Hinkt Osnabrück bei der Verkehrspolitik hinterher? Trotz einer insgesamt positiven Bilanz zur Stickstoffdioxid-Belastung des deutschen Umweltbundesamtes überschritten die Messwerte des Osnabrücker Passivsammlers im Jahr 2019 erneut den vorgegebenen Grenzwert.
Das Umweltbundesamt hat die finalen Daten für Stickstoffdioxid (NO2) für das Jahr 2019 vorgelegt. Demnach überschritten im vergangenen Jahr nur noch 25 Städte den Luftqualitätsgrenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft (µg/m³) im Jahresmittel – darunter neben Städten wie Düsseldorf, Essen und Köln auch die Friedensstadt Osnabrück.
Insgesamt positive Bilanz
Insgesamt zieht das Umweltbundesamt eine positive Bilanz für das Jahr 2019. „Die Luft in deutschen Städten wird sauberer, die Entwicklung der Luftqualität weist bundesweit in die richtige Richtung. Das zeigt: Umweltpolitik wirkt. Dennoch reichen die bisherigen Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen noch nicht aus, um den EU-Grenzwert für NO2 zum Schutz der menschlichen Gesundheit wirklich überall einzuhalten. Die Lösung liegt in saubereren Fahrzeugen und einer grundlegenden Mobilitätswende“, so Bundesumweltministerin Svenja Schulze am Dienstag, dem 9. Juni 2020 in einer Pressemitteilung des Umweltbundesamtes.
Was bedeutet die Grenzwertüberschreitung für die Gesundheit?
Der Passivsammler am Neuen Graben in Osnabrück stellte für das Jahr 2019 einen NO2-Jahresmittelwert von 44 µg/m³ fest. Im Vergleich: Die Messstation im Chlevischer Ring 3 in Köln erreicht denselben Wert. Mit 41 µg/m³ an der Kurt-Schuhmacher-Straße erreicht die Stadt Gelsenkirchen bessere Werte als Osnabrück. Doch welche Gesundheitsrisiken ergeben sich aus einer Überschreitung des Grenzwertes? „Ist ein Grenzwert überschritten, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass Menschen dadurch erkranken oder versterben. Allerdings steigt dadurch das Risiko für die Entwicklung von Krankheiten oder Beschwerden an“, heißt es auf der Website des Umweltbundesamtes. Demnach stellen Luftschadstoffe insbesondere für die Entstehung von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einen Risikofaktor dar. „Durch Stickstoffdioxid und andere Luftschadstoffe können schädigende Prozesse in den Atemwegen und in anderen Organen in Gang gesetzt werden, die je nach Art der Schädigung früher oder später zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Das heißt: Die Anfälligkeit für einen Herzinfarkt nimmt zu, es spielen aber immer mehrere Faktoren zusammen. Luftschadstoffe gehören zu diesen Faktoren.“
Straßenverkehr als Hauptquelle
Hauptquelle der Stickstoffoxide in den Städten ist der Straßenverkehr – und vor allem Diesel-Pkw. Überschreitungen des NO2-Jahresmittelgrenzwertes treten ausschließlich an viel befahrenen Straßen in Ballungsräumen und Städten auf. An 20 Prozent aller verkehrsnahen Messstationen überschritten die NO2-Konzentrationen im Jahr 2019 den Grenzwert von 40 µg/m³ im Jahresmittel. Im Jahr 2018 waren es mit 42 Prozent noch mehr als doppelt so viele Messstationen.
Rückgänge fallen unterschiedlich hoch aus
Insgesamt setzt sich der Rückgang der NO2-Belastung in den Städten deutlich fort – so auch in Osnabrück. Im Vergleich zum Jahr 2018 ist der NO2-Jahresmittelwert im vergangenen Jahr von 50 µg/m³ auf 43 µg/m³ zurückgegangen. Im Mittel lagen die NO2-Werte (Jahresmittelwerte) an verkehrsnahen Messstationen rund vier Mikrogramm pro Kubikmeter unter denen des Jahres 2018. Auf die einzelnen Messstationen bezogen fallen die Rückgänge unterschiedlich hoch aus. Gründe für den Rückgang sind: Lokale Maßnahmen wie zum Beispiel Tempolimits, Fahrverbote oder der Einsatz schadstoffärmerer Busse, bundesweite Maßnahmen wie Softwareupdates, Förderungen im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft 2017-2020“ sowie die Erneuerung der Fahrzeugflotte mit Fahrzeugen, die auch im realen Betrieb niedrige Stickstoffoxidemissionen aufweisen, und meteorologische Einflüsse, die die Ausbreitung von Luftschadstoffen beeinflussen.
Langfristige Verkehrswende
Zum Rückgang der NO2-Belastung hat auch die Corona-Pandemie beitragen. Die Minderung der Stickstoffemissionen durch 30 bis 50 Prozent weniger Straßenverkehr in den Städten im Zuge der umfassenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Bewältigung der Corona-Pandemie ist jedoch nur ein kurzfristiger Effekt von rund vier Wochen. Eine Pandemie sei somit kein Ersatz für eine vernünftige Verkehrspolitik. Dirk Messner: „Dass weniger Verkehr zu besserer Luft und auch weniger Lärm führt und sich damit die Lebensqualität in unseren Städten erhöht, hat uns die Corona-Krise vor Augen geführt. Diese positive Erkenntnis sollten wir unbedingt als weiteren Anlass für eine langfristige Verkehrswende aus dieser Krise mitnehmen. Für den Schutz der menschlichen Gesundheit brauchen wir eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Luftqualität mit gezielten Luftreinhaltemaßnahmen.“