Nach einem ausgelassenen Tanzabend im Alando-Palais haben die Gäste meist kaum Probleme ein Taxi zu finden. In der Regel finden sie direkt vor dem Eingang, am von der Stadt dafür ausgewiesenen Taxistand, ihr Gefährt für die sichere Heimreise.
So auch in der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 8. April. Am Taxistand, aber auch an der Bordsteinkante, stehen zeitweise bis zu 15 Taxen und warten auf Fahrgäste – doch was die Gäste und Fahrer nicht ahnen: Vom gegenüberliegenden Parkhaus werden in dieser Nacht, wie in den beiden Nächten zuvor, mehr als 1.500 Fotos des nächtlichen Treibens gemacht. Es sind die Beweisfotos eines Klägers (Name der Redaktion bekannt), die den Taxikrieg in Osnabrück in Folge erneut anheizen werden.
Ein Artikel von Nicole Dabrowski und Heiko Pohlmann
Ein Jahrzehnte alter Konflikt: der Osnabrücker Taxikrieg
Der Streit zwischen Taxi- und Mietwagenfahrern in Osnabrück reicht viele Jahre zurück. Auslöser für den Konflikt waren ursprünglich die nicht unerheblichen Preisunterschiede zwischen Taxis, die Teil des streng regulierten öffentlichen Nahverkehrs sind, und den in ihrer Preisbildung freien Mietwagen. Bereits kurz nachdem die Mietwagen sich anschickten für mehr Wettbewerb zu sorgen, stellte sich heraus, die Taxiunternehmen konnten und können immer noch nicht mit den Niedrigpreisen ihrer neuen Konkurrenten mithalten. Die wenigen Privilegien, die der Gesetzgeber den Taxis zugesteht, zum Beispiel das Recht auf genau definierten Taxiplätzen zu warten und Fahrgäste vom Straßenrand aufzunehmen, scheinen nicht auszureichen um den teureren Fahrpreis aufzuwiegen.
Umgekehrt fühlen sich die Betreiber der Mietwagen oft gegängelt, wie Ihnen strenge Auflagen gemacht werden, die manchmal absurd erscheinen. So ist es strengstens untersagt per Mobiltelefon unterwegs auf einer Rückfahrt von einem neuen Kunden einen Fahrauftrag anzunehmen. Wer Personen befördert, ohne ein gelbes Schild auf dem Dach zu haben und eine Taxi-Konzssion zu besitzen, muss vor jeder bezahlten Fahrt erst wieder zurück an seinen Firmensitz fahren – egal ob das ökologisch oder ökonomisch sinnvoll ist.
Bereits seit 2007: „Taxikrieg“
In der Folge entwickelte sich eine Feindschaft, die die Konkurrenten dazu zwang in der Einhaltung der Gesetze zur Personenbeförderung spitzfindig zu werden und Verstöße – natürlich immer nur der Wettbewerber – zur Anzeige zur bringen oder abzumahnen. Der Konflikt auf den Straßen der Hasestadt eskalierte so sehr, dass bereits 2007 die in Berlin erscheinende alternative Tageszeitung taz vom „Taxikrieg in Osnabrück“ berichtete.
Und auch mehr als 10 Jahre später ist dieser Krieg noch aktuell – offensichtlich noch mehr denn je, denn eine Welle von gegenseitigen Abmahnungen, droht sowohl Taxi- wie Mietwagenunternehmer in den Ruin zu treiben.
Im Kampf um das scheue Gut „Fahrgast“ werden die bestehenden Regeln regelmäßig gebrochen. Scheinbar harmlose Verstöße, über die von den Wettbewerbern aber unnachgiebig gewacht wird, führen zu Abmahnungen oder Anzeigen.
Klagewellen überschlagen sich
Es gehe dabei nicht um „Rechthaberei“, sondern um das „wirtschaftliche Überleben“, wie uns der Mann erklärt, der sich Anfang April auf dem Parkhaus des Marienhospitals mit einem lichtstarken Teleobjektiv postierte um seine Kollegen Wettbewerber vom Taxigewerbe dabei zu fotografieren, wie sie sich außerhalb des nur für 5 Taxen zugelassenen Taxistands postieren um zügig nachrücken zu können.
„Die Situation in unserem Gewerbe ist schon längst eskaliert. Das Ziel ist es nicht, jemandem durch die Beweisfotos zu schaden, wir wünschen uns nur, dass die Gesetze auf beiden Seiten eingehalten werden“, beteuert der Mietwagenunternehmer im Gespräch mit unserer Redaktion. Mit den Fotos, Notizen über Kennzeichen und Zeugenaussagen erhofft sich der Kläger, die Taxiunternehmer in Osnabrück zur Wahrung der Regeln zu bringen – und bringt sie dennoch finanziell in eine bedrohliche Lage.
