwas an seiner Einstellung und kehrt dann ins Jetzt zurück. Und wie von Zauberhand gibt es das heutige Problem nicht mehr. „So muss ich nicht an mir zweifeln, an mir arbeiten oder neue Verhaltensweisen lernen“, sagt Kanning. „Ein ‚Psychotrick‘, der vermeintlich helfen soll.“
Prinzipiell sei es immer dann sinnvoll, sich an einen Experten zu wenden, wenn man ein Problem hat, das einen schon länger begleitet. „Oft ist dann die Psychotherapie der richtige Weg“, meint Kanning. Coaching könnte in anderen Fällen jedoch sinnvoll sein – wer etwa vom Kollegen zur Führungskraft wird, könnte mit Rollenkonflikten konfrontiert werden. Wichtig ist nur, dann auch von einer ausgebildeten Fachkraft gecoacht zu werden und nicht von einem schwarzen Schaf.
Die Ergebnisse seiner Forschung fasste Kanning zuletzt in einem Buch zusammen. Im Februar 2023 erschien „Wider der Vernunft – Coaching und HR-Management auf Abwegen“ bei Pabst Science Publishers.
Apropos Fachkraft: Mit Prof. Dr. Uwe Kanning haben wir auch über den Fachkräftemangel, Kündigungsgründe und den Einsatz von KI im Bewerbungsprozess gesprochen. Mehr dazu gibt es in einem zweiten Artikel in dieser Woche.