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Studie zu sexualisierter Gewalt: Bistum Osnabrück äußert sich – Betroffene fordern ernsthafte Aufarbeitung

Das Bistum Osnabrück hat sich am Mittwoch (9. Oktober) zur kürzlich veröffentlichten Studie der Universität Osnabrück zu Fällen sexualisierter Gewalt im kirchlichen Raum geäußert. Da Bischof Dominicus kurzfristig erkrankt ist, übernahm Generalvikar Ulrich Beckwermert die Stellungnahme und betonte den unermüdlichen Einsatz des Bistums für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.

„Wir dürfen nicht nachlassen darin, die Aufarbeitung des Erlebten weiter zu betreiben“, erklärte Beckwermert. Er versprach, dass Betroffene bestmöglich unterstützt werden sollen und die Kirche alles tun werde, um sexualisierte Gewalt künftig zu verhindern. Im Rahmen dieser Anstrengungen plant das Bistum, den Dialog mit Betroffenen fortzusetzen, den Schutzprozess weiter zu optimieren und die Präventionsarbeit zu verstärken. Ziel sei es, Strukturen zu schaffen, die einen sicheren Raum bieten und Missbrauch verhindern.

Bischof Dominicus hatte sich bereits in der vergangenen Woche schriftlich zur Studie geäußert: „Erneut bin ich als Bischof und Ordensmann beschämt, dass zahlreichen Kindern, Jugendlichen und anderen Schutzbefohlenen in der katholischen Kirche ausgerechnet von denen, von denen sie sich Zuwendung und Schutz erhofften, solches Leid zugefügt wurde.“

Pressekonferenz am 9. Oktober. / Foto: Dominik Lapp
Pressekonferenz des Bistums Osnabrück am 9. Oktober. / Foto: Dominik Lapp

Erschütternde Zahlen und Kritik am Umgang mit Tätern

Die Studie der Universität Osnabrück legt erschütternde Zahlen offen: Mehr als 400 Kindern und Jugendlichen wurde im Bistum Osnabrück und dem heutigen Gebiet des Erzbistums Hamburg durch Priester, Ordensleute und Mitarbeitende der katholischen Kirche schweres Leid zugefügt. Ilona Düing, Vertreterin des Betroffenenrats Nord, sprach von einem möglichen Ausmaß des Leids, das zehnmal höher sein könnte. „4.000-faches Leid“, wie sie es formulierte, könnte die Dunkelziffer umfassen.

Für viele der Betroffenen wirkt sich das Erlebte bis heute auf ihr tägliches Leben aus, so Düing. Sie hob die wichtige Rolle der Studie für die Aufarbeitung hervor, zeigte sich aber besorgt, ob das Bistum wirklich alle Schritte konsequent und transparent gehen werde. Besonders kritisierte sie die oft praktizierte Relativierung der Taten von Missbrauchstätern: „Oft werden die guten Taten der charismatischen Täter als Gegengewicht zu den Übergriffen aufgerechnet.“

Sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück
Foto: Dominik Lapp

Versäumnisse und Hoffnung auf Veränderungen

Eine weitere Kritik Düings richtete sich an das bisherige Verhalten hochrangiger Kirchenvertreter. Sie schilderte den schockierenden Vorfall, bei dem man sie selbst gefragt habe, ob ihr Missbrauchstäter wieder eingesetzt werden könne – mit der Begründung, er „langweile sich“ und es herrsche ein personeller Notstand. „Das Wohlergehen der Täter scheint oft noch wichtiger zu sein als das der Betroffenen“, stellte sie ernüchtert fest.

Trotz dieser Kritik sieht Düing auch Fortschritte im Bistum Osnabrück. Sie würdigte die Arbeit der Unabhängigen Beauftragten für den Schutzprozess und die Ombudsstelle als wichtige Schritte in die richtige Richtung. Rückblickend zeigte sie sich jedoch enttäuscht vom ehemaligen Bischof Franz-Josef Bode, dem sie vorwarf, den Schutz seiner priesterlichen Mitbrüder oft über das Wohl der Betroffenen gestellt zu haben. Bodes Rücktritt im März 2023 sieht der Betroffenenrat als Konsequenz aus einer kirchenrechtlichen Anzeige. Düing äußerte die Hoffnung, dass Bodes Nachfolger, Bischof Dominicus, sich klar auf die Seite der Betroffenen stellen und den begonnenen Aufarbeitungsprozess entschlossen weiterführen werde.

Pressekonferenz des Bistums Osnabrück
Großer Presseandrang bei der Pressekonferenz des Bistums Osnabrück. / Foto: Livestream Bistum Osnabrück

Kritik an Erzbistum Hamburg: Keine Fortschritte bei der Aufarbeitung

Abschließend forderte Ilona Düing eine intensivere Zusammenarbeit zwischen dem Bistum Osnabrück und dem Erzbistum Hamburg. Dort komme die Aufarbeitung nur schleppend voran, und Betroffene fänden oft nicht die nötige Unterstützung.

Fassungslos zeigte sie sich außerdem darüber, dass die Studie der Universität Osnabrück belegt, dass im Erzbistum Hamburg Tatverdächtige im Amt bleiben, wenn keine eindeutigen Beweise und kein Geständnis vorliegen – obwohl Anerkennungsleistungen an Betroffene geflossen sind, was bedeutet, dass das Erzbistum die Vorwürfe für plausibel hält.


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Dominik Lapp
Dominik Lapp
Dominik Lapp ist seit 2023 Redaktionsleiter der HASEPOST. Der ausgebildete Journalist und Verlagskaufmann mit Zusatzqualifikation als Medienberater, Social-Media- und Eventmanager war zuvor unter anderem als freier Reporter für die Osnabrücker Nachrichten, die Neue Osnabrücker Zeitung und das Meller Kreisblatt sowie als Redakteur beim Stadtmagazin The New Insider und als freier Autor für verschiedene Kultur-Fachmagazine tätig. Seine größte Leidenschaft gilt dem Theater, insbesondere dem Musical und der Oper, worüber er auch regelmäßig auf kulturfeder.de berichtet.

  

   

 

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