Eine entscheidende Frist lief am Donnerstag aus. Bis dahin hatte etwa die Hälfte der abgemahnten Unternehmen die strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnet. Damit haben sie sich zu einer Zahlung von knapp 750 Euro Anwaltskosten und vertraglich zur Einhaltung der geltenden Gesetze verpflichtet. Bei jedem weiteren Verstoß werden Vertragsstrafen bis zu 5.000 Euro fällig. Noch stehen die Unterschriften von einigen Unternehmen aus. Hier wird es zumindest teilweise zu einer gerichtlichen Klärung kommen, die für die jeweiligen Beteiligten ein Prozesskostenrisiko von ebenfalls mindestens 5.000 Euro bedeutet: Summen, die wirtschaftliche Existenzen zu Fall bringen können.
Insgesamt soll eine hohe zweistellige Zahl der in Osnabrück aktiven Taxiunternehmer mit einer Abmahnung konfrontiert worden sein*.
„Lockvögel“ stellten Mietwagenfahrern zu Karneval eine Falle
Doch die Fotoaktion des Mietwagenunternehmers gegen die Aufstellpraxis vor dem Alando-Palais hat eine Vorgeschichte.
Ossensamstag vor einem Jahr: Ein Mitarbeiter des Beförderungsunternehmers, der sich nun selbst gegen vermutete Vergehen der Taxifahrer richtet, nimmt am Heger Tor einen Fahrgast auf, der seinen Mietwagen per Telefonanruf in einer der beiden in Osnabrück aktiven Telefonzentralen geordert hat. Der Fahrer glaubt jedenfalls, dass sein Fahrgast zuvor die Zentrale angerufen hat, so schildert er die damalige Situation in unserer Redaktion, und so wollte er sich auch vor dem Landgericht in Osnabrück verteidigen.
Tatsächlich soll es sich aber um einen „Lockvogel“ gehandelt haben, der im Auftrag einiger Osnabrücker Taxiunternehmer und/oder einer mit der Durchsetzung der Interessen des Taxigewerbes beuaftragten Kanzlei, rund um Karneval unterwegs war, mit dem Ziel Beweise für Verstöße der Mietwagenfahrer zu sammeln.
Angeblich sollen die „Detektive“ für ihren Zeugendienst auch bezahlt worden sein, Belege dafür liegen jedoch nicht vor, sind aber auch nicht relevant.
Letztlich führte diese Maßnahme des Taxigewerbes am Ende zu einem Rechtsstreit, der unseren Informanten aus dem Mietwagengewerbe einige Tausend Euro kostete und wohl als Auslöser für die Gegenreaktion anzusehen ist, die zu den rund 1.500 Fotos vom Taxistand vor der Discothek am Pottgraben führte.
Erste Gegenaktion der Mietwagenfahrer im April 2017
Bereits im April 2017 zu einer ersten Gegenaktion, bei der nun aus Reihen der Mietwagenfahrer nach Beweisen für tatsächliche oder vermeintliche Verstöße des Taxigewerbes sorgten. Im Frühjahr des vergangenen Jahres wurden – während in der Altstadt Hunderte ihr „Bierdiplom“ feierten – Beweise gegen die Verstöße von Taxiunternehmen in der Lohstraße gesammelt.
Ganz ähnlich, wie ein Jahr später am Pottgraben fotografiert, warteten zahlreiche Taxis außerhalb dafür gekennzeichneter Stellplätze auf Fahrgäste. Die finanziell schmerzhafte Quittung für die erwischten Taxifahrer auch hier: Mehrere hundert Euro Anwaltskosten bei Annahme der mit der Abmahung verschickten Unterlassungserklärung – und in Folge das Risiko bei einem erneut nachgewiesenen Verstoß mehrere Tausend Euro Strafe zu zahlen, oder wahlweise vor Gericht zu unterliegen und womöglich noch höhere Kosten begleichen zu müssen.
Wohl auch als Reaktion auf die Eskalation vor dem Sonnendeck, bemühte sich die Stadtverwaltung in den vergangenen Monaten eine Lösung für zusätzliche Aufstellflächen nach einem in Oldenburg erprobten Modell zu schaffen (HASEPOST berichtete). Nachdem der zuständige Ausschuss jedoch in seiner April-Sitzung den Verwaltungsvorschlag „ohne Empfehlung“ an den Rat weiterleitete, soll – so ein politischer Insider gegenüber unserer Redaktion – die SPD-Fraktion weiteren Beratungsbedarf angemeldet haben, so dass mit einer zumindest teilweisen Lösung der Aufstellproblematik vielleicht erst nach der Sommerpause zu rechnen ist.
Währenddessen eskaliert der Taxikrieg weiter und dehnt sich auch auf den persönlichen Bereich einzelner Akteure aus – dazu in der kommenden Woche mehr!
Die Fotos sind Gegenstand der oben beschriebenen Abmahnungen gegen Taxiunternehmer. Zur Wahrung etwaiger Persönlichkeitsrechte wurden Kennzeichen und Gesichter durch unsere Redaktion verpixelt.*Update 22:25: Unsere Quelle nannte uns nach Veröffentlichung des Artikels eine widersprüchliche Angabe zu den tatsächlich versendeten Abmahnungen, wir haben daher – bis zu einer Klärung – die zuvor veröffentlichten konkreten Zahlen herausgenommen.