Es hätte ein Beweis für pragmatisches Denken und eine Absage an die überbordende Bürokratie in der Stadtverwaltung werden können – doch taktisch geschickt platzierte Bedenken der Grünen Ratsfraktion blockieren die schnelle Einführung einer Taxiordnung für Osnabrück.
In der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause, die bis Ende August andauern wird, wollte eine ungewöhnliche Mehrheit aus (fast) allen im Stadtrat vertretenen Parteien eine Lösung zur Befriedung des Osnabrücker Taxikriegs auf den Weg bringen – HASEPOST berichtete bereits vor der Ratssitzung über den Antrag.
Statt einer Osnabrücker Sonderlösung, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, wollten die Lokalpolitiker probeweise und vorerst nur für ein Jahr die bereits in Oldenburg etablierte Taxiordnung übernehmen. Dazu brachten CDU, SPD, FDP, UWG, Piraten und die Linkspartei einen gemeinsamen Antrag ein. Es sollte eine Alternative zu einem von der Stadtvrwaltung vorgeschlagenen bürokratischen Verfahren sein, das aufwändige Sondergenehmigungen notwendig notwendig gemacht hätte.
Nach Vorstellung der Verwaltung sollten die Osnabrücker Taxifahrer nur „auf Antrag“ und über genau definierte Sondergenehmigungen zusätzliche Aufstellmöglichkeiten vor Discotheken, der Altstadt und der OsnabrückHalle erhalten.
Grüner Ratsherr belehrt sie alle
Einzig die Grüne Ratsfraktion fehlte bei den Unterstützern des unbürokratischen Vorschlags, der statt eines Sonderwegs einfach eine bereits bestehende Taxiordnung übernommen hätte.
Warum die Grünen sich nicht für weniger Bürokratie begeistern wollten, das wurde im Verlauf der Debatte deutlich. Ratsherr Thomas Klein echauffierte sich darüber, wie denn alle anderen im Rat vertretenen Parteien einen solchen, wie den vorliegenden Antrag, denn überhaupt zur Debatte stellen könnten?
Der im richtigen Leben als Rechtsanwalt tätige Ratsherr der Grünen, drohte gar mit der Kommunalaufsicht, die der Oberbürgermeister umgehend gegen alle im Stadtrat vertretenen Parteien – mit Ausnahme der Grünen, die es ja besser wissen – in Stellung bringen müsste, wenn diese denn ihrem Antrag zustimmen würden.
„Grober juristischer Unfug“?
Das, was eine schnelle und unbürokratische Lösung versprach und den Taxifahrern mehr Rechtssicherheit gegeben hätte, sei „grober juristischer Unfug“, produzierte sich Thomas Klein im Ratssitzungssaal; sichtlich über sich selbst, seinen Sachverstand und seinen eigenen Redebeitrag erfreut.
„Muss ich hier wirklich erklären, wie man einen Antrag formuliert“ ober-belehrte der Grüne die anderen Ratsmitglieder – immer bemüht seinen offensichtlich gerade erfolgten Endorphin-Ausstoß möglichst lange auf hohem Niveau zu halten.
„Auch nicht probeweise“ könne in einem „Akt der Rechtssetzung“ einfach so eine andere Ordnung übernommen werden.
Erst müsse die gegen die Verwaltung und damit auch den Parteifreund Frank Otte gerichtete unbürokratische Lösung in einem Ausschuss diskutiert werden – erst dann könne der Rat beschliessen.
Ein verlorenes Vierteljahr für die Taxiunternehmer
Konkret skizzierte und provozierte Thomas Klein mit seinen taktischen Bedenken eine erneute Verzögerung um mindestens ein Vierteljahr. Währenddessen sind die zumeist als Kleinunternehmer tätigen Personenbeförderer einem weiteren Abmahnrisiko durch Wettbewerber ausgesetzt. Jeder Verstoß beim Aufstellen vor einer Discothek kann den betroffenen Taxiunternehmer rund 4.000 Euro kosten.
Profiteure des Abmahn-Unwesens, das geeignet ist Existenzen zu vernichten: Rechtsanwälte – also Standeskollegen des grünen Ratsherrn Thomas Klein. Aber über die Folgen, die eine weitere Verzögerung im Osnabrücker Taxikrieg haben wird, wurde von den Lokalpolitikern nicht diskutiert.
Um einen Weg zurück zur Sachlichkeit bemüht, gab Oberbürgermeister Wolfgang Griesert dem querschiessenden Grünen ein wenig Recht, denn tatsächlich brauche es wohl etwas mehr Klarheit darüber, was zu beschliessen sei.
Otte will Taxifahrer in der Nacht kontrollieren
Der Grüne Stadtbaurat Frank Otte wiederum machte weitere Bedenken öffentlich: Da ja in Oldenburg sich die Taxen aufstellen könnten „wo sie wollen, wenn sie sich denn an die Straßenverkehrsordnung halten“, müsse er zukünftig seine Mitarbeiter während der geplanten einjährigen Probephase zwischen 22 Uhr und den frühen Morgenstunden durch die Stadt schicken. Denn es sei zu überprüfen, ob von den Taxifahrern auch der von der Oldenburger Vorbild-Satzung vorgegebene Abstand von 100 Metern zum nächsten Taxistand eingehalten werde.
Hier alle bisherigen Artikel zum Osnabrücker Taxikrieg und die Abmahnwelle im April 2018.
„Ein bürokratisches Monster“, monierte FDP-Ratsmitglied Oliver Hasskamp die Ausführungen des Stadtbaurats. Und an den Grünen Bedenkenträger Thomas Klein gerichtet ergänzte er, dass man sich im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (StUA) und auch bei interfraktionellen Sitzungen „sehr wohl und sehr intensiv“ mit der Oldenburger Taxiordnung beschäftigt habe, so dass das alles nicht neu für die Parteienvertreter sei.
Henning (SPD) setzt auf Expertise der Taxifahrer
So viel Bürokratie von Seiten der Verwaltung und der Grünen wollte auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Henning nicht ertragen. Er appellierte ganz grundsätzlich: „Warum hören wir nicht endlich auf die, die etwas davon verstehen – die Taxiunternehmer? Die wissen es besser als die Verwaltung. Warum können wir das nicht ausprobieren?“ Den Begriff „Evaluation“ wolle er nicht überstrapazieren, so Henning an Frank Otte und seine nächtlichen Kontrollfantasien adressiert: „Lasst es uns doch einmal für ein Jahr ausprobieren. Oldenburg ist nicht untergegangen!“
Und schließlich: „Wir fördern auch den ÖPNV, wenn wir den Taxifahrern, die Teil des öffentlichen Nahverkehrs sind, eine Taxiordnung geben.“
Befürworter der Oldenburger Ordnung bemängeln Bürokratie
Etwas Kleinlaut gab sich Claudia Schiller (CDU), ob der Angriffsfläche, die der auch von ihrer Partei unterstützte Antrag den Grünen bot. „Es ist misslich, dass wir juristisch den Antrag nicht einwandfrei hinbekommen haben. Wir haben es gut gemeint“. Schiller beendete ihren Redebeitrag mit den Worten: „Wir wollten weniger Bürokratie haben“.
Auf die von Oberbürgermeister Wolfgang Griesert vorgenommene Erläuterung, wie nach Ablauf der Sommerpause erst die Verwaltung eine Beschlussfassung formulieren muss, damit diese dann vom Stadtrat juristisch einwandfrei beschlossen werden kann, gab es vom FDP-Ratsmitglied Oliver Hasskamp den Zwischenruf: „Das ist Bürokratie pur!“
An Frank Henning gerichtet konnte sich der Oberbürgermeister abschließend nicht verkneifen diesen daran zu erinnern, dass die SPD sich in der jüngeren Vergangenheit nicht sonderlich für die Wünsche der Taxifahrer gekümmert habe: „Ich hätte mir das beim Neumarkt und Bahnhofsvorplatz gewünscht, vielleicht ist ein Sinneswandel möglich“.
[Kommentar des Redakteurs]
Das war ein Tiefpunkt kommunaler Selbstverwaltung. Seit Tagen war der Grünen Ratsfraktion der gemeinsame Antrag aller anderen Ratsfraktionen bekannt. Und es war abzusehen, dass die Unterstützer der unbürokratischen Lösung hinter ihrem Antrag stehen – selbst wenn der Antrag nun über die Sommerpause hinweg nochmals neu formuliert werden muss. Vermutlich deswegen haben die Grünen auch gar nicht erst versucht mit Argumenten für den bürokratischen Gegenvorschlag aus dem Verantwortungsbereich ihres Parteifreundes Frank Otte zu werben. Vor allem aber, wäre es ein Leichtes gewesen, die anderen Parteien auf ihren Formfehler „kollegial“ hinzuweisen – schließlich geht es in der Sache vor allem um die Nöte von Kleinunternehmern vor dem Hintergrund einer erst im April eskalierten Abmahnwelle.
Die anderen Parteien (also alle anderen im Rat vertretenen Parteien) einfach oberlehrerhaft abzuservieren und erst in der Ratssitzung darauf aufmerksam machen, dass es in deren Antrag einen Formfehler gibt, dass ist ganz schlechter Stil.
Ändern wird sich so nichts. Die bürokratischen Fantasien der Verwaltung finden keine Mehrheit dadurch – es wird lediglich die Einführung der Taxiordnung um mindestens ein Vierteljahr verzögert.
Darunter leiden werden die Taxiunternehmer – aber die sind den Grünen wohl ohnehin völlig egal, mindestens aber suspekt. Vermutlich weil sie immer noch mit Autos statt mit Fahrrädern durch die Gegend fahren und damit (und mit ehrlicher Arbeit) auch noch ihren Lebensunterhalt verdienen.
Es wäre für den Grünen Thomas Klein ein Leichtes gewesen die anderen Fraktionen – darunter sonst auch freundschaftlich verbundene Parteien – im Vorfeld der Ratssitzung auf den Formfehler in ihrem Antrag hinzuweisen. So aber konnte er als Streber brillieren. In der Schule steckten Streber und Besserwisser regelmäßig mit dem Kopf voran im Papierkorb. Später werden sie dann wohl Rechtsanwalt oder Politiker bei den Grünen – im schlimmsten Fall beides.