Ein dreifaches „Olle Use!“, schallte gestern Abend über den mit Menschen gefüllten Marktplatz vor dem historischen Rathaus in Osnabrück. Kurz danach erstrahlte der Platz im stimmungsvollen Licht unzähliger Fackeln. Aber warum fand dort ein Fackelzug statt?
Wer in den letzten Tagen aufmerksam durch die Osnabrücker Altstadt flaniert ist, dem sind dort die mit grünen Girlanden verzierten Gebäude und Straßen aufgefallen. Auch sind einige Schilder mit plattdeutschen Sprüchen in der Altstadt liebevoll aufgestellt.
Blasen des Horns eröffnet den Schnatgang
Denn alle sieben Jahre findet in der Altstadt eine Osnabrücker Besonderheit statt: Der Schnatgang der Heger Laischaft. Am Donnerstagabend wurde er um 20.15 Uhr durch Gerhard Gust, dem Buchhalter und Worthalter der Heger Laischaft, eröffnet. Dabei wurde das Horn geblasen und es gab Trommelschläge auf der traditionellen Wolfstrommel.
Der Grenzgang ist eine alte Tradition der Heger Laischaft
Das Blasen des Horns geht auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Ursprünglich war die Heger Laischaft eine Viehtriebsgemeinschaft, die es seit 1560 in Osnabrück gibt. Mit dem Blasen des Horns gab es das Zeichen, dass sich die Viehherde bald in Bewegung setzen wird. Auch betrieb die Heger Laischaft rund 400 Jahre lang Forstwirtschaft. Das Schnatgangfest wird allerdings erst im 19. Jahrhundert zu einer Tradition.
Schnatgang ist ein Grenzkontrollgang
Das sieben Tage andauernde Fest leitet sich vom niederdeutschen Begriff „Schnat“ ab, das auf hochdeutsch „Grenze“ bedeutet. Es werden also die Grenzen, der früher gemeinsam bewirtschafteten Flächen, abgelaufen und kontrolliert. Der Begrüßungsausruf „Olle Use“ bedeutet übrigens „Alles unsere“ und meint damit die Grenzen des Gebiets. Eine Osnabrücker Kneipe wurde nach diesem Ausruf benannt.
Neues Laischaftlied feiert Premiere beim Fackelzug
Nach der Eröffnung des Festes zog der Zug der Fackelträger der Heger Laischaft, begleitet durch die Feuerwehr Osnabrück, durch die Straßen des Laischaftsgebiets. Das Laischaftsgebiet erstreckt sich über das hinter dem Heger Tor gelegene Altstadtviertel. Dabei wurde der Fackelzug musikalisch untermalt durch Schülerkapellen der Angelaschule und des Ratsgymnasiums aus Osnabrück. Sie feierten Premiere und durften zum ersten Mal das neue Heger Laischaftslied, welches anlässlich des Schnatgangs 2018 komponiert wurde, spielen. Viele Anwohner schauten sich das Spektakel herausgelehnt aus ihren Fenstern an oder begleiteten den Fackelumzug ein Stück.
Traditionelle Ohrfeige ist eine Ehrung
Am ersten Grenzstein an der Lotter Straße findet eine weitere Tradition der Heger Laischaft statt: Die traditionelle Ohrfeige. Denn traditionell wird beim Grenzgang darauf geachtet, dass kein Grenzstein verrückt wurde. Bei einer Grenzverletzung wurde dieses Vergehen bestraft. Auch heute noch muss ein Junge der Laischaft an diesem Grenzstein, stellvetretend für alle, die Ohrfeige einstecken. „Die rituelle Ohrfeige, die der Auserkorene erdulden muss, ist zwar keine angenehme Prozedur, aber eine Ehrung“, erklärt Oberbürgermeister Wolfgang Griesert bei dem Vorab-Empfang des Schnatgangfestes im Friedenssaal des historischen Rathauses. Das Fest sei bewusstseins- und identitätsprägend für die Stadt. „Die Seele Osnabrücks besteht aus geschriebener und gelebter Geschichte des westfälischen Friedens durch die Bürgerinnen und Bürger“, so Griesert weiter. Das Fest vereine den westfälischen Frohsinn und die bodenständige Leichtigkeit